Herbert Steffen - Im Dienst der Sache

Steht in Ihrer Wohnung ein Schlafzimmer Marke Steffen-Möbel? Dann haben auch Sie

mit dem Kauf dazu beigetragen, dass es nicht nur seit vielen Jahren ein von den Zwängen des Lebensunterhaltes befreites Arbeiten des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner gibt, sondern Ihr Geld steckt auch in der Giordano-Bruno-Stiftung, dem Datenportal www.fowid.de und dem in Kürze an den Start gehenden Humanistischen Pressedienst. Wenn in letzter Zeit neue Projekte im Interesse konfessionsloser Menschen der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, taucht immer wieder ein Name auf: Sponsor Herbert Steffen. Wer ist der Mann, der so großzügig gibt?

Aus einem streng katholischen Elternhaus stammend, besucht der kleine Herbert neun Jahre lang das Bischöfliche Internat in Gerolstein/Eifel. So geprägt, begann er sein Hochschulstudium in Köln in einer katholischen deutschen Studentenverbindung. Nach Abschluss seines Studiums als Diplom-Kaufman wechselt der junge Mann vom Beten zum Business. Er übernimmt die kleine elterliche Möbelfabrik in Mastershausen/Hunsrück. Fürs Nachdenken über Gott und die Welt bleibt wenig Zeit. Und trotzdem - irgendwo tief drinnen bohren Fragen. Da fällt ihm zufällig das Buch von Rudolf Augstein „Jesus Menschensohn" in die Hände. „Das hat mir sehr zu denken gegeben", sagt er heute. Da ist er schon Anfang Dreißig, hat Familie und Kinder, die er in seine Zweifel nicht hineinziehen will. Wann immer es die Arbeit zulässt, beschäftigt er sich mit naturwissenschaftlicher Literatur, vor allem die Evolutionstheorie hat es ihm angetan. Die Zweifel am Glaubensgebäude verdichteten sich. Die Entscheidung, diese Kirche auch tatsächlich zu verlassen, fiel aber erst Jahre später, nach langen inneren Kämpfen, und auch erst nach dem Tode seines Vaters. „Vorher wäre das nicht gegangen." Als der Jungunternehmer Herbert Steffen die Firma von seinem Vater übernimmt, gibt ihm dieser einen wichtigen Ratschlag mit auf den Weg: „Stelle niemals einen Evangelischen ein!" Von Atheisten sagt er nichts, ein solches Wort existiert im Sprachschatz des katholischen Dorfes gar nicht.
Die Belegschaft ist zufrieden mit ihrem Chef, die Arbeitsbedingungen sind ordentlich und die Verdienste überdurchschnittlich hoch. Es gibt nichts zu klagen, bis zu der denkwürdigen Silvesterpredigt 1978. Pfarrer Spanier redet über Judas, den Verräter, der den Herrn für 30 Silberlinge verkauft hatte. Er bleibt nicht bei Andeutungen, sondern erklärt der verschreckten Gemeinde sogleich, dass der größte Arbeitgeber der Region aus der Kirche ausgetreten ist. Ein Atheist - inzwischen hatte man gehört, dass es so was gibt - ist jetzt verantwortlich für das Wohl und Wehe (fast) aller Dorfbewohner! Für die Mitarbeiter der Firma Steffen-Möbel beginnt das neue Jahr unheilvoll. Drei mutige Mitarbeiterinnen aber fassen sich ein Herz und bitten um einen Termin beim Chef. Sie wollen wissen, warum er ihnen das angetan und womit sie nun zu rechnen hätten, denn: „Ein Mensch, der nicht mehr in der Kirche ist, hat auch keine Moral und keinen Anstand." Nachdem aber die vorher eingeführte Gewinnbeteiligung für Mitarbeiter (50 Prozent des Gewinns floss an die Mitarbeiter) nicht gekündigt wird (damit war gerechnet worden) und auch die bewährte harmonische Zusammenarbeit sich in keiner Weise ändert, setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Atheisten auch Menschen sind. Zu dieser Zeit hat Herbert Steffen mit der Kirche eigentlich abgeschlossen, sie aus seinem Leben ausgeblendet. Dann macht das Ehepaar Steffen Urlaub auf Tahiti. Sein Schwager, Ministerialdirigent im Mainzer Justizministerium, gibt ihm auf Empfehlung seines Oberstaatsanwaltes „etwas zu lesen" mit auf die Reise. Sehr zum Verdruss seiner Frau; denn von nun an hat er keine Augen mehr für die schöne Landschaft der Südsee, keine Zeit für die Annehmlichkeiten des Lebens. Schuld ist seine Urlaubslektüre, sein „erster Deschner": „Abermals krähte der Hahn." Telefonisch wird der Schwager beauftragt, sofort alles von diesem Autor zu kaufen und umgehend auf die Insel zu schicken. Damit ist der Urlaub ausgefüllt und seine Einstellung zur Kirche noch einmal gründlich gewandelt. Dass das theoretische Gebäude, auf dem sein Glauben beruhte, nur auf Sand gebaut war, das wusste er ja schon; nun aber liest er zum ersten Mal von den Verbrechen der Kirche: Nie hatte er davon auch nur in Ansätzen gehört. Er ist zutiefst erschüttert und empört. Er muss diesen Schriftsteller kennen lernen. Er versucht über den Rowohlt-Verlag die Adresse von Deschner zu erhalten. Das gelingt nur, weil eine Kollegin ihre Schweigepflicht nicht so ernst nimmt. Hassfurt also. Steffen macht sich auf den Weg, fragt sich durch. Deschner ist im Ort bekannt. Irgendwann steht er vor der Tür des kleinen Hauses. Der Religionskritiker aber ist nicht erfreut, nun, da könne ja jeder kommen. Zeit hätte er auch nicht, die Tür bleibt nur einen Spalt geöffnet. Steffen, nach eigenem Bekunden in solchen Situationen „zäh wie ein Terrier", lässt sich nicht abweisen. Die Tür öffnet sich dann doch, man kommt ins Gespräch. Der Unternehmer erfährt von Deschners Sorgen, sein Sponsor ist gestorben. Spontan kündigt er an, die Sponsorenrolle zu übernehmen. Von nun an kann Karlheinz Deschner darauf verzichten, zeitaufwendige Lesereisen zu machen, die zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes notwendig waren. Die Zusammenarbeit wird bekanntermaßen fruchtbar. Karlheinz Deschner sitzt derzeit am neunten Band seiner „Kriminalgeschichte des Christentums". Steffen ist nicht mehr nur Sponsor, sondern Deschners guter Freund.
Mit 61 Jahren entschließt sich Herbert Steffen, die Firma zu verkaufen und sich anderen Aufgaben zuzuwenden. Die vier Töchter haben ohnehin kein Interesse an Vaters Markenmöbeln. Verantwortung für 2000 Menschen will er nicht mehr länger tragen. Verantwortung für selbstgewählte Projekte schon. Und so heißt Freizeit eben nicht nur Ferienhaus in Spanien oder Reisen im Wohnmobil, sondern Förderung von Initiativen und Beratung von jungen Unternehmen - auch und vor allem im Osten.
Auf Steffens privatem Anwesen finden schon seit Jahren gesellschafts- und kirchenkritische, aber auch wissenschaftliche Veranstaltungen statt. Im November 2003 hält Carsten Frerk dort einen Vortrag über die Finanzen der Kirchen in Deutschland. Durch ihn lernt Herbert Steffen den Philosophen und Autor Michael Schmidt-Salomon aus Trier kennen. Bald schon ist klar, wohin die Reise gehen soll. Eine Stiftung soll gegründet werden, eine Stiftung, die auf wissenschaftlicher Basis, auf der Grundlage der menschlichen Evolution und Kultur ein humanistisches Menschenbild überzeugend in die Gesellschaft tragen soll: die Giordano-Bruno-Stiftung. Auch die „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (fowid) gibt es nur dank seiner Unterstützung: „Überall gilt es Arbeitskräfte zu bezahlen, Technik anzuschaffen, Prospekte und Bücher drucken zu lassen." Das alles kostet viel Geld und viel Zeit. Aber er weiß, warum er es trotzdem tut. Er verweist auf das „zehnte Angebot" im „Manifest des evolutionären Humanismus" von Michael Schmidt-Salomon: „Stelle dein Leben in den Dienst einer größeren Sache, werde Teil der Tradition derer, die die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort machen..." Genau so würde er es auch formulieren.
Herbert Steffen ist 71 Jahre alt. Die Zeit wird ihm knapp, er würde gern noch weitere 20 Jahre aktiv leben. Das Privatleben mit seiner neuen Partnerin kommt viel zu kurz. Nur leider kann er nicht ohne Arbeit sein, und das, was er jetzt tut, befriedigt ihn mehr als sein „richtiges" Arbeitsleben. Was er jetzt macht, bleibt, hilft dem Menschen mehr als ein paar Möbel, die vergänglich und austauschbar sind.
Ich bin gespannt auf das nächste Projekt. In zwanzig Jahren kann man viel erreichen.

Patricia Block

aus : diesseits 75 (2006)