Notizen aus Benelux

Belgien:

„Islamische Charta“ für Europa.

Brüssel, 10. Januar. Mehr als 400 islamische Vereine und Organisationen in Europa

haben eine „Islamische Charta“ verabschiedet, die die Beteiligung der Muslime am gesellschaftlichen Leben fördern soll. „Wir sind davon überzeugt, dass die Charta dazu beitragen kann, die Grundsätze eines zivilisierten Dialogs für ein modernes Europa zu fördern, in dem jeder seinen Platz findet“, sagte der Schwede Chakib Benmakhlouf, Präsident der „Vereinigung Islamischer Organisationen in Europa“ (FOIE) mit Sitz in Brüssel. Benmakhlouf betonte, dass die Muslime Europas aufgerufen seien, konstruktiv, aber in harmonischer Balance zwischen ihrer islamischen Identität und ihren Pflichten als Bürger, sich in die jeweilige Gesellschaft zu integrieren.

Die Initiative hat auch kritische Stimmen geweckt. Alain Chouet, ehemaliger Leiter des Antiterrorkampfes im französischen Auslandsgeheimdienst DGSE, sagte vor dem Belgischen Senat aus, dass die FOIE ein Lobbyunternehmen der Muslimbrüder sei und extremistische Entwicklungen in der islamischen Welt lenke. (Französisch)

Protestiert oder prostituiert?

Antwerpen, 14. Januar. Filip Dewinter, Vorsitzender der regionalen nationalistischen Partei „Vlaams Belang“ (Flämische Interessen), wirft seiner Amtskollegin von der linksliberalen Partei „Spirit“ Bettina Geysen vor, sich vor den Muslimen zu prostituieren. Geysen hatte ihre Neujahrsrede in Antwerpen mit einem Kopftuch gehalten, um gegen das in verschiedenen Gemeinden geltende Kopftuchverbot zu protestieren. (Niederländisch) (Niederländisch)

Pastor lockt Besucher mit Dialekt

Brüssel, 7. Januar. Pastor Dirk Vannetelbosch hält seine Messe neuerdings im Brüsseler Dialekt und bekommt dadurch seine Kirche wieder voll. Da er nicht aus Brüssel stammt, nahm er hierfür extra Sprachunterricht beim Brüsseler „Volkstejoêter“ (Volkstheater). (Niederländisch)

Niederlande:

„Atheistischer Pastor“ rüttelt an Grundfesten der Kirche

Middelburg, 13. Januar. Pastor Klaas Hendrikse (60) ist schon lange als aufsässiger Dissident bekannt. Mit seinem neuesten Bestseller „Glauben an einen Gott, der nicht besteht“ greift er nun die traditionelle Gesamtstruktur der Kirche als „verkalkte, in sich gekehrte Institution“ an. Seine Thesen vertritt er auch fast täglich in den Medien.

Dass ein Pastor die Existenz Gottes nicht anerkennt, lässt die Kirche in den Niederlanden schon mal durchgehen; schließlich glaubt bereits jeder sechste niederländische Pastor nicht mehr an den Allmächtigen. Wenn aber behauptet wird, dass die Kirche als weltliche Repräsentanz Christi nicht der Weg zur Wahrheit sei, übersteige dies selbst Angriffe aus freigeistigen Kreisen und verstoße gegen das Treuegelübde eines Pfarrers. So sieht es die regionale Leitung der Protestantische Kirchen in den Niederlanden (PKN) und will Hendrikse absetzen. Diese Ankündigung führte jetzt zu einer kontroversen Diskussion innerhalb der niederländische Kirchen, einschließlich der Frage, ob Gott überhaupt existiere. (Niederländisch)

Anti-Koran-Film erscheint in Kürze

Den Haag, 5. Januar. Der Fraktionschef der konservativen PVV-Partei Geert Wilders will mit einem Film seine bereits aufgestellte These, dass der Koran ein faschistisches Buch sei (hpd berichtete), untermauern. Zurzeit laufen die Gespräche für einen Sendetermin mit dem Fernseh-Nachrichtenmagazin NOVA. Außerdem wird der Film auch Ende des Monats in das Internet-Videoportal „YouTube“ eingestellt. Da die Regierung mit Protesten unter den niederländischen Muslimen rechnet, führt die Polizei bereits vorbeugende Gespräche mit den Imamen im Land. (Niederländisch)

Niederländische Toleranz – eine reine Fiktion?

Niederlande, Anfang Januar. Nachdem zwei Universitäten in Twente und Eindhoven mit Unterstützung des Bildungsministeriums einem Iraner aus Angst vor Atomspionage die Immatrikulation verweigert hatten, riefen Doekle Terpstra, ein bekannter christlicher Gewerkschafter und Vorsitzender des „Rats für Hochschulbildung“ (HBO), sowie die Homoorganisation „COC“ zu mehr Toleranz auf (Resolution). Die sprichwörtliche niederländische Toleranz würde sonst zur Fiktion verkommen.

Geert Wilders, Fraktionsvorsitzender der konservativen PVV, bezeichnete die Unterzeichner des Aufrufs als „einfältige und naive Idioten“ bzw. „Dhimmis“ – d. h. Nichtmuslime, die sich aus Angst Muslimen gegenüber tolerant verhalten. Als Antwort auf Wilders Reaktion veröffentlichten islamische Organisationen und Persönlichkeiten ihrerseits eine Erklärung in der Zeitung „Trouw“, mit der sie den Aufruf von Terpstra unterstützen. (Niederländisch) (Niederländisch) (Niederländisch)

Muslimin fordert Abschaffung islamischer Schulen

Amsterdam, 12. Januar. Nahed Selim (54), Feministin, Schriftstellerin und Muslimin, ist wegen des orthodoxen Radikalismus besorgt, der im Unterricht islamischer Schulen herrsche. Den meisten der 45 islamischen Grundschulen und zwei islamischen Gymnasien in Amsterdam und Rotterdam droht bereits formell die Schließung wegen Unregelmäßigkeiten in der administrativen und finanziellen Leitung. Doch Nahed Salim reicht diese Begründung nicht aus, da in fast allen dieser Schulen fundamentalistisches Gedankengut verbreitet werde. So gehöre das Buch „Der Weg des Muslims“, in welchem das Töten Homosexueller, Ungläubiger und widerspenstiger Frauen gerechtfertigt wird, zum Standardlehrbuch dieser Schulen. Selim fordert deswegen die Schließung aller islamischen Schulen. (Niederländisch) (Niederländisch)

Reformierte Kirchen sollen sich bekehren

Dalfsen, 9. Januar. Eine Initiativgruppe innerhalb der „Freigemachten Reformierten Kirche“ (GKv) fordert die Rückkehr zum wahren Glauben. Die Initiatoren befürchten sonst eine ähnliche Entwicklung, wie es sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren bei der Synodalen Reformierten Kirche gab. Diese habe nach dem Beitritt zur Protestantischen Kirche (PKN) zunehmend die heilige Schrift in „unverschämter“ Weise kritisiert, so dass für sie „nichts mehr heilig“ sei. Dabei werde das Wort Gottes dem Zeitgeist untergeordnet und die Exegese der Bibel stehe vor dem Wort der Bibel, so zum Beispiel bei Themen wie Schöpfungslehre, Ehescheidung und Homosexualität. Die Gruppe droht gegebenenfalls mit einer Trennung von der GKv. (Niederländisch)

Finanzierungsprobleme der Kirchen

Niederlande, 11. Januar. Die beiden großen niederländischen Kirchen hatten 2006 zwar erhöhte Einnahmen, diese blieben aber hinter der Inflationsrate von 1,8 Prozent zurück. So stiegen die Einkünfte der protestantischen Kirche um 1,4 Prozent (274 Millionen € gesamt) und die der Katholiken um 0,7 Prozent (59 Millionen € gesamt). Das sind pro Kirchenmitglied Einkünfte in Höhe von 141 € bei den Protestanten bzw. 26 € bei den Katholiken. Die Kirchen mussten daher ihre Ausgaben beträchtlich reduzieren. Die protestantische Kirche dementierte Vorwürfe, sie hätte die Übersicht über ihre finanzielle Situation verloren. Gleichwohl gab sie zu, dass die kirchliche Buchhaltung sehr komplex sei und daher die Gefahr der Intransparenz bestehe. (Niederländisch) (Niederländisch) (Niederländisch)

Pfarrer wegen Drogenschmuggel festgenommen

Schiphol, 14. Januar. Auf dem Flughafen Schiphol wurden bei einer Sicherheitskontrolle Päckchen mit drei Kilogramm Kokain unter dem Gewand eines Priesters entdeckt. Er verweigerte eine Leibesvisitation und wurde verhaftet. (Niederländisch)

Junge Gläubige wenig offen beim Thema Sex

Niederlande, 2. Januar. In Vorbereitung auf die Sendung „40 Tage ohne Sex“ des Evangelischen Fernsehens EO, das 4 Mädchen und 3 Jungen während dieser Zeit mit der Kamera begleiten wird, hat eine Analyse von Ruigrok/NetPanel ergeben, dass sich 64 Prozent der gläubigen Jugendlichen damit schwertun, offen über ihre sexuellen Probleme zu reden. 35 Prozent von ihnen schauen sich aber Pornosendungen an. (Niederländisch)

Bibel und Koran vereint im Internet

Hilversum, 12. Dezember. Auf www.bijbelenkoran.nl (Bibel und Koran) kann man seit Kurzem die kompletten Texte der Bibel und des Korans sowie vergleichende Textanalysen lesen. Die Initiative zu der Website ging vom interkirchlichen Rundfunk IKON und von RNW, dem niederländischen Auslandsradio, zurück. Um einen Vergleich zu erleichtern, wurden auch 21 sowohl in der Bibel als auch im Koran vorkommende Geschichten zusammengestellt. (Niederländisch)

Spenden an Scientologen steuerlich nicht abzugsfähig

Den Haag, 8. Januar. Der Gerichtshof von Den Haag hat die Scientology-Kirche als nichtgemeinnützige Institution eingestuft, da mehr als 50 Prozent ihrer Aktivitäten nicht das allgemeine Interesse beträfen. Folglich seien auch Spenden an die Organisation steuerlich nicht abzugsfähig. Ihre Haupteinnahmequelle schöpft Scientology aus Spenden für Bildungsangebote, die sich an ihre Mitglieder richten. Bereits seit 1985 seien Spenden an Scientology nicht absetzbar, was deren Existenz jedoch nicht beeinträchtigt habe. (Niederländisch)

Ein himmelsuchender Wissenschaftler ist kein Humanist

Utrecht, 8. Januar. Die Rektorin der Universität für Humanistik Hans Alma erklärte in ihrem Neujahrsvortrag, dass ihr Kollege Ilja Maso dem Ruf der Universität schade. Professor Maso, Dozent für Wissenschaftstheorie, behauptet in seinem Buch „Unsterblichkeit. Vom Zweifel zur Sicherheit“, dass es keinen Zweifel an der Existenz eines Jenseits geben könne. Er kritisiert zudem das Areligiöse am heutigen Humanismus. Dieser wäre von Fundamentalisten, die sich Humanisten nennen, vereinnahmt worden. An der Berechtigung eines Humanismus als Organisation mit eigenen Strukturen und Lehren sei zu zweifeln.

Frau Alma räumte ein, dass die Aktivitäten der humanistischen Bewegung selektiv wahrgenommen werden. So werde Dingen wie Spiritualität und Glaube an ein Leben nach dem Tod mehr Beachtung geschenkt als viel wichtigeren Dingen in anderen Bereichen. Daher sollten Themen wie ein sinnvolles Leben in einer pluralistischen Gesellschaft, Gesundheit im Alter, menschliche Sorgen usw. mehr in den Vordergrund gerückt werden. Auf Initiative von Studenten der Universität wird im Februar eine Diskussion über den normativen und weltanschaulichen Charakter der Humanistik stattfinden. (Niederländisch) (Niederländisch)

Stimmenlose Kirchen

Niederlande, 4. Januar. Sinkt Gregorius, die Organisation für liturgische Musik in der katholischen Kirche, prognostiziert, dass es in 10 Jahren kaum noch Kirchenchöre für mehrstimmige Messen geben wird. In bis zu 60 Prozent der Kirchen nehmen die Mitglieder der Chöre ständig ab. Hauptursachen seien die Abkehr der Gläubigen von der Kirche, die niedrige Entlohnung der Dirigenten und die Vergreisung der Kirchgänger. (Niederländisch)

Ein humanistischer Islam ist möglich

Amsterdam, Dezember/Januar. Professor Fouad Laroui von der Universität Amsterdam hält die Rückkehr eines humanistischen Islams für möglich. Eine solche Bewegung – die der Mutasiliten – habe bereits 500 Jahre vor dem modernen Humanismus, wie wir ihn kennen, existiert. Der Kern ihrer Lehre sei das individuelle Erleben des Islams. Die Strömung setze bei der kulturellen Identität der Muslime an und könnte ein Gegengewicht zum wachsenden und polarisierenden kollektiven Extremismus im Islam bilden. (Niederländisch) (Niederländisch)

 

Rudy Mondelaers