Argumente für und gegen ein NPD-Verbot

BRÜHL. (hpd) Kritische Anmerkungen zu Strategien gegen die NPD. 

 

Aktuell wird die Frage nach dem Verbot der rechtsextremistischen

NPD wieder kontrovers diskutiert. Politische Mehrheiten für einen darauf bezogenen Antrag scheint es aber nicht zu geben. Dabei dürfte aber mehr die Angst vor einem erneuten Scheitern den Ausschlag gegeben haben. Von der Sache her bietet die Partei mit ihren Positionen genügend Anlass für einen derartigen Schritt. Immerhin forderte ihr Vorsitzender Udo Voigt kurz nach dem Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen 2004 ganz offen, „als Ziel, die BRD abzuwickeln" („Junge Freiheit", Nr. 40/2004, S. 3). Gleichwohl stellt sich bei aller juristischer Möglichkeit immer auch die Frage der politischen Notwendigkeit eines solchen Schrittes. Was im Namen der Streitbaren Demokratie erfolgen könnte, müsste nicht zwingend erfolgen. Zu dieser Problematik finden sich in dem unten stehenden Redeauszug einige Anmerkungen. Sie stammen von dem Extremismusforscher und Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber, der als Professor an der Fachhochschule des Bundes in Brühl lehrt.

 

Bei der Diskussion um die richtige Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus im Allgemeinen und der NPD im Besonderen taucht immer wieder die Forderung nach einem Verbot der Partei auf. Aus wissenschaftlicher Sicht kann dazu keine eindeutige Position formuliert werden, lassen sich doch nur Argumente für und gegen einen solchen Schritt benennen. Letztendlich handelt es sich bei der Einleitung eines Verbotsverfahrens in einem solchen Fall um eine politische Entscheidung. Sie kann sich allerdings auf die rechtliche Möglichkeit für einen solchen Schritt stützen: Der Artikel 21, Absatz 2 des Grundgesetzes ermöglicht das Verbot einer verfassungsfeindlichen Partei durch das Bundesverfassungsgericht. Gleichwohl bewegt sich ein solcher Schritt immer im Spannungsfeld von politischen Freiheiten und wehrhafter Demokratie. Weitaus bedeutsamer für die inhaltliche Diskussion um die Angemessenheit eines NPD-Verbotes ist demgegenüber die Frage: Welches Problem soll konkret durch einen solchen Schritt gelöst werden?

Argumente für ein Verbot

Hier die Argumente für ein Verbot: Es würde einem bestimmten Lager des Rechtsextremismus die Strukturen zur politischen Arbeit nehmen. Weder könnte es zu Wahlen antreten, noch die Vorteile des Partei-Status etwa bei der Anmeldung von Demonstrationen nutzen und auch nicht mehr wie bisher gezielte Agitation betreiben. Darüber hinaus wäre es nicht mehr möglich, nach Erfolgen bei Wahlen an der staatlichen Parteienfinanzierung zu partizipieren.

Ein Verbot würde gerade jene eng mit der NPD verbundene Möglichkeit des öffentlichen Agierens längerfristig einschränken: die Durchführung von größeren Aufmärschen und Versammlungen. Und außerdem dürfte dadurch auf den legalistischen Teil des Rechtsextremismus insoweit politischer Druck ausgeübt werden, dass man sich in Auffassungen und Handlungen distanziert und mäßigt. Für die gesamtgesellschaftliche Perspektive könnte so ein Zeichnen gesetzt werden, ganz im Sinne der streitbaren Demokratie mit einer Toleranzgrenze für die Intoleranten.

Argumente gegen ein Verbot

Nun zu den Argumenten gegen ein Verbot: Ein solcher Schritt träfe zwar die Parteistruktur, aber nur eingeschränkt die Parteimitglieder. Menschen mit ihren Meinungen lassen sich in einer pluralistischen Gesellschaft nicht verbieten. Wie würde das in der NPD organisierte Personenpotenzial also reagieren? Ein gewisser Teil dürfte resignieren und sich zurückziehen. Ein anderer Teil würde anderen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen beitreten und weiter wirken. Insbesondere die aktionsorientierten jüngeren Mitglieder könnten sich stärker militanten Organisationen aus dem Bereich der Neonazi- und Skinhead-Szene zuwenden.

Auf das Gros der bisherigen rechtsextremistischen Gewalttaten dürfte ein NPD-Verbot aber keine gravierenden Auswirkungen haben, lässt sich doch zwischen beidem kein unmittelbarer Zusammenhang herstellen. Und schließlich gilt es noch zu berücksichtigen, dass der Staat es sich mit einem schlichten Verbot zu einfach macht und damit nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit antidemokratischen Positionen fördert.

Normalität von Randgruppen

Die Existenz extremistischer Einstellungen und Orientierungen, Organisationen und Parteien in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft ist ein „normales" Phänomen. Es wird immer politische Tendenzen gegen die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaates geben. Letztendlich belegen sie sogar die Geltung und Realität von Grundfreiheiten und Grundrechten - welche eben auch Extremisten bis zum Überschreiten der Schwelle zur strafrechtlichen Relevanz in Anspruch nehmen dürfen und können. Demnach besteht in demokratietheoretischer Sicht in der hohen Bedeutung und nicht im schlichten Vorhandensein des Extremismus eine Gefahr. Das Phantasieren über ein „Viertes Reich" in Hinterzimmern stellt keine Bedrohung dar, die Entscheidung vieler Wähler zugunsten einer solchen Partei demgegenüber schon. Sie macht auch eine gesellschaftliche und staatliche Gegenwehr und Reaktion nötig.

Es sollte dabei mehr um die externe und weniger um die interne Dimension der politischen Bedeutung des Extremismus gehen: Wenn das politische „Angebot" der NPD in bestimmten Regionen Deutschlands eine Zustimmung von einem Fünftel der Wähler auslöst, dann bedarf es im öffentlichen Raum einer kritischen inhaltlichen Auseinandersetzung mit deren politischen Positionen. Da die NPD im Unterschied zu den erfolgreichen rechtsextremistischen Parteien im europäischen Ausland ihre Frontstellung gegen die Normen des demokratischen Verfassungsstaates ebenso offen zu erkennen gibt wie ihre Nähe zur Ideologie des historischen Nationalsozialismus, dürfte ein solches Vorgehen ungleich leichter sein. Mitunter mag auch schon die genaue Hinterfragung einzelner Behauptungen oder Programmpunkte genügen: Wie sollen bestimmte Forderungen umgesetzt werden? Welche gesellschaftlichen Folgen hätte ein solches Vorgehen? Angesichts des Mangels an realistischen Alternativen und intellektuellen Potentialen bei der NPD dürfte eine solche Auseinandersetzung relativ einfach zu gewinnen sein. Um so erschreckender ist die mitunter auszumachende Hilflosigkeit etablierter Politik.

Engagement der Zivilgesellschaft

Und wenn die NPD mit Angehörigen der Neonazi- und Skinhead-Szene in bestimmten Regionen eine alltagskulturelle Dominanz erreicht hat, dann bedarf es eines Engagements der viel beschworenen „Zivilgesellschaft", die ihr die Eroberung des öffentlichen Raumes und die Hegemonie über bestimmte Regionen streitig macht. Es muss hier noch einmal daran erinnert werden, dass die NPD lediglich über 7.000 bis 8.000 Mitglieder, die Neonazi-Szene nur über 4.000 bis 5.000 Aktivisten und die Skinhead-Szene allenfalls um die 10.000 Personen verfügt. Demnach lässt sich nicht von einer bundesweit präsenten Massenbewegung sprechen. Allenfalls kann das rechtsextremistische Lager für wenige Regionen eine zeitweilige soziale Dominanz geltend machen. Anstatt auf eine umfassende Verbotspolitik gegenüber diesem politischen Spektrum auch bei öffentlichen Aufmärschen zu setzen, sollte durch ein Mehrfaches an friedlichen Gegendemonstranten ein klarer Eindruck des tatsächlichen Kräfteverhältnisses von Demokraten und Rechtsextremisten deutlich werden.