„Jesus liebt Dich“

BERLIN. (hpd) Schauplatz Deutschland im Sommer 2006 – Die Welt ist zu Gast bei der

Fußballweltmeisterschaft. Unter Millionen Fans auch 10.000 Gäste, die keiner Mannschaft zujubeln, sondern Seelen retten wollen. Sie kommen aus den USA, Afrika und Europa – es sind fundamentalistische Christen, Wiedergeborene der 411 - Kirche in New York.

 

Neben „Die Menschenfischer“ (2004) und „Kommt Europa in die Hölle“ (2004) ist der Dokumentarfilm „Jesus liebt Dich“ bereits der dritte über das evangelikale Milieu. Die Berliner OVAL Filmemacher GbR war mit drei Regieteams während der gesamten WM und jeweils eine Woche davor und danach an verschiedenen Orten wie Berlin, Frankfurt a.M., Hurlach, Nürnberg und München vor Ort, um die Protagonisten bei Ihrer Mission zu beobachten.
„Jesus liebt Dich“ ist der erste abendfüllende Dokumentar-Kinofilm der Regisseurin und Produzentin Lilian Franck. Der hpd hatte die Möglichkeit, den Film, der während der diesjährigen Berlinale vom 7. bis 17. Februar Premiere hat, bereits in einer Pressevorführung zu besichtigen.

Die Protagonisten

Verkündung des christlichen Glaubens, Bekehrung zum Christentum, Annahme Jesus Christus als Erlöser – dann kommt man in den Himmel. Aber wer Jesus ablehnt, kommt in die Hölle. So einfach ist das – und keine Spinnerei. In den Augen der Missionare nicht, denn laut „Nouvel Observateur“ gibt es etwa 500 Millionen evangelikale Christen auf der Welt, die besonders in den USA maßgeblich Politik und Kultur bestimmen.
Einer davon ist Scott Rourk, evangelischer Pastor aus New York City. Er wird auch in „Die Menschenfischer“ als Proganist vorgestellt. Damit die verlorenen Schafe wieder eine Beziehung zu Jesus' Herde finden, lässt er sich was einfallen. Mit 250.000 US-Dollar, die ihm nach dem 11. September 2001 mal so in den Schoß fielen, gründete er seine eigene Kirche, die 411 in New York. Mit coolem Outfit, einer CD als Visitenkarte und Rockmusik statt Kirchenglocken gehört ihm der Erfolg, besonders in der hippen kreativen Szene. Wen wunderts, dass gerade er auserwählt ist, das Christentum zurück in die zunehmend säkulare „alte Welt“ zu bringen.
So reist er auch mit anderen Gemeindemitgliedern und seinem Neubekehrten, Cody Mui, nach Berlin.

Cody Mui wuchs im Manhattaner Chinatown auf. Als Nichtchrist, seine Eltern wanderten aus China ein, besucht er ein katholisches Gymnasium und fühlt sich von den katholischen Ritualen teils angezogen, aber auch ausgeschlossen. Er wird missioniert und verdankt seine Reise nach Deutschland einem Müsli-Riegel und dem Ostergottesdienst in der 411-Kirche, in dessen Ergebnis er sich taufen lässt. Der Missionstrip nach Berlin ist der erste in seinem Leben.

Gershom Sikaala, geboren und aufgewachsen in Sambia, wurde als Missionar ausgebildet, um in die muslimischen Länder Afrikas zu gehen. Er kam über die Organisation „Jugend mit einer Mission“ nach Deutschland.

Tilman Pforr studierte „Mission und Entwicklungshilfe“ an der „University of the Nations“ (der Universität von JMEM). Er entwickelte im Sommer 2006 eine Struktur, nach deren Raster er die Missionsteams aus aller Welt über ganz Deutschland verteilt einsetzt.

Mission als Waffe

Die verschieden Missionsteams werden von Tilman Pforr im Schloss Hurlach, der Deutschlandzentrale der evangelischen Organisation „Jugend mit einer Mission“ zu einem Event der besonderen Art empfangen. Er fühlt sich wohl in seiner Rolle als Führungskraft und fleht Jesus mit geschlossenen Augen an, Licht in das schier unüberwindliche Organisationschaos zu bringen. An fünf Tagen finden Pop-Gottesdienste statt, in denen die Emotionen überschwappen. Ekstatische Hochrufe auf Jesus, Anbetungen in jeder Form und die Frage „Willst Du Gottes Armee beitreten?“ Diejenigen, die eine Berührung mit „IHM“ verspüren, sollen nach vorn treten . Es sind fast noch Kinder, die mit tränenden Augen unbedingt Jesus dienen, nur von ihm geliebt werden wollen, nur ihn als Gott sehen.
Es wird auch zu Spenden aufgerufen. Das Ergebnis scheint Tilman Pforr nicht gänzlich zu befriedigen, denn er verkündet: „Manchen wird Jesus bitten, noch einmal zu spenden“, was jeder gern macht – und was selbstbewusst eingesammelt wird.
Auf der Internetseite von Hurlach, einem kleinen katholischen Dorf im bayerischen Landkreis Landsberg kann nachgelesen werden: „Im Anschluss an diese fünftägige 'kickoff-Konferenz' [leichte Verwechslung von football mit Fußball, wo es bekanntlich ein „Anspiel“ und keinen Kickoff gibt, GG] reisten die Teilnehmer in verschiedene deutsche Städte weiter, um sich dort während der Fußball-Weltmeisterschaft in Zusammenarbeit mit Gemeinden verschiedener Konfessionen zu engagieren.“

Fußball als Passionsspiel

Diese Christen verbindet der heilige Wunsch, während der WM einen positiven Beitrag zu leisten. Sie wollen nicht nur Gläubige gewinnen. So helfen sie z.B. bei der Betreuung von Fußballfans, übernehmen Ordner-Aufgaben oder bringen ihre Beiträge bei interkulturellen Rahmenveranstaltungen ein. „Darüber hinaus stehen sie aber auch für Gespräche über Gott und den Sinn des Lebens zur Verfügung. ... Wir sehen darin vor allem eine Chance für WM-Besucher aus Ländern mit einer restriktiven Religionspolitik, in denen das Christentum unterdrückt ist: Wenn Christen sich während der WM engagieren, haben Besucher aus solchen Ländern die Gelegenheit, etwas über Jesus zu erfahren. Und das ist für uns als christliches Missionswerk eine wichtige Sache.“ Sie nennen sich offiziell ehrenamtliche Helfer der WM, sie reden von Einsatzteams und „Aktionsphase“.

Fans als schlechte Missionsobjekte

Wer den Film bis hierher gesehen hat und mit Glauben, Jesus, Himmel und Hölle nichts am Hut hat, ist richtig froh darüber, dass die Fans lieber ihr Bier trinken wollen und ihr einziger Glaube der an Deutschlands Sieg ist. Herzerfrischend auch die Tatsache, dass sie lieber die Nationalhymne hören wollen, statt für sich beten zu lassen.
Studenten in Potsdam scheinen die ihnen aufgezwungenen Luther-Bibeln auch nicht zu reizen. Diese findet man dann weggeworfen und zerrissen in den Papierkörben der Parkanlagen wieder.
Gershom, der neben seiner Mission auch noch eine Frau fürs Leben sucht, trifft auf eine Bulgarin. Bei ihr scheitert er in jeder Beziehung – dumm gelaufen.
Cody, sehr schüchtern, scheint als einziger Zweifel an diesem Missionsgehabe zu haben. Es gelingt auch nicht, trotz vieler Gespräche, türkische Moslems in Berlin-Kreuzberg zu bekehren.

Nicht zuletzt Xavier Naidoo, der seinen Namen gern „wie das englische 'Saviour' - ‚Der Erlöser' ausgesprochen hört – gibt den Messias“: Während der WM hört man seinen Song „Dieser Weg wird kein leichter sein ...“ mehrmals täglich. In den Texten kommt seine eigenwillige Religiosität zum Ausdruck, die seinen Bekanntheitsgrad enorm fördert. „Die teilweise kruden und nicht nur religiös radikalen Statements Naidoos werden von der Presse bereitwillig rezipiert, sie erhebt ihn zum 'Himmel-Stürmer' (Stern), zum 'Jesus der Hitparaden' (Spiegel), belegt sein Erfolg doch schließlich die These von einer haltlosen, sich nach Spiritualität sehnenden Generation.“

Tilman, die Führungskraft, würde gern selbst als „Erlöser“ gefeiert werden und sieht sich am Ende des Films einem alten verwirrtem Mann gegenüber, der ihm erzählt, dass er 400 Jahre alt sei ... – doch zuviel Bier?

Wo es Missionare gibt, kommunizieren in Zeiten der Blogs auch deren Gegner „Gegen diese verdammten Missionare“.

Brauchen Sie christliche Hilfe, um zum wahren Glauben zu finden? Das Internet erlaubt – ein Schelm, wer das Hintergründige denkt; ein Heide, wer's noch nicht wusste; ein Ketzer, der es bezweifelt – Gott persönlich kennenzulernen, am Einfachsten über „Jesus-liebt-dich“, dem direkten Internetzugang zu Gott oder – wer das vertraute Du nicht mag – „Gott liebt Sie“ und will Sie kennen lernen (theologisch nicht ganz korrekt, da er ja eigentlich jeden und jede kennt). Der Button „Gott und Sie“ führt Sie zu IHM. Wer nicht lang nach dem HERRN suchen mag, der findet seine Liebesbriefe, unterzeichnet mit „In Liebe, dein Vater, der allmächtige Gott“.
Frage: Wieso eigentlich fällt so etwas nicht unter Blasphemie und wird zum Gegenstand der katholischen Glaubenskongregation oder der evangelischen Apologie-Gesellschaften?
Antwort: Das Internet verflüchtigt nicht nur das kirchlich Gebundene im Glauben, sondern vernebelt die Strukturen – und dies mit noch ungewissem Ausgang.

Fazit des Films

Ein mutiger Film der OVAL Filmemacher, beobachtet und stellt die Evangelikalen als Bedrohung für demokratische Werte dar, ohne sie dabei bloß zu stellen. Er gibt auch einen Einblick, warum sich heute scheinbar immer mehr Menschen einer solchen Gruppierung anschließen. Und er regt besonders zum Nachdenken über die Konsequenzen von religiösem Fundamentalismus an.

Die Mission ist vorerst gescheitert – Gott sei Dank! Die Missionare haben sich auch zu dumm angestellt. Doch das ist nicht die Botschaft, die sowieso jede / jeder selbst für sich erkennen mag. Sie sind am Werk und wo „Gott am Werk ist, ist alles möglich“.

GG

 

Berlinale-Premiere ist am Mittwoch, 13. Februar, 19:00 Uhr,
im cinemaxx CX3 am Potsdamer Platz

- Wiederholung 1: Donnerstag, 14. Februar, 13:00 Uhr,
UCI Colosseum in der Schönhauser Allee 123
- Wiederholung 2: Donnerstag, 14. Februar, 20.30 Uhr,
cinemaxx CX1