(hpd) Wie können die unterschiedlichsten menschlichen Verhaltensweisen erklärt werden? Sind sie mehr Ausdruck der Kultur oder der Natur?
Über diese Frage streitet man bereits seit längerer Zeit mit unterschiedlicher Intensität.
Eine Antwort darauf will die Soziobiologie liefern, welche das Sozialverhalten der Menschen auf evolutionsbiologischer und genetischer Grundlage untersucht. Dabei unterstellt man keineswegs, dass die kulturelle Dimension überhaupt keinen Einfluss hat. Vielmehr deuten sie die Soziobiologen ebenfalls als Manifestation der menschlichen Natur. Dies sieht auch Eckart Voland, Professor für Philosophie der Biowissenschaften in Gießen, so. Sein Buch „Die Natur des Menschen" gibt sich im Untertitel als „Grundkurs Soziobiologie". Es enthält 18 Lektionen, die zuvor schon im Rahmen einer Serie im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen und jetzt leicht erweitert und mit Belegen versehen in diesem Werk zusammengefasst vorliegen. Darin will Voland das Handeln des Menschen in das große evolutionäre Weltgeschehen einordnen.
Hierbei greift er eine Reihe von Beispielen aus dem menschlichen Sozialverhalten des Alltagslebens auf: Dazu gehört die Bevorzugung von eigenen Verwandten ebenso wie der Altruismus in sozialen Beziehungen, das „Wir-Gefühl" im gesellschaftlichen Kollektiv ebenso wie das Streben nach persönlicher Anerkennung, die Auswahl eines geeigneten Ehepartners ebenso wie die Zustimmung zu religiösen Auffassungen. Voland tritt damit für eine spezifische Deutung des Sozialverhaltens ein: „Die soziobiologische Perspektive sieht den Menschen und sein Schalten und Walten konsequent eingebunden in das irdische Naturgeschehen. Von Anbeginn und lückenlos der formenden Kraft des darwinschen Prinzips ausgesetzt, kann er nur als naturgesetzlich determiniertes und den biologischen Imperativ exekutierendes Wesen gedacht werden" (S. 116). Auch wenn den Menschen es bei ihren Handlungen gar nicht bewusst sei, gehorchten sie wie alle anderen Lebewesen auch der Logik der Evolution im Sinne einer Verhaltenssteuerung.
Voland, der mit seinem „Grundriss der Soziobiologie" 2000 bereits eine ausgezeichnete wissenschaftliche Gesamtdarstellung zum Thema vorgelegt hatte, macht in den Texten aus journalistischem Kontext anschaulich und verständlich die wichtigsten Positionen der damit verbundenen Forschungen deutlich. Klar zeigt er hierbei auf, wie stark menschliches Verhalten der Gegenwart immer noch durch den Evolutionsprozess geprägt ist. Insbesondere die Ausführungen zum Altruismus, welcher keineswegs ein Gegensatz zum Egoismus sein müsse, und zur Religion, welche aus einem evolutionär entstandenen menschlichen Bedürfnis aufgekommen sei, verdienen Interesse. Wie viele Soziobiologen neigt Voland aber dazu, den Einfluss der Natur auf die Handlungen der Menschen deterministisch zu verabsolutieren. Nur an einer Stelle wird näher auf den Einfluss sozioökologischer Rahmenbedingungen für Verhaltensunterschiede eingegangen (vgl. S. 61). Dazu hätte man sich mehr gewünscht, sollte doch die Soziobiologie gerade nicht für einen bedenklichen Biologismus stehen.
Armin Pfahl-Traughber
Eckhart Voland, Die Natur des Menschen. Grundkurs Soziobiologie, München 2007 (C. H. Beck-Verlag), 175 S., 17,90 €