Notizen aus Frankreich

Neue Erklärung der Bischöfe zum Islam.

Paris - 22.05.2008 Die Kommission für die Lehre der Bischöfe von Frankreich veröffentlichte

eine Botschaft mit dem Titel:"Wie sprechen Christen und Muslime über Gott". Nachdem sie daran erinnern, dass Christentum und Islam monotheistischen Religionen sind, betonen sie die dogmatischen Unterschiede, die auch radikale Gegensätze sein können: die Dreifaltigkeit, die im Namen der Einheit Gottes durch den Islam nicht verstanden und abgelehnt wird; die Inkarnation, die für den Islam ein Angriff auf die Transzendenz Gottes ist; das Kreuz, denn Jesus ist für den Islam einen Propheten: er kann Prüfungen erleiden, aber durch Gott gesandt, kann er nicht scheitern. Es wird auch hervorgehoben, dass die Vorstellungen der Offenbarung unterschiedlich sind, da der Koran diktiertes Wort Gottes an Mohammed ist, während für die Christen Gott die biblischen Autoren inspiriert hat, die sich der Worte ihrer Zeit bedienten. Die Botschaft weist darauf hin, dass die Behauptung, dass der Koran ewig und nicht-geschaffen ist, heute auch Gegenstand der Debatte unter den Muslimen ist. Auch wenn der dogmatische Dialog schwierig bleibt, ist er, in anderen Bereichen jedoch möglich, die das Sein des Menschen und das Leben der Gläubigen tangieren. (Französisch)

Scharfe Auseinandersetzungen zwischen den 5 Millionen organisatorisch zersplitterten Muslimen

Paris, 05.06.08 und 09.06.08 - Frankreich hat rund 5 Millionen Muslime, davon sind 5% praktizierende Gläubige und verfügen über eine sie vertretende Einrichtung, den „Französischen Rat der Muslime" (CFCM). In eine Studie über "Die Muslime in Frankreich" von Bernard Godard und Sylvie Taussig, wird die Zahl der Algerier nach Nationalität oder Herkunft auf mehr als 1,5 Millionen geschätzt. Es ist die wichtigste und älteste Gemeinschaft, wodurch ein Teil seiner Mitglieder eine "historische Legitimität" fordern, um insbesondere den CFCM zu leiten. Es gäbe 1 Million Marokkaner, 400.000 Tunesier, 340.000 Afrikaner von südlich der Sahara (vor allem aus Senegal und Mali), 313.000 Türken, 70.000 Muslime aus Asien, zu denen die Autoren der Studie die Konvertiten (schätzungsweise 40.000) und die Muslime ohne Papiere zählen. Nach Angaben des Innenministeriums gibt es derzeit 1.890 Moscheen und Räume des Gebets in Frankreich.

Bei den Wahlen zur Erneuerung der Leitung des „Französischen Rates der Muslime" (CFCM), der die französischen Muslime institutionell vertritt, häuften sich jedoch die Spannungen. Zeitweilig in Frage gestellt, wurden sie dann am 9. Juni abgehalten. So gab Dalil Boubakeur, Rektor der Großen Moschee von Paris (GMP, mit Algerien liiert), bekannt, dass seine Gemeinde nicht an den Abstimmungen teilnehmen werde, weil er die Kriterien für die Festlegung der Zahl der Delegierten bestreitet. Der Druck kam in diesem Fall vor allem aus Algerien, das, im Namen der alten französisch-algerischen Beziehungen, den Vorsitz des CFCM einfordert. Auch die Union der islamischen Organisationen in Frankreich (UOIF), eine mit der Muslimbruderschaft nah verwandte Organisation, wollte aus dem Wahlprozess ausscheiden. Fouad Alaoui, ihr Vize-Präsident, erklärte: "Wir wollen einen freien und unabhängigen CFCM (...), der die Muslime in Frankreich zu Meistern ihres eigenen Spiels macht." Zwischendurch hatte auch die „Nationale Föderation der Moslems in Frankreich" (FNMF, mit Marokko liiert) beschlossen, nicht an den Wahlen teilnehmen. Auch wenn sie nach der Gründung der konkurrierenden „Versammlung der Muslime in Frankreich" (RMF) nicht mehr viel bedeutet, erhöhte diese Entscheidung doch die Unruhe. Umso mehr, als in der gleichen Zeit einige unabhängige Moscheen auch ihren Auszug verkündeten. Nur die Türken (im Rahmen des CCMTF) und vor allem die Versammlung der Muslime in Frankreich (RMF) mobilisierten weiter für die Wahlen. Die RMF gewann dann auch am 09.06 die Wahlen mit 43,2% der Stimmen, vor der UOIF (30,2%) und 12,7% für die türkischen Muslime. Mit Mohammed Moussaoui, mehrsprachiger Mathematik-Professor aus Avignon, wird so ein Befürworter eines konsensuellen Islams Vorsitzender des CFCM.

Angesichts der mageren Bilanz des CFCM und von Verbänden, die mehr denn je von Algerien, Marokko oder der Türkei abhängig sind, wollten die öffentlichen Institutionen nicht mehr in den Vorgang eingreifen. Unabhängig vom Ergebnis der Wahlen müssen sie lernen, zusammen zu arbeiten. Im gegenteiligen Fall, so schätzen Beobachter, wird das Misstrauen der jungen Generationen gegenüber dem CFCM, als einer Instanz im Dienst des Auslandes und als eine Versammlung von Honoratioren weiter zunehmen. (Französisch1) (Französisch2) (Französisch3) (Französisch4)

Ségolène Royal (PS) für eine säkulare Charta im öffentlichen Dienst

Rennes, 10.06.08 Die sozialistische Ex-Kandidatin zu den Präsidentschaftswahlen Ségolène Royal hat sich bei einer Diskussion zum Thema "Ist der Laizismus à la française in Gefahr?" für die Schaffung einer säkularen Charta im öffentlichen Dienst eingesetzt: „Eine säkulare Charta im öffentlichen Dienst wäre sehr hilfreich, um die Bediensteten nicht ohne überall gleichmäßig geltende Regeln allein zu lassen". Sie hat insbesondere auf "unzulässige" Situationen in den Krankenhäusern hingewiesen, wo manche Männer unter Berufung auf religiöse Motive nicht wollen, dass ihre Frauen von Männern gepflegt werden (hpd berichtete), oder in städtischen Schwimmbädern, wo die Zeitpläne gemischtes Baden verhindern.

Zu den letzten Aussagen Sarkozys über die Religionen (hpd berichtete) äußerte sie: „Der Regierungschef hat auf seine Weise die Geschichte der Laizität neu geschrieben. Das sind keine Unterschiede in der Sprache, sondern Ausdruck einer revisionistischen Konzeption der Laizität, das ist nicht akzeptabel." (Französisch)

Die „Académie française" will keine regionalen Sprachen in der Verfassung

Paris, 17.06.2008 - Die Académie française ist besorgt über die Anerkennung der regionalen Sprachen in der Verfassung, die nach ihrer Ansicht "einen Angriff auf die nationalen Identität" darstellt. Das Parlament hat am 22. Mai in erster Lesung einem Gesetzestext zugestimmt, in welchem es den Wünsch äußert, den berühmten Artikel 1 der Verfassung „Frankreich ist eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik", zu ergänzen durch: "Die regionalen Sprachen gehören zu ihrem Kulturerbe." Die Akademie erinnert daran, dass "seit mehr als fünf Jahrhunderten, die französische Sprache Frankreich geprägt hat. Mit Berechtigung wird dies durch Artikel 2 unserer Verfassung anerkannt: ‚Die Sprache der Republik ist französisch.'" Der Verfassungszusatz würde den gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Ämtern gefährden und die Akademie verlangt deshalb die Zurücknahme des Gesetzentwurfes. (Französisch)

Richtungsstreit beim französischen Judentum

Paris 18.06.2008 - Ende Juni bestimmen 300 Wähler den Großrabbiner von Frankreich und den Präsident des israelitischen Konsistorium Frankreichs, die beiden "Köpfe" des französisch-orthodoxen Judentums. Der Präsident des Konsistoriums - Laie und ehrenamtlich - spielt vor allem eine Rolle für die Verwaltung und Repräsentation, der Großrabbiner - Angestellter des Konsistoriums - hat als Aufgabe, "Stimme" des orthodoxen Judentums zu sein. Er ist verantwortlich für die Überwachung der Ausbildung und Laufbahnentwicklung der Rabbiner. Er kann durch seine Stellungnahmen und die Veröffentlichung von Texten, auch Einfluss auf die internen Debatten in der Gemeinschaft ausüben (auf die Frage der religiösen Scheidung, zum Beispiel) oder auf die großen Fragen der Zivilgesellschaft, wie die nächste Revision des Bioethik-Gesetzes.

Mit großem Aufwand und wahltechnischen Tricks führen die Kandidaten eine Kampagne, in der sie Lösungen für die aktuellen Probleme der Orthodoxie vorschlagen. Die letzten Jahre sind von einer Schwächung des Konsistoriums geprägt. Vor allem finanzielle Schwierigkeiten prägen das Leben der Gemeinschaften, weil die großen regionalen Konsistorien z. B. unter der Konkurrenz der kommerziellen Vermarktung von koscheren Produkten leiden. So entgehen ihnen die Einkommen aus der Besteuerung der rituellen Schlachtung von Tieren und sie sind nicht mehr in der Lage, die Synagogen und das zentrale Konsistorium ausreichend zu unterstützen. Wichtiger jedoch ist die Entwicklung anderer religiöser Strömungen im französischen Judentum, die das Konsistorium nicht mehr anerkennen: Ultra-orthodoxe, Loubavitche (Erbe des Chassidismus), liberale oder massortische (eine Richtung zwischen Orthodoxen und Liberalen) Gruppen. Das konsistoriale System vertritt heute nur noch die "orthodoxen" Juden, die nicht mehr die Mehrheit bilden.

Im Jahr 1808 von Napoleon für die Organisation der israelitischen Kultstätten gegründet, behält das Konsistorium trotzdem noch einen entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Bewegungen und Strömungen: seine fünf Beth Din (rabbinischen Gerichte) sind die einzigen, die Urkunden für Hochzeit, Konvertierung, etc. ausstellen dürfen. Eine große Anzahl der Juden, auch wenn sie nicht orthodox sind, bleit in den regionalen Konsistorien, weil sie wissen, dass im Fall einer gemischten Ehe, die Konversion in einer liberalen Synagoge durch eine orthodoxe Synagoge oder Schule nicht als gültig anerkannt wird: ihre Kinder wären somit keine Juden. Doch begrüßen die massortischen und liberalen Gemeinschaften eine wachsende Zahl von durch das konsistoriale System abgelehnten Gläubigen. Die Beziehungen zwischen dem zentralen Konsistorium und dem „Repräsentativen Rat der jüdischen Einrichtungen in Frankreich" (Crif, Organ der politischen Vertretung des französischen Judentums) sind so an einem toten Punkt angelangt. (Französisch)

Skandal bei den Freimaurern

Languedoc-Rousillon, 19. 06.08 - Die mit 47.000 Mitgliedern größte Freimaurerloge Frankreichs, der „Grand Orient de France" (GO) erlebt historische Tage. Zum ersten Mal ist eine Frau initiiert worden und darf an den rituellen Sitzungen der Loge „Combats" teilnehmen. Auch aus vier weiteren Logen kommt die Absicht, eine Frau aufzunehmen. Die anderen Freimaurer meinen, das sei ein fast verbrecherischer Verstoß gegen die Regel der Loge, deren Zugehörigkeit nur für Männer vorgesehen ist. Jean-Jacques Mitterrand, der Präsident der rebellischen Loge muss dann auch vor dem Obersten Gericht der GO erscheinen, und der Loge Combat droht der Ausschluss.

Im Vergleich zu anderen Gruppen der Freimaurer, wie die „Grande Loge de France" (GLF), die „Grande Loge nationale von Frankreich" oder die „traditionelle und symbolische Grande Loge Opera", und vor allem die konservativen Logen der anglosächsischen Zugehörigkeit, ist die GO eher liberal. Zwar dürfen Frauen mitarbeiten, aber doch sind sie den Männern nicht gleichberechtigt. Seit 50 Jahren wird über dieses Problem diskutiert und 2007 wurde ein Antrag auf Gleichberechtigung noch von 57 % der Delegierten verworfen. Für die Loge Combat reicht es deshalb jetzt. Der Großmeister der GO, Jean Michel Quilarde, räumt ein, dass "unter Berücksichtigung des Drucks der Gesellschaft", sich die Diskussion über den Platz der Frauen in der Freimaurerei verschärft. „Ich glaube, es ist eine Evolution. Aber man kann nicht einverstanden sein mit einer Umstellung mittels Gewalt." Nach der Meinung der Befürworter der Gleichstellung gibt es in den Statuten der GO aber keine Bestimmungen, welche die Initiierung der Frauen verbietet. Für den Großmeister vertritt aber nur eine sehr kleine Minderheit innerhalb der GO diese Meinung. (Französisch)

Sport nur für Frauen

Vigneux-sur-Seine, 19.06.08 - Der Bürgermeister van Vigneux-sur-Seine hat sich geweigert, den Sportplatz eines Gymnasiums für ein Basketball Turnier zur Verfügung zu stellen, bei dem nur Frauen anwesend sein dürften. Der Vorsitzende des organisierenden muslimischen Vereins sprach von einem Kommunikationsfehler.
In der Gemeinde Verpillière (Isère) wurde ähnlich das kommunale Schwimmbad zu bestimmten Uhrzeiten nur für Frauen reserviert. Ein Abgeordnete der UMP sprach daraufhin von einem Angriff auf die Laizität, während der Bürgermeister es als einen zeitweiligen Test betrachtet: „Es ist ein Versuch, aber das Schwimmbad bleibt laizistisch. (...) Für mich geht es um ein Integrationsprojekt." Fadela Amara, Staatssekretär für städtische Angelegenheiten, betrachtet solche Sonderzeitpläne für „extrem gefährlich", weil man so die Ungleichheit von Mann und Frau festschreibt. (Französisch1) (Französisch2)

Bosch Frankreich wegen rassistischer und sexueller Diskriminierung verurteilt

Lyon, 21.06.08 - Noch nie hatte ein französisches Gericht bisher eine solche Zahl von rassistischen und sexistischen Diskriminierungen in einem Unternehmen festgestellt. Die Geschworenen des Gerichtes in Lyon verurteilten Bosch Frankreich, wegen Behinderung der Karriere von sieben seiner Mitarbeiter. Für sechs von ihnen wegen "ihrer ethnischen Herkunft" (afrikanische und Zugehörigkeit zu den „Überseeischen Departements") und wegen ihres Geschlechts für die siebte. Die Schadenersatzansprüche belaufen sich auf 10.000 Euro für zwei Mitarbeiter, und jeweils 5.500 Euro für die anderen. Die Richter verurteilten das Unternehmen darüber hinaus dazu, drei der Beschwerdeführer auf eine höhere Funktionsstelle zu setzen. (Französisch)

Das Thema der Homophobie ist für die Schulbildung unverzichtbar

Paris, 23.06.08 - 600.000 Personen demonstrierten in den Straßen von Paris beim „Marsch des Stolzes" (die ehemalige Gay Pride). Mit Ausnahme der extremen Rechten waren dabei alle politischen Parteien vertreten. In diesem Jahr hatten die Organisatoren als Motto "Für eine Schule ohne Diskriminierung" gewählt.

Alain Piriou, Sprecher des gemeinsamen Verbandes der Lesben, Homosexuellen, sowie Bi- und Transsexuellen (Inter-LGBT) erklärte die Gründe für diese Wahl: „Wir wissen, dass auch 500.000 Menschen die Auffassung Nicolas Sarkozys nicht ändern werden, der klar und deutlich gesagt hat, dass er gegen die Ehe von und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ist. Anstatt damit unsere Zeit zu verlieren, sollten wir das nutzen, um voranzukommen."
Dieses Jahr hat man sich das spezifische Thema der Schule gewählt. Zum Thema Homophobie ist die Bildung ein unumgänglicher Akteur. Das Thema bleibt schwierig, Piriou meint aber: „Es ist besser dort zu kämpfen, wo es eine Hoffnung auf kurzfristigen Erfolg gibt. Es ist sehr schwierig, über Sexualität in der Schule zu sprechen. Und es ist vielleicht noch schwieriger, über Homosexualität zu sprechen. Man sagt uns: ‚Die Homosexualität in der Schule, das ist eine private Angelegenheit.' Niemand sagt, dass die Heterosexualität eine private Angelegenheit ist, sie wird überall praktiziert. Verbände die über Homophobie in den Klassen sprechen wollen, werden ‚Angriffe auf die Laizität', oder ‚Proselytismus' vorgeworfen. Wir glauben, dass das Problem der Homophobie für alle offensichtlich ist."

Es wurde festgestellt, dass die Autoren homophober Aggressionen oft sehr junge Menschen sind: etwa 20 Jahre alt oder sogar Minderjährige. Dies bedeutet, dass Anstrengungen und Prävention in den Schulen notwendig sind. Aber in der Ausbildung wird dieses Anliegen nicht ernst genommen. Dort wird es jedem Lehrer selbst überlassen, die Wege dazu selbst zu finden. Das Gesetz von 2001 verpflichtet zwar zur sexuellen Aufklärung während der Schulzeit, mit dem Ziel der Akzeptanz der Vielfalt, des Kampfes gegen die Frauen-Männer Klischees, aber es wird nicht angewendet. Ein großer Schritt nach vorn ist der Runderlass dieses Schuljahres, in dem die Schule über die gewalttätigen und diskriminierenden Verhaltensweisen, insbesondere die der Homophobie aufklären soll. Das war vor einem Jahr noch gar nicht denkbar. (Französisch)

Sarkozy kündigt 230 Millionen Euro für palliative Pflegeleistungen an

Nicolas Sarkozy hat einen Plan zur Entwicklung der Hospizarbeit in Höhe von 230 Mio. Euro angekündigt, der die Verdopplung der Zahl der Patienten von 100.000 auf 200.000 in vier Jahren ermöglicht. Der Plan sieht ferner die Schaffung von 75 neuen mobilen Teams vor, zusätzlich zu den bereits 337 Bestehenden. Das zweite Ziel des Planes ist die Entwicklung einer Kultur der Palliativmedizin, mit Anstrengungen zur Weiterbildung und Information des Pflegepersonals sowie die Begleitung und Betreuung der Familien, sowie im Bereich der Forschung.

„Unzulänglich", meinen die Direktoren von Einrichtungen und Dienstleistungen für ältere Menschen (AD-PA), die der Auffassung sind, dass diese Maßnahmen "immer noch sehr bescheiden sind und ohne ernste Finanzierungsgrundlagen geplant sind. Pascal Champvert, Präsident der AD-PA, meint außerdem, dass die Erhöhung der Zahl der Fachleute, „entscheidend ist, um die 30 Jahre französischer Verspätung bei der Pflege aufzuholen." Kritisiert wird außerdem, dass Sarkozy über das Problem der Sterbehilfe schweigt. Der Elysée-Palast erklärte, dass die Mittel, zusätzlich zu den rund 550 Millionen Euro die bereits jedes Jahr für die Hospizarbeit ausgegeben werden, aus den so genannten Franchise-Abschlägen (Pauschale Verminderung der Kostenbeteiligung der Krankenkassen, d. R.) finanziert werden. (Französisch)

Brigitte Bardot wegen Anstiftung zum Hass verurteilt

Paris, 03.06.08 - „Ich bin es satt, an der Nase herumgeführt zu werden von allem diesem Volk, das uns zerstört, unser Land zerstört und uns seine Taten aufzwingt." Das sind die Worte von Brigitte Bardot in einem Schreiben, dass sie an Nikolaus Sarkozy richtete, damals noch Innenminister, um zu fordern, dass die von den Muslimen während der Aïd el-Kebir getöteten Tiere betäubt werden, bevor sie ausbluten. Mehrere antirassistische Verbände (Mrap, LDH und Licra) hatten daraufhin die Schauspielerin wegen "Anstiftung zu Diskriminierung oder Rassenhass" gegen die muslimische Bevölkerung angeklagt. Sie ist jetzt zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro wegen Anstiftung zum Hass gegen die muslimische Gemeinde verurteilt worden. (Französisch)

Kurioser Streit um die Bedeutung der Jungfräulichkeit in Frankreich

Ende April hat ein Gericht in Lille auf Basis von „wesentlichen Mangel in der Qualität des Ehepartners" eine Ehe annulliert, weil die Ehefrau ihre Jungfräulichkeit vorgetäuscht hatte. Während seine Verlobte ihm erklärt hatte, dass sie keusch gewesen sei, was von wesentlicher Bedeutung für den muslimischen Ehemann war, entdeckte er am Abend ihrer Hochzeit, am 8. Juli 2006, dass sie das nicht war. Dies Gerichtsurteil entfachte einen Sturm der Entrüstung in den laizistischen Kreisen Frankreichs. Die bekannte Philosophin Elisabeth Badinter sprach von einer Schande für die französische Justiz und ist der Auffassung, dass dies „viele junge muslimischen Mädchen dazu bringt, sich in den Krankenhäuser das Hymen wieder herrichten zu lassen." (Französisch)

Die Vorsitzende der feministischen Organisation „Ni Putes Ni Soumises" (Weder Huren noch Unterjochte), Sihem Habschi, erklärte sich über die Entscheidung schockiert, da die fehlende Jungfräulichkeit so als ein wesentlichen Mangel für die Ehe definiert werde. „Wir werden heute durch unsere eigene Justiz verraten, die eine wahre Fatwa gegen die Freiheit der Frauen verhängt. (..) Wir bewegen uns mit großen Schritten auf eine kommunitaristische Sakralisierung der Gesellschaft, (...) eine Institutionalisierung des kulturellen Relativismus und eine ungehörte Verdammung der Frauen durch die Justiz zu." Frau Habschi fragt sich, ob der nächste Schritt vielleicht nicht die obligatorische Überprüfung der Jungfräulichkeit als Bedingung für die Genehmigung der Ehe sein wird. In diesem Falle schlägt sie sarkastisch folgende Verhaltensregel für Frauen vor: Keinen Freund haben, du weiß weshalb! / Kein Sport betreiben, du riskierst ja ... / Nicht ohne Hymen geboren werden (vor allem das nicht!) / Falls das nicht geht: Hymen wiederherstellen lassen / Jungfraulichkeitszertifikat ausstellen lassen / Sonst: Garantierte Annullierung der Ehe durch das Gericht. (Französisch)

Im Gegensatz zu diesen protestierenden Stimmen, nimmt Gérald Cusin, für die Organisation der Freidenker La libre Pensée, eine völlig andere Position ein. Sie wird in gekürzter Form hier wiedergegeben. (Französisch)
Annullierte Ehe: Blut auf dem Balkon?
Der Spruch ist der öffentliche Abrechnung freigegeben, hat die Empörung der Medien genährt, dem Wehklagen des antimuslimischen Laizismus als Verfechtern der Achse des Guten eine Stimme gegeben. Ist es nicht so wie die Vereinigung "Ni putes ni soumises" sagt, dass dieses Urteil den Mädchen, die nicht mehr Jungfrau sind, das Heiraten verbietet? (...) Hat die republikanische Justiz nicht die Scharia mit dem Code Napoléon gepaart? Teufel noch mal, kehren wir zum Mittelalter zurück? Wird man mit dieser Rechtsprechung in den Plattenbauten vielleicht die blutdurchdränkten Bettlaken wieder an die Parabolantennen hängen?

Und jeder gibt seine Erklärung ab: Die Republik muss Republik bleiben, und die Laizität, was tun Sie damit? (...). Der Islam zwingt uns sein Gesetz über die Jungfräulichkeit auf, obwohl diese Sorge nicht in unseren Traditionen passt und sie nie die christliche Welt tatsächlich berührt hat.
Überzeugen wir uns von den Tatsachen, bevor wir uns um die Sache kümmern.
Gut. Ein Rechtsanwalt, von dem man den Besuch seiner Internetseite nicht genug empfehlen kann, begann sich um den zu erwarteten Urteil zu kümmern. Es scheint, dass niemand vorher daran gedacht hatte.

"Weil am Ende von Absatz 2 des Artikels 180 des Zivilgesetzbuches bestimmt wird, dass wenn Mängel in der Person oder in wesentlichen Eigenschaften der Person bestehen, der andere Ehepartner die Nichtigkeit der Hochzeit (...) beantragen kann. Weil im vorliegenden Fall [der Beklagten, die Frau] den Antrag auf Nichtigkeit, auf Grund der fehlende Jungfräulichkeit, zustimmen kann, folgt daraus, dass diese Qualität durch sie als eine wesentliche Qualität, die entscheidend für der Zustimmung des [Klägers, der Ehemann] zur geplanten Hochzeit war, betrachtet wurde; dass unter diesen Umständen den Antrag auf Nichtigkeit der Ehe, wegen Fehler in den wesentlichen Qualitäten des Ehepartners Recht gegeben werden muss"

Gut, der Ehemann wollte unbedingt ein junges, jungfrauliches Mädchen heiraten, man weiß nicht warum. Das geht uns nichts an. ( ...) Warf diese Jungfräulichkeit ihm Probleme auf oder nicht? Man weiß es nicht: man kann es auf der philosophischen Ebene diskutieren, man kann es als große Dummheit betrachten (und man hätte dabei vielleicht kein Unrecht), aber in jedem Fall nicht auf der Ebene der Laizität oder auf der Ebene des Rechts.

Die Laizität, wie das Recht - und ich weiß, dass ich starken Protest provoziere, aber sei's drum - befasst sich nicht mit Moral. Man könnte mir sagen, dass es sich hier um eine rückständige religiöse Konzeption handelt, welche die Menschenrechte (und die der Frau in diesem Fall) widerspricht, dann würde ich antworten, dass es so ist mit allen Religionen, und wir deswegen, Freidenker (u. a.) sind. Wenn die Pfarrer den künftigen Ehegatten nicht um ein Zertifikat der Jungfräulichkeit bitten, während der (die) Papst (Päpste) immer daran erinnern, "dass die körperliche Akte nicht nur allein in der Ehe vollzogen wird", dann ist das ohne Zweifel aus Angst, ihre Kirchen vollständig leer zu sehen. (...) Darüber hinaus hat jeder das Recht zu heiraten wen er will und nicht zu heiraten wenn er nicht will. (...)

Unser Jurist kommentiert das Urteil folgenderweise: "Die Ausübung von Zwang auf die Ehepartner oder einer von ihnen (...), ist ein Grund der Nichtigkeit der Ehe. Wenn es Fehler bei der Person, oder in wesentlichen Eigenschaften der Person bestehen, kann der anderen Ehepartner die Nichtigkeit der Ehe beantragen. Dieser Artikel schützt die Einwilligung der Ehepartner, die frei und aufrichtig sein muss. (...) " Er fügt hinzu: "Neben der Gewalt gegen Ehepartner, sieht Absatz 2 vor, dass die Zustimmung zum Heiraten einer Person sich nicht nur auf seine Identität, sondern auf die, die sie wirklich ist bezieht. Jedes Paar, zumal ein Paar, das sich mit dem Status der Ehe verbindet, beruht auf dem Vertrauen im Partner. Wenn dieses Vertrauen enttäuscht wurde noch vor der Hochzeit, ist das Gesetz der Auffassung, dass die Zustimmung zur Hochzeit dadurch geschädigt werden kann." (...) Alleinige Anforderung der Rechtsprechung ist: der Fehler muss objektiv und entscheidend sein, d. h. auf eine Tatsache beruhen, und so, dass ohne diesen Fehler, die Ehepartner sich nicht verheiraten. Man hat also eine Sammlung von Entscheidungen, die Ad-hoc-Beispiele ergeben.
So wurden als solche wesentliche Qualitäten betrachtet: die Existenz einer außerehelichen Beziehung, welche der Ehemann nicht die Absicht hat zu unterbrechen; die Qualität als Geschiedene (die ein Hindernis für die Abhaltung einer religiösen christlichen Ehe darstellt); als ehemaliger Verurteilter; die Qualität als Hure; die Staatsangehörigkeit; die Unfähigkeit normale sexuelle Beziehung zu haben (das Urteil legt , zur größten Traurigkeit der Jurastudenten, nicht fest, was eine normale sexuelle Beziehung ist); Sterilität; Psychische Krankheit oder die Unterstellung unter Vormundschaft."

Noch einmal, es geht nicht um Moral, sondern um das Gesetz: Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Qualität freiwillig vor dem Partner verdeckt wurde. (...)
Die Tatsachen
Schließlich ist im Allgemeinen eine sehr wichtige Tatsache unter den Tisch der Presse gefallen. Die Frau selbst hat den Antrag an das Gericht gestellt, ihre Anerkennung der Richtigkeit des Antrages auf Nichtigkeit festzuhalten, sie war mit dem Verfahren einverstanden. Auf dieser Grundlage kam das Gericht zu der Auffassung, dass sie wusste, dass ihre Jungfräulichkeit eines der wesentlichen Elemente der Wahl seiner Verlobten war, und sie ihn wissentlich zu diesem Thema betrogen hat. Der Richter - so wie wir auch - sah dies jedoch nicht wie eine moralische Frage, sondern eine Frage des Rechts: der Fehler ist also objektiv und entscheidend, er stützt sich auf eine Tatsache: die Frau wusste, dass es eine sine qua non Voraussetzung für ihren Verlobten war. Ohne diesen Fehler hätte der Ehemann sie nicht geheiratet.

 

Redaktion und Übersetzung: R. Mondelaers