„Pionier des Umdenkens“

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Walter Jens in der Akademie der Künste (2005) / Foto: Etan J. Tal (CC BY 3.0)

BERLIN. (hpd/dgpd) Als „kritischen Vordenker und Pionier eines Umdenkens im Umgang mit dem Sterben“ würdigt Elke Baezner, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V. den am Sonntag verstorbenen Walter Jens.

In dem Buch „Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für Selbstverantwortung“ aus dem Jahr 1995 hatten Jens und Co-Autor Hans Küng dafür gestritten, das Sterben in die Verantwortung des einzelnen Menschen zu geben. Jens selbst hatte wiederholt betont, für sich ein selbstbestimmtes Lebensende in Anspruch nehmen zu wollen. Diese Wahlmöglichkeit ist ihm aber nicht geblieben. Nach Ausbruch seiner schweren Demenzerkrankung war Jens zum Pflegefall geworden, die Autonomie zum selbstbestimmten Sterben war damit nicht mehr gegeben.

Walter Jens, der als Rhetorikprofessor in Tübingen lebte und u. a. mit seiner Frau Inge zahlreiche Bücher schrieb, wurde von seiner Familie und professionellen Pflegekräften rundum versorgt. In der Debatte um selbstbestimmtes Sterben und das Leben mit Demenz ist in den vergangenen Jahren das tragische Schicksal des Philologen immer wieder exemplarisch herangezogen worden. Konnte Jens schwersterkrankt seine Würde noch wahren? Oder war Jens privilegiert, weil er sich eine gute Pflege auch finanziell leisten konnte? Seine Frau Inge hatte gelegentlich in den Medien aus dem Alltag ihres Mannes berichtet, was in Diskussionen um die Volkskrankheit Demenz bei einer älter werdenden Bevölkerung oftmals als Beispiel angeführt wurde.

„Es wird bei der hitzigen Diskussion heutzutage gern mal außer Acht gelassen, dass beim Suizid die Tatherrschaft bei der Sterbehilfe immer, aber auch wirklich immer beim Patienten liegt. Ist der Patient nicht mehr entscheidungsfähig, tragen Angehörigen und/oder Pflegekräfte die Verantwortung für eine bestmögliche Versorgung und damit das Weiterleben des Patienten. Dabei müssen aber Bestimmungen aus der jeweiligen Patientenverfügung, zum Beispiel das Nichtbehandeln von Begleiterkrankungen, beachtet werden“, betont Baezner.

Eine Mitleidstötung, bei der die Tatherrschaft nicht mehr beim Sterbewilligen liegt, also eine direkte aktive Sterbehilfe, ist nach deutschem Recht absolut ausgeschlossen. Sollte ein solcher Wunsch in der Patientenverfügung angegeben sein, ist dieser ungültig, da er dem geltenden Strafrecht widerspricht. 

Wega Wetzel