(hpd) Der Evolutionsbiologe Axel Meyer hat seine ersten einhundert wöchentlichen Kolumnen im „Handelsblatt" in Buchform zum Nachlesen veröffentlicht.
Leider führt die Wissenschaft im öffentlichen Bewusstsein ein Schattendasein. Zu selten wagen sich diese hellen Köpfe auf ein Terrain, das so wenig mit der gewohnten Universitäts- und/oder Forschungsumgebung zu tun hat, wie z.B. eine wöchentliche Kolumne in einer Finanzzeitung. Glücklicherweise hat Axel Meyer diesen Schritt schon 2004 gewagt. Im April ist nun die Kompilation „Evolution ist überall" erschienen, eine Zusammenfassung von zwei Jahren „Quantensprünge" im Handelsblatt. Meyer, Lehrstuhlinhaber für Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz, wissenschaftlicher Wanderer zwischen der neuen und alten Welt, zwischen dem Kreationismus des „Bible-Belt" und dem Darwinismus, zwischen wissenschaftlicher Publikation und Finanzjournalismus, hatte es sich dabei zur Aufgabe gemacht, dem - vorwiegend aus Ökonomen bestehenden - Klientel der bekannten Finanzzeitung die Themen Naturwissenschaft und Wissenschaftsbetrieb nahe zu bringen.
„Alles mutiert und evolviert"
In seinen Beiträgen fehlt es Meyer nie an Sachkunde oder Differenziertheit, wenn er z.B. über den Wert der Weihnachtsgeschenke im Verhältnis zur genetischen Übereinstimmung referiert, nie an Enthusiasmus oder Ironie, wenn er die Farbwahrnehmung der Bienen in Bezug zum Gehör vor Teenagern setzt und auch nie an Empathie und Empfindsamkeit, wenn der Leser an die Ausrottung des chinesischen Flussdelphins Baiji erinnert wird und letztlich auch nicht an Takt- und Fingerspitzengefühl, wenn er auf die Zerstörung des Planeten durch die Spezies Homo Sapiens hinweist oder historisch vorbelastete Themen anschneidet. Meyer schafft es in gekonnt knapper Form dem Leser Denkanstöße sowohl in biologischer als auch in ökonomischer Richtung, speziell was den Wissenschaftsbetrieb an amerikanischen und europäischen Universitäten betrifft, zu geben. Oder er tischt einfach nur ein paar wissenswerte Kleinigkeiten sprachlich elegant auf, die man im nächsten „Smalltalk" wieder- und weiterverwenden und -verwerten kann.
Wie alle Zusammenstellungen aus derlei Kolumnen, so unterliegt ein derartiges Buch auch zwei bzw. drei systembedingten Besonderheiten. Erstens bietet es für Abonnenten des jeweiligen Mediums wenig Anreiz, da die Texte eventuell noch von der Erstveröffentlichung bekannt sind. Zweitens zwingen die kurzen Artikel mit ihrem teils erheblich wechselnden Inhalten den Leser, große Gedankensprünge zu vollführen, was nicht Jedermanns Sache ist. Und letztendlich befasst sich eine Zeitungskolumne auch immer mit aktuellen Themen, die bei Drucklegung der Buchzusammenfassung eben nicht mehr aktuell sind und deshalb etwas von ihrer aktuellen Spritzig- und Bissigkeit eingebüßt haben.
Doch wer sich dieser Einschränkungen bewusst ist, wer vielleicht gerade eine Lektüre sucht, die man nach 5 Minuten problemlos unterbrechen kann, gerade weil die Thematik häufig wechselt und wer einfach im Themenbereich Biologie, Universität & Co. gut unterhalten werden möchte, dem sei die kurzweilige Zusammenstellung der Meyer'schen Gedanken zur Woche wärmstens empfohlen.
Oliver Muhr
Axel Meyer: „Evolution ist überall". Böhlau; Auflage: 1 (April 2008), 157 Seiten, 19,90 €. ISBN-13: 978-3205777717