KÖLN. (hpd) Mina Ahadi, Ralph Giordano und Günter Wallraff diskutierten über Islam
und Islamkritik. Die Giordano Bruno Stiftung hatte in Kooperation mit dem Zentralrat der Ex-Muslime (ZdE) zur Podiumsdiskussion an die Kölner Universität geladen.
Rund 250 Zuhörer erlebten eine spannende Diskussion. Sowohl Ahadi als auch Wallraff und Giordano hatten in diesem Jahr mit islamkritischen Äußerungen für Schlagzeilen gesorgt und waren deshalb zu Zielscheiben islamischer Morddrohungen geworden. Am Samstagabend traten sie das erste Mal gemeinsam auf - eine „Ökumene der Unseligen", wie Moderator Michael Schmidt-Salomon in der Vorstellungsrunde formulierte. In der Tat waren zwischen dem säkularen Juden Ralph Giordano, der Ex-Muslima Mina Ahadi und dem Ex-Katholiken Günter Wallraff große Gemeinsamkeiten festzustellen. Vor allem waren sie sich im zentralen Punkt einig, nämlich dass Islam und Islamismus von einer humanistischen, aufklärerischen Warte aus entschiedener kritisiert werden müssten, als dies gemeinhin geschieht. Doch zeigten sich in der Diskussion auch deutliche Unterschiede zwischen den Podiumsteilnehmern - vor allem im Hinblick auf die Frage, welche politische Strategie im Umgang mit dem Islam angemessen sei.
1. Gesprächsrunde: Was hat der Zentralrat der Ex-Muslime bewirkt?
In der ersten Gesprächsrunde kam vor allem Mina Ahadi, die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime (ZdE), zu Wort. Der am 28. Februar 2007 ins Leben gerufene Verein habe sowohl in Deutschland als auch weltweit beachtliche Resonanz gefunden, erklärte Ahadi. Durch das öffentliche Bekenntnis zur Apostasie (Glaubensabfall) sei ein zentrales Tabu des Islam gebrochen worden. Zudem sei es gelungen, die Strategien der Islamverbände zu durchkreuzen, die sich gerne als Vertreter aller Migranten aus sog. „islamischen Ländern" präsentieren würden.
Die Islamisierungsstrategien der muslimischen Verbände seien innen- wie außenpolitisch gefährlich, meinte Ahadi. Man müsse ihnen schon im Ansatz entgegentreten. Die Universalität der Menschenrechte sei schlichtweg nicht verhandelbar. Man dürfe nicht zulassen, dass unter dem Deckmantel der Religion systematisch etwa gegen Frauen- und Kinderrechte verstoßen werde.
Ahadi betonte, die Idee des „Euro-Islam" sei zwar "gut gemeint", es sei aber stark anzuzweifeln, ob der Islam so einfach reformiert werden könne, da Muslime auf der Grundlage des Koran nicht respektieren könnten, dass Religion Privatsache sei. Man dürfe nicht übersehen, dass der Islam eine aggressive politische Bewegung sei, die in mehreren Ländern Hunderttausenden das Leben gekostet habe. Die liberalen, reformwilligen Muslime hätten eigentlich „genug Zeit gehabt", um den Islam zu zähmen. Bislang sei dies aber hoffnungslos gescheitert. Ohne starken Druck von außen würde sich daran auch nichts ändern.
2. Gesprächsrunde: Protest gegen die Kölner Moschee
Die zweite Gesprächsrunde war Ralph Giordano und seinem Protest gegen die in Köln-Ehrenfeld geplante Großmoschee gewidmet. Giordano, „ein unermüdlicher Warner vor allen Spielarten des Totalitarismus" (Michael Schmidt-Salomon), legte dar, dass man diesen Protest nicht isoliert betrachten dürfe. Der Bau von Großmoscheen sei nämlich Teil einer umfassenden Islamisierungsstrategie. Die Großmoschee stehe für eine identitätsbewahrenden - das heißt nicht integrationswilligen - islamistischen Herrschaftsanspruch und die Gelder für den Bau stammten größtenteils aus dem Ausland.
Jegliche Relativierung des Islam oder dessen Gleichsetzung mit dem Christentum sei, so Giordano, „absolut ahistorisch", da das Christentum durch Aufklärung, Reformation und Demokratie eine dramatische Entwicklung durchgemacht habe. Der Islam sei das „ganz, ganz neue Problem", da er mit Menschenrechten, mit Demokratie und Frauenrechten nicht zu vereinbaren und zudem im höchsten Maße reformresistent sei. In diesem Zusammenhang attackierte Giordano die Mehrheit der deutschen Politiker/innen als „einäugige Xenophile", „Beschwichtigungsdogmatiker", und „Multikulti-Illusionisten". Im Gegensatz zu ihnen habe er sich „die Mühe gemacht, den Koran zu lesen" und er könne nur hoffen, „dass die Gläubigen nicht danach handeln": „Wir haben hier eine tickende Zeitbombe unter uns und nichts geschieht."
Während Mina Ahadi ebenso entschieden wie Giordano gegen den Moscheebau protestierte, erklärte Günter Wallraff, der als Freund der von der Fatwa bedrohten Schriftsteller Salman Rushdie und Aziz Nesin die Schattenseiten des Islam keineswegs bestritt, dass er als Bewohner des besagten Stadtteils Köln-Ehrenfeld den Bau der Großmoschee „eher pragmatisch" als „potenzielle Touristenattraktion" sehe. Außerdem habe er immer noch die Hoffnung, dass die liberaleren Kräfte unter den Muslimen langfristig die Oberhand gewinnen könnten. Dies verlange jedoch, dass man solche Kräfte auch unterstütze. Tragischerweise stünden die fundamentalistische Gruppierungen finanziell weit besser da als die Vereinigungen säkular denkender Muslime oder der Zentralrat der Ex-Muslime. Wenn man Integration wolle, so müsse man auch jene fördern, die mit gutem Beispiel vorangingen.
3. Gesprächsrunde: Rushdie-Lesung in der Moschee?
Die dritte Gesprächsrunde drehte sich um Günter Wallraffs subversiven Vorschlag, Rushdies „Satanische Verse" in einer Kölner Moschee lesen zu wollen. Wallraff, dessen Buch „Ganz unten" in der Türkei ein Kultbuch ist, erzählte, dass der Dialogbeauftragte der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB), Bekir Alboga, bei ihm angefragt habe, ob er Mitglied im Beirat der geplanten Kölner Zentralmoschee werden wolle. Daraufhin habe er geantwortet, dass er gerne dazu bereit sei, aber „kein bloßer Abnicker" sein wolle, sondern vielmehr „aktiv zur Integration von Muslimen in der deutschen Gesellschaft beitragen möchte". Hierzu sei ihm spontan eingefallen, eine Lesung der „Satanischen Verse" im Gemeindehaus der Moschee zu veranstalten, führte Wallraff aus. Zunächst sei dieser Vorschlag freundlich aufgenommen worden, doch wenig später schon sei Alboga, wohl auf Anweisung des Vorstands der DITIB bzw. des türkischen „Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten" (Diyanet), zurückgerudert. Auch das Angebot, die Lesung auf einem von Wallraff gestellten Zelt auf dem Parkplatz vor der Moschee - sicherlich kein heiliger Ort! - durchzuführen, sei abgelehnt worden.
Bislang habe DITIB seinen kleinen „Toleranztest" leider nicht bestanden, sagte Wallraff, aber er werde hartnäckig am Thema dranbleiben. Dass gerade Satiriker wie Rushdie und Nesin mit dem Tode bedroht würden - der vor wenigen Jahren verstorbene türkische Satiriker Aziz Nesin entging nur knapp einem Attentat - sei, so Wallraff, symptomatisch für religiöse Wahnsysteme: „Wer sich im Besitz ewiger Wahrheiten wähnt, der kann schlichtweg keinen Spaß verstehen". Dagegen könne letztlich nur verstärkte Aufklärung helfen. Es sei doch völlig absurd, dass die allermeisten gläubigen Muslime Autoren verurteilten, die sie nie gelesen hätten. Wenn sie gesellschaftlich Ernst genommen werden wollten, müssten sie sich einer solchen Auseinandersetzung stellen.
4. Gesprächsrunde: Kopftuchfreie Schulen?
Die vierte Gesprächsrunde beschäftigte sich mit der vor kurzem vom Zentralrat der Ex-Muslime erhobenen Forderung nach einem Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schülerinnen an öffentlichen Schulen. Mina Ahadi erklärte, die Verschleierung von Mädchen stelle eine Form von Kindesmisshandlung dar. Das Kopftuch sei ein Instrument des politischen Islam und ein Symbol für die Unterdrückung der Frau. Hier müsste eingegriffen werden, damit islamische Gruppen nicht darin bestärkt würden, nach und nach weitere freiheitsfeindliche Bestimmungen, etwa Geschlechterapartheid in Krankenhäusern oder Schwimmbädern, durchzusetzen. Jedes weitere Kopftuch sei ein Sieg des politischen Islam.
Ralph Giordano stimmte Ahadis Kritik des Kopftuchs zu und gab dazu ein Bonmot zum Besten, das beim Publikum auf große Resonanz stieß: „Wenn das offene Haar der Frau bei den Männern Begehrlichkeiten weckt, wäre es besser, den Männern Handschellen anzulegen, als den Frauen das Kopftuch".
Günter Wallraff problematisierte vor allem, dass bereits 10-12jährige Mädchen vom Elternhaus gezwungen werden, Kopftuch zu tragen. Es sei eine „bigotte Auslegung des Koran, Mädchen als begehrliche Wesen darzustellen" und auch das zugrunde liegende Bild des „lüsternen, unkontrollierten Mannes" sei überaus bedenklich. Wallraff vertrat allerdings die Auffassung, dass Verbote genau das Gegenteil des Erwünschten erzwingen könnten, nämlich verstärkten Widerstand und die Produktion von Märtyrern. Einige Mädchen, so seine Beobachtung, trügen gegenwärtig freiwillig das Kopftuch und legten es auch nach einiger Zeit wieder ab. Deshalb plädierte Wallraff dafür, mit den betroffenen Mädchen in der Schule zu diskutieren. Durch Verbote könne man kaum einen Zugewinn an Freiheit erreichen.
Mina Ahadi wandte dagegen ein, es gebe doch sehr wohl Verbote, die die Mehrheit aus guten Gründen akzeptiere, etwa das Verbot, Kinder zu schlagen, oder das Verbot, alkoholisiert Auto zu fahren. Warum sollte es kein Verbot geben, Mädchen - mitten in Deutschland - zur Unterordnung unter den Mann zu erziehen und dies durch Verschleierung zu dokumentieren? Sie habe die Erfahrung gemacht, dass sich viele Mädchen nicht trauten, ihren Eltern zu widersprechen. Selbst Erwachsene, Intellektuelle, in Deutschland hätten große Angst, sich islamkritisch zu äußern, weil sie Anfeindungen aus dem Weg gehen wollten oder befürchteten, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wie könne man so etwas von einem Kind verlangen?
Michael Schmidt-Salomon wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich in Großbritannien Fälle mehren, in denen Mädchen schon im Kindergarten verschleiert erscheinen. Die dahinter stehende Logik sei klar: Je frühzeitiger die Verschleierung einsetze, desto wahrscheinlicher sei es, dass sich Mädchen und Frauen später ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit „nackt" fühlen würden. Es sei zu befürchten, dass derartige Formen einer frühkindlichen Kopftuchsozialisation künftig auch in Deutschland praktiziert würden. Gleichzeitig warnte er davor, die Islamfrage mit der Integrationsfrage unzulässig zu vermischen. Der Großteil der sog. „Muslime" in Deutschland sei (noch?) liberal eingestellt und habe eine durchaus gesunde Distanz zur Religion.
Offene Diskussion und Schlussrunde
Nach der vierten Gesprächsrunde hatte das Publikum Gelegenheit, Fragen zu stellen. Dabei kam es zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen einem gläubigen Muslim und einer säkular denkenden Deutschtürkin. Während der Mann die kritischen Korandeutungen Wallraffs und Giordanos angriff und dahingehend argumentierte, dass der Islam in Wahrheit eine „Religion des Friedens, der Freiheit und der Gerechtigkeit" sei, bezeichnete seine Kontrahentin dies mit allem Nachdruck als Lüge. Der Koran sei eine menschenverachtende Schrift, die schon die Gehirne der Kinder verneble. Welche Wirkungen dies habe, demonstrierte sie am Beispiel ihrer Tochter, die im muttersprachlichen, säkularen Türkischunterricht von Mitschülerinnen verprügelt worden sei mit der Begründung, sie habe gegen die Gesetze Allahs verstoßen, da sie ein Leberwurstbrot gegessen hatte.
In der Schlussrunde plädierten die Podiumsteilnehmer für mehr Mut in der weltanschaulichen wie politischen Auseinandersetzung mit dem Islam. Ralph Giordano, der sich angesichts seiner Erfahrungen als jüdischer Junge in der Nazizeit und über Eintausend Morddrohungen im Laufe seines Lebens als „terrorerfahrenen Mann" bezeichnete, warnte vor einer naiven Unterschätzung des politischen Islam. Günter Wallraff forderte die deutsche Politik auf, „religiös faschistische Diktaturen" wie den Iran politisch wie wirtschaftlich unter Druck zu setzen, statt mit ihnen aus ökonomischen Erwägungen heraus zu kollaborieren. „Da islamische Staaten nichts zu bieten haben, weder kulturell noch ökonomisch", könne man hoffen, dass sich auch dort über kurz oder lang aufklärerische, humanistische Werte durchsetzen werden.
Diese Hoffnung teilte auch Mina Ahadi. Sie betonte, dass die Werte, die es heute zu verteidigen gilt, keine deutschen, keine christlichen, keine westlichen, sondern universelle, humane Werte sind. Für die Verwirklichung dieser Werte hätten Menschen über viele Generationen hinweg gekämpft. Und dieser Kampf - das weiß Ahadi aus ihrer praktischen Arbeit für Menschen, die etwa im Iran von Steinigung oder Galgen bedroht sind, nur zu gut - ist noch längst nicht vorbei: „Wenn im Namen einer Religion, Regierung oder Kultur Menschenrechte verletzt werden, dann müssen wir gemeinsam dagegen kämpfen!".
So erhellend die rund zweieinhalbstündige Diskussion auch war, zum Schluss blieben viele Fragen offen. Darauf anspielend wies Michael Schmidt-Salomon auf die „Kritische Islamkonferenz" im Frühjahr/Sommer 2008 hin, die die Fragestellungen, die auf Auftaktveranstaltung in Köln nur angerissen werden konnten, vertiefend behandeln soll. Dabei wird es sicherlich auch um die Frage gehen, ob und wenn ja: wie denn das vom Zentralrat der Ex-Muslime geforderte Kopftuchverbot für Schülerinnen vor dem Hintergrund der deutschen Gesetzgebung überhaupt realisiert werden könnte. Ein Vorschlag dazu wurde in Köln bereits kontrovers diskutiert: Möglich wäre es, per Schulordnung ein generelles Kopfbedeckungsverbot im Unterricht einzuführen. Dies allerdings würde nicht nur für das islamische Kopftuch, sondern auch für die profane Baseballmütze gelten.
Fiona Lorenz
Informationen zur Auftaktveranstaltung der „Kritischen Islamkonferenz" im Internet:
www.kritische-islamkonferenz.de/