25 Jahre "Müllabfuhr der Wissenschaft"

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Jubiläums-Logo der GWUP

ROSSDORF. (hpd) Die Skeptiker - Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) wurde am 11. Oktober 1987 im hessischen Roßdorf bei Darmstadt gegründet. Aus dem kleinen Dutzend der Gründungsmitglieder ist eine über 1.200 Mitglieder starke Lobby für Wissenschaft und Vernunft samt Informationszentrum, Zeitschrift und vielfacher Vertretung im Internet geworden.

Und so hieß es jetzt: „Die GWUP wird 25 Jahre alt! Ein Anlass, um sich dort zu treffen, wo alles begann: In Roßdorf.“ Im Sonnensaal der Gaststätte "Sonne" in Roßdorf fand im Anschluss an eine Mitgliederversammlung die Jubiläumsveranstaltung statt.

Für den hpd ein Anlass, Amardeo Sarma, den Vorsitzenden der GWUP, ein paar Fragen anlässlich dieses Jubiläums zu stellen.

hpd: Vor 25 Jahren wurde die GWUP gegründet. Gab es dafür einen besonderen Anlass?

Amardeo Sarma: Die Zeit war aus vielen verschiedenen Gründen reif. Angetrieben durch die New-Age-Bewegung drangen spiritistische und okkulte Vorstellung bis in die Schulen ein. Die Paramedizin war im Aufwind mit der Stützung der Bundesregierung (Binnenkonsens-Gesetz von 1976). Zudem gab es als aktueller Anlass die Förderung eines Projektes zur Untersuchung von „Erdstrahlen“ in München.

Dies alles brachte 1987 Leser der US-amerikanischen Zeitschrift „Skeptical Inquirer“ und viele in Deutschland bereits als Einzelpersonen gegen Parawissenschaften engagierte Personen zusammen. Sie nahmen sich vor, gemeinsam Kritik zu üben und das Defizit an kritischen, wissenschaftlichen Informationen zu solchen Themen abzubauen.  Und sie wollten gleichzeitig kritisches, wissenschaftliches Denken fördern. Es ging insbesondere darum, auch auf die Gefahren aus diesen Bereichen aufmerksam zu machen, um Schäden zum Beispiel von Patienten abzuwenden. Sobald wir erst einmal eine kritische Masse erreicht hatten, wurde die GWUP zu einem Selbstläufer. Der Bedarf war da, und die GWUP war die Antwort.

Hat sich diese Begründung mittlerweile relativiert oder hat sich evtl. sogar verstärkt?

Das kommt auf das Thema an. Über die Erforschung der sogenannten "Erdstrahlen" und somit einer Verschwendung von öffentlichen Mitteln redet kaum noch jemand. Kritische Untersuchungen solcher Phänomene sind zwar grundsätzlich sinnvoll, doch wenn Steuergeld verwendet wird, um längst widerlegte Behauptungen noch einmal zu überprüfen, dann müssen wir als Skeptiker einschreiten. Wir konnten auch die sich in der Psychologie anbahnende Verbreitung der sogenannten "gestützten Kommunikation" weitgehend bremsen. Und okkulte Themen wie Gläserrücken und Geisterbeschwörungen finden auch mehr Widerspruch. Andererseits hat sich die Lage bezüglich der Paramedizin eher verschlechtert, wobei gerade in den letzten Jahren die Kritik wieder zunimmt.

25 Jahre sind eine lange Zeit, eine Generation, und die GWUP ist heute die wichtigste Skeptiker-Organisation in Deutschland. War das ein stetiges, gleichmäßiges Wachstum der Mitgliederzahl oder gab es Zeiten der  ‚Einbrüche’ oder andererseits besonderer ‚Aufschwünge’?

Wir hatten in keinem Jahr einen Einbruch. Das Wachstum war allerdings unterschiedlich stark. 1989 und 1998 waren Jahre mit sehr hohem Wachstum, was vermutlich auf die erste große europäische Skeptiker-Konferenz in Bad Tölz (1989) und auf die 2. Welt-Skeptiker-Konferenz in Heidelberg (1998) zurückzuführen ist. Nach einer weiteren kleinen Spitze im Jahr 2002 sind gerade die vergangenen zwei Jahre Rekordjahre der GWUP gewesen. Hier spielen vermutlich neben der 6. Welt-Skeptiker-Konferenz in Berlin (Mai 2012) unser starke Präsenz in den sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Google+ sowie unser Skeptiker-Blog eine große Rolle.

Gibt es in der Rückschau etwas, worauf sie als GWUP besonders stolz sind?

Besonders stolz bin ich darauf, dass wir inzwischen viele aktive und engagierte Mitglieder haben, die auch regional und örtlich Präsenz zeigen. Wenn es um eine kritische Auseinandersetzung mit den Parawissenschaften geht, sind wir klar die erste Adresse im deutschsprachigen Raum. Es gibt auch viele kritische Berichte in den Medien ohne Erwähnung der GWUP, die auf Informationen aufbauen, die von unserem Zentrum für Wissenschaft und kritischen Denken bereitgestellt worden sind.

Gibt es eines oder mehrere Themen, die Sie seit Beginn der Arbeit der GWUP konstant begleiten und gegen die auch eine Beharrlichkeit der Aufklärung nur wenig erreicht (hat)?

Ein Dauerthema bleibt die Paramedizin. Das starke Bedürfnis nach Gesundheit wird wohl immer Quacksalber auf den Plan rufen. Die Sonderregelung zur Zulassung von pseudowissenschaftlichen Verfahren wie die Homöopathie und die anthroposophische Medizin wurden nach unserer Gründung auch in europäischen Direktiven verankert. Damit haben wir die skandalöse Situation, dass Vertreter dubioser Verfahren ohne die Spur eines objektiven Nachweises sich auf Kosten der Patienten und der Allgemeinheit bereichern können. Der Gipfel in der Homöopathie ist, dass man Pillen aus reinem Zucker an Kranke mit dem Versprechen einer Heilung teuer verkaufen kann. Vielen Berufsorganisationen und Universitäten in Deutschland kann man hingegen ein weitgehendes Versagen bei der Einhaltung von Qualitätsmaßstäben in der Medizin vorwerfen. Aber auch hier sehen wir gerade in den vergangenen Jahren mehr Widerspruch auch von Journalisten und Bloggern, die unabhängig von der GWUP agieren. Ein Beispiel ist das neue kritische Buch zur Homöopathie von Nicole Heißmann und Christian Weymayr. Das Engagement der GWUP, hier die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zur Verfügung zu stellen, lohnt sich also.
 

Haben Sie den Eindruck, dass sich in den Medien - sei es im Internet, sei es durch Wissenschaftssendungen im Fernsehen - in den vergangenen 25 Jahren etwas zum Positiven einer Verbreiterung eines skeptischen Denkens  getan hat?

Es gibt beides: Durch das Internet wird viel Unsinn verbreitet und auch die Medien berichten oft ohne ausreichende Recherche. Wir sehen aber auch sehr gute Entwicklungen, sowohl bei den vielen Wissenschaftsblogs, als auch in der kritischeren Haltung vieler Journalisten, vor allem der Wissenschaftsjournalisten.

Wo sehen Sie zurzeit das dringendste Thema für die Arbeit der GWUP?

Das Thema Paramedizin wird in den nächsten Jahren zentral bleiben, und wir werden auch weiter durch unsere jährlichen Psi-Tests die wissenschaftliche Methodik bekannt machen und zeigen, wie auch außergewöhnliche Themen kritisch untersucht werden können. Im nächsten Jahr geht es dabei auch um den 1 Million Euro Preis, der für den Nachweis eines paranormalen Phänomens ausgeschrieben ist. Darüber hinaus gilt es, stets auf neue Themen zu achten, die Menschen irreführen können, und rechtzeitig objektive, verlässliche Informationen bereitzustellen. Dabei richten wir unser Augenmerk zunächst auf die Themen, die in wissenschaftlichen Fachkreisen ungenügend oder gar nicht behandelt werden. Wir sind gewissermaßen die Müllabfuhr der Wissenschaft. Damit verhindern wir, dass zu viele Plagen gleichzeitig um sich greifen. Wir können nicht alles verhindern, aber es ist schon ein Erfolg, wenn der Müllpegel gesenkt werden kann.

Herr Sarma, danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte Carsten Frerk.