Heilpraktiker(un)wesen unter Druck der Politik

Die Politik sieht Handlungsbedarf bei der Berufsgruppe der rund 46.000 HeilpraktikerInnen in Deutschland. Der bevorstehende Prozess gegen Klaus R. wegen des Todes von drei Krebspatienten hat die Frage aufgeworfen: Ist er Ausdruck eines Systemfehlers? GesundheitspolitikerInnen der Parteien im Bundestag fordern nun Reformen bis hin zum Auslaufen des Heilpraktiker(un)wesens.

Mit dem Einzelfall rückt eine ganze Berufsgruppe in Verruf. Dem Heilpraktiker Klaus R. wird von der Staatsanwaltschaft die intravenöse, zudem zu hoch dosierte Verabreichung von "in ihrer Qualität erheblich geminderten Arzneimitteln" vorgeworfen, was ursächlich zum Tod von drei seiner PatientInnen führte. Er unterhielt ein "Biologisches Krebszentrum". Sein Prozess beginnt ist am 29. März vor der zweiten großen Strafkammer des Landgericht Krefeld.

Der Systemfehler beim Heilpraktikerberuf

Wie mehrfach berichtet, gibt es keine vorgeschriebene staatliche Ausbildung zum Heilpraktiker. Es reicht der Hauptschulabschluss und das Bestehen eines Multiple-Choice-Tests sowie einer mündlichen Prüfung beim Gesundheitsamt der Stadt beziehungsweise beim Amtsarzt. Über dieses Problem wird seit längerem diskutiert und gestritten. Mitte 2017 machte der "Münsteraner Kreis" Schlagzeilen. Darin sprachen sich 17 WissenschaftlerInnen für die Abschaffung des Berufsbildes in der bisherigen Form aus. Als Grund gaben sie das "Missverhältnis von Qualifizierung und Befugnissen der Heilpraktiker" an.

Nun haben auch Gesundheitspolitiker im Bundestag das Heilpraktiker-Wesen infrage gestellt. "Persönlich befürworte ich ein Auslaufen der staatlichen Erteilung der Heilpraktiker-Erlaubnis", sagte die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr der Welt. Die Heilpraktiker-Lobby beobachtet die Entwicklung mit zunehmender Sorge. Einer umfassenden Reform, so Ursula Hilpert-Mühlig, Präsidentin des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker, bedürfe es nicht. Schon jetzt sei das Niveau der Zulassungsprüfung hoch – das zeigten die "hohen Durchfallquoten".

Fraktionen uneinig wie weit Reform gehen soll

Das weitestgehende Verständnis zeigt Karin Maag (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, die betont, dass die meisten Heilpraktiker ihren Beruf "sehr verantwortungsbewusst" ausführten. "Daher muss die Existenzgrundlage dieser freien und selbstständigen Heilpraktiker gesichert bleiben." Allerdings strebe die Fraktion etwa "einheitliche Kriterien der Berufsausübung" an.

Laut der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Gesundheitsexpertin der Grünen, dürften zwar Heilpraktiker "nicht generell als Scharlatane" darstellt werden. "Im Sinne des Patientenschutzes ist es jedoch vernünftig, das Heilpraktikergesetz zu reformieren. Vorgaben etwa zu Dokumentationspflichten und Weiterbildung sollten zur besseren Qualitätssicherung bundesweit verbindlich gemacht werden." Auch solle überlegt werden, "bestimmte Verfahren wie etwa invasive Eingriffe einzuschränken". Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ließ bereits einen Gesetzentwurf erarbeiten, mit dem die Herstellung von bestimmten Medikamenten und die Entnahme sowie Verabreichung von Gewebe eingeschränkt werden soll.

Bereits im vorigen Jahr hatten die Gesundheitsminister der Länder eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um das Heilpraktikerwesen neu zu organisieren und damit den Schutz der Bevölkerung sicher zu stellen. Die Leitung hat die Hamburger Gesundheitsbehörde, die verlauten ließ: "Es ist nicht nachzuvollziehen, dass Heilpraktiker ohne geregelte Ausbildung schwerwiegende Erkrankungen behandeln oder Arzneimittel herstellen dürfen, während andere Gesundheitsberufe mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geregelt sind."

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gesetzgeber zwar dringenden Reformbedarf sieht, aber die Fraktionen sich bezüglich einer Neuregelung uneins sind.

Vorstoß der AfD bereits 2018

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass 2018 Axel Gehrke, gesundheitspolitische Sprecher der AfD im Bundestag mit einem Vorschlag für Aufregung bei Deutschlands Heilpraktikern gesorgt hatte: Der von der Partei angestrebte Gesetzentwurf sah vor, ihren Beruf zum Facharzt hoch zu stufen – womit die herkömmlichen Heilpraktiker vom Markt verschwinden würden ("Qualifizierungslösung").

Die AfD wies darauf hin, dass der Heilpraktikerberuf eine 1939 gesetzlich umgesetzte Erfindung der Nationalsozialisten gewesen sei. Vor allem aber führte sie als Begründung die damals neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union an. Diese sähe vor, dass Patientendaten nur von Gesundheitsberufen verarbeitet werden dürfen, die ihre Berufsausbildung mit einem Staatsexamen abgeschlossen haben. Da Heilpraktiker lediglich eine nichtstaatliche Prüfung vor dem Amtsarzt ablegen, sei ihre Berechtigung zur Datenverarbeitung nicht gegeben.