80 Prozent der Konfessionsfreien sind humanistisch

BERLIN. (hpd) Unter dem Motto „Der Humanistische Verband Deutschlands - die

wichtigste Stimme der Konfessionsfreien“ begannen heute in der deutschen Hauptstadt die Veranstaltungen zu „15 Jahre HVD“ mit einer Pressekonferenz, Presseerklärung im Anhang.

Heute Abend folgt eine außerordentliche Bundesdelegiertenversammlung dieser bundesweiten Weltanschauungsgemeinschaft und Interessenvertretung von Konfessionsfreien. Am morgigen Samstag findet eine Festveranstaltung statt, auf der die Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Prof. Dr. Rosemarie Will (Verfassungsrichterin in Brandenburg a.D.) die Festrede halten wird (hpd berichtet am Montag).

Auf der heutigen, gut besuchten Pressekonferenz, Foto im Anhang, stellte der HVD der Öffentlichkeit die Schwerpunkte seiner Tätigkeit in 2008 vor. Darüber informiert der hpd morgen im Zusammenhang mit seinem Bericht über die außerordentliche Bundesdelegiertenversammlung des HVD.

In der heutigen Pressekonferenz nahm der HVD Stellung zu den Ergebnissen der von ihm bei forsa (Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH) in Auftrag gegebenen repräsentativen Bevölkerungsbefragung „Meinungen zur humanistischen Lebensauffassung“, PDF im Anhang. Ausgangspunkt der Rede von Dr. Horst Groschopp, Kulturwissenschaftler und Bundesvorsitzender des HVD, war der Befund, dass die von Bertelsmann in dessen „Religionsmonitor“ vor Weihnachten angegebene Zahl, 70% aller Bundesbürger seien religiös, völlig haltlos ist. Es finde keine „Rückkehr der Religion“ statt. Diskutiert wurde auf der Pressekonferenz u.a., was für den HVD daraus folgt.

Zur humanistischen Lebensauffassung

Die vom Institut forsa im Dezember 2007 durchgeführte repräsentative HVD-Akzeptanz-Studie hat die Ergebnisse der Allensbach-Studie aus dem Jahr 2004 mehr als bekräftigt.

Über die Hälfte der Deutschen bekennt sich zu einer humanistischen Lebensauffassung, wie sie der HVD vertritt.
2004 hatte Allensbach 51,6% ermittelt, bei einer Zusammensetzung von 7,1% „voll und ganz“ und 44,5% „überwiegend“. Bei forsa, Power-Point-Präsentation im Anhang, sind nun 56% ermittelt worden - trotz einer schärferen Formulierung der Frage („Ich führe ein eigenständiges, selbstbestimmes Leben frei von Religion und den Glauben an einen Gott, das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht“). Dabei lag der Anteil von „voll und ganz“ bei 21%.
80% der Konfessionsfreien seien zu den Humanistinnen und Humanisten zu rechnen, 40% sogar „voll und ganz“.
Bei den Jüngeren sind humanistische Einstellungen in der Überzahl: 62% der unter 30jährigen (19% / 43%) stehen einem klaren Nein von nur 13% gegenüber. Das belegt erneut, dass die Kirchen die Jugend verloren haben.

Groschopp verwies auf erste Auswertungen durch Fowid, Blätter 1 bis 4 im Anhang. Dort habe man die vorliegenden Zahlen auf ihre Bundespräsenz überprüft. Es zeige sich ein deutliches Nordost-Südwest-Gefälle, wobei Schleswig-Holstein heraus falle.
Der Bundesvorsitzende folgerte, dass die Ablehnung humanistischer Lebenshaltungen dort am Größten sei, wo der Katholizismus noch am stärksten im Alltagsleben verankert ist. Im Osten dagegen hat die humanistische Lebensauffassung innerhalb der Konfessionsfreien eine große Mehrheit, im Westen habe sie immerhin die einfache Mehrheit errungen.
Um so wichtiger sind für den HVD als Organisation seine Kooperationsbeziehungen zu „Jugendweihe Deutschland“, die Neugründung eines Verbandes in Mecklenburg-Vorpommern, der Neuaufbau eines HVD in Sachsen-Anhalt und die bevorstehende Gründung in Rheinland-Pfalz.

Groschopp machte auf die Zuspitzung im Bundesland Sachsen aufmerksam. Hier sei zum einen die Zustimmung sehr hoch (31% „voll und ganz“, innerhalb 71% dafür), aber zum anderen auch die kategorischen Neins (23% „überhaupt nicht“) besonders kräftig.

Wichtig für den HVD sei die genauere Aufschlüsselung der Ergebnisse nach Bildungsgraden. Das ergebe, dass zwar mehr Bildung für mehr Anteil an humanistischer Lebensauffassung spreche, aber auch Personen mit Hauptschulabschluss würden in beachtenswerter Zahl die Sache genauso sehen wie bildungsnahe Schichten.
Für den HVD bedeute dies, seine Bildungsangebote besonders in Kita's und im Lebenskundeunterricht auszuweiten, weil hier eher alle erreicht werden, aber zugleich seine Akademien zu stärken, um „höhere humanistische Bildung“ vorzuhalten.

Interessenvertretung durch den HVD

Ein Viertel der Bevölkerung sei der Meinung, dass Konfessionsfreie eine eigene nicht-religiöse Interessensvertretung, wie z.B. den HVD, brauchen.
„Selbstredend", so Groschopp, „sei diese Angabe kein Vorschuss auf den HVD oder ein Signal der eigenen Organisationsbereitschaft der von forsa Befragten, aber doch ein Zeichen dafür, dass der HVD als Teil einer besseren Interessenvertretung der Konfessionsfreien überhaupt gedacht und gebraucht wird. Der HVD wisse sehr wohl, dass der Verband wahrscheinlich in Deutschland einen weitaus geringeren Bekanntheitsgrad hat, als hier Menschen sich für seine Präsenz aussprechen.“

Die Daten belegten zudem, dass viele ganz Junge und die Berliner „Ungläubigen“ wahrscheinlich eine „Vertretung“ nicht mehr für nötig halten, weil ihnen Säkularität als „normal“ erscheint. Aber immerhin je fast ein Drittel dieser Gruppe wünscht sich dennoch eine Vertretung wie den HVD.

Bei den Konfessionsfreien wünschen 22% einen HVD als Interessenvertretung. 22% sind immerhin mehr als 15 Millionen Menschen, also keine Randgruppe. Viele Konfessionsfreie seien wahrscheinlich gegen eine eigene Vertretung, weil für sie der Konflikt mit den Kirchen als erledigt gilt (deshalb auch etwas mehr Vertretungswunsch im Westen statt im Osten).

Interessenvertretung der Konfessionsfreien in der Öffentlichkeit

40% der Bevölkerung insgesamt und 47% der Konfessionsfreien würden es begrüßen, wenn nicht-religiöse Interessenvertretungen von Konfessionsfreien in der deutschen Öffentlichkeit das gleiche Gewicht hätten wie die christlichen Kirchen. Diese Daten sind von großer politischer Bedeutung.
Groschopp dazu: „Dass die Konfessionsfreien gleich behandelt werden sollen wie die Kirchlichen ist als gesellschaftliches Erfordernis nicht mehr zu bestreiten.“ Öffentlichkeit im Bewusstsein derer, die befragt wurden, meint sicher weit mehr als politische Vertretung (Anhörungen, Vertretung in Parteien ...), sondern Medien, Erlebbarkeit, Gedenkkultur usw. Die Antworten erhärten, dass die Menschen wissen, was mit Gleichbehandlung gemeint ist. Das zeigt die Richtung, in die der HVD mehr tun müsse, um seine Ideen in die Öffentlichkeit zu bringen.

Da die Zahl derer, die mehr Vertretung generell wünschen um 15% höher ist als die Zahl derjenigen, die eine Vertretung durch den HVD wünschen, lässt sich vermuten (und wäre zu untersuchen), dass viele der Befragten, die einen HVD wünschen, meinen, dass zusätzlich dazu allgemeine Vertretungen der Konfessionsfreien da sein sollten.

Ein Drittel der Kirchenmitglieder für mehr Öffentlichkeit für Konfessionsfreie

Bedeutsam sei, so der Bundesvorsitzende des HVD, dass je ein Viertel der Kirchenmitglieder für eine Vertretung der Nichtreligiösen sind, wie sie der HVD darstellt. Hinsichtlich der öffentlichen Vertretung der Konfessionsfreien sei wichtig, dass nicht einmal eine Mehrheit der jeweiligen Kirchenmitglieder mehr Öffentlichkeit für Konfessionsfreie ablehne. Im Gegenteil: 34% der evangelischen und sogar 41% der katholischen Kirchenmitglieder seien sogar für eine Gleichbehandlung der Konfessionsfreien in der Öffentlichkeit.

Groschopp dazu: „Der hohe Anteil an Zustimmung zu einer größeren Präsenz von Konfessionsfreien in der Öffentlichkeit bei Gläubigen, sollte Kirchenvertreter endlich dahin bringen, ihre Blockadehaltung gegenüber dem HVD aufzugeben zu Gunsten eines Dialogs über ethische Fragen unserer Zeit.“

 

GG