Was ist heute Humanismus?

BERLIN. (hpd) (HAD) Am 15./16. November 2008 wird es wieder eine Konferenz über Humanismus geben – die neunte. Die erste hieß „Humanistischer Aufbruch 2000. Situation und Perspektiven freigeistiger Verbände in Deutschland“ und fand am 11./12. November 2000 statt. Es war die erste gemeinsame Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung (fes) und der Humanistischen Akademie Berlin – jetzt ist die Humanistische Akademie Deutschland (HAD) der Partner.


Seit dem findet jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit eine solche Tagung statt, die stets um die hundert Vertreter der freigeistig-humanistischen Verbände und einfach am Stoff Interessierte zu Bildungszwecken und Streitgesprächen zusammenführt. Alle Tagungen (bis auf die erste) sind in humanismus aktuell dokumentiert. Aus dem ersten Treffen ging am 17. Februar 2001 die „Sichtungskommission“ hervor, eine Einrichtung, in der sich Verbandsfunktionäre zweimal jährlich treffen, um miteinander zu reden und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu sichten. Die Tagung in diesem Jahr ist am 15./16. November 2008 und das Thema lautet: „Was ist heute Humanismus?“

Ein Blick zurück

In all den Jahren ist der Partner auf Seiten der fes, Dr. Johannes Kandel, ein vertrauensvoller Kollege geworden. Auch deshalb lohnt ein Blick in das ambitionierte erste Programm im Jahr 2000, weil dies den sachlichen Diskurs erzwang und schon deshalb von historischem Interesse ist. Ich erinnere mich noch gut, wie die ganze Tagung über alle ca. fünfzig Teilnehmenden dicht an dicht saßen, wegen Platzenge sitzen mussten (seit 2001 tagen wir im Konferenzzentrum der fes). Noch Tage und Wochen zuvor (Stichwort: Kosovo-Krieg) hatten sich einige von ihnen gegenseitig angegriffen und teilweise beleidigt. Über Jahre weg war man sich seit dem (erneuten, nach so vielen in der Geschichte der Freidenkerei) Schisma von 1990/93 aus dem Weg gegangen. Es war diese Tagung der Anfang vom Ende großer Sprachlosigkeit in der säkularen Szene – bis heute begleitet von Unkenrufen von Verbandsrechthabern, Skeptikern und Besorgnisrittern in den je eigenen Reihen.

Das Programm 2000 hatte fünf Teile: sechs Eingangsreferate, ein abendliches öffentliches Forum über „Humanistische Bioethik? – Zwischenreden“, ein Vortrag und dann Arbeitskreise mit anschließender Schlussdebatte.

Prof. Dr. Peter Schulz-Hageleit, der damalige Akademiepräsident, spannte eingangs den großen geschichtlichen Bogen. Sein Referat war auf unterhaltsame Art politisch und relativierte den bisherigen Streit der Anwesenden: „Moderner Humanismus als organisierte Weltanschauung? Erfolge, Widersprüche und Utopien der heutigen Freigeister“. Danach sprachen Dr. Dr. Joachim Kahl über das 1999 in New York erschienene „Humanistische Manifest III“.
Ich selbst versuchte zu provozieren mit dem Titel „’Ökumene’ der Freigeister? Thesen“. Den damaligen Text packe ich für historisch Interessierte in den Anhang.
Danach sprachen Dr. Volker Mueller über „Menschenrechte und Geistesfreiheit – gegenwärtige Schwerpunkte in der DFW-Arbeit zur Vertretung konfessionsfreier Interessen“, Renate Bauer über „Freie Religion und Humanismus – Positionen in der freireligiösen Bewegung“, Klaus Hartmann über „Freidenker in Deutschland – wofür und wogegen sie heute auftreten“ und Rolf Stöckel (MdB) zu „Der Humanistische Verband – Weltanschauungsgemeinschaft und Wohlfahrtsorganisation“.
An nächsten Vormittag referierte Prof. Dr. Thomas Meyer, dessen Fürsprache diese „Aufbruchtagungen“, wie der Ordner in meinem PC noch immer überschrieben ist, wesentlich zu verdanken sind, über „Politische Instrumentalisierung kultureller Unterschiede in der Gegenwart. Erscheinungen, Folgen, Gegenstrategien“.
Die (stattfindenden – mehr waren ursprünglich geplant) Arbeitskreise waren überschrieben (und wurden geleitet von): „Unsere relativen Gewißheiten – das Selbstverständnis der ’Gottlosen’“ (Schulz-Hageleit), „Humanistisches Manifest III“ (Kahl), „Ethische Positionen zwischen Humanismus und Freier Religion (Bauer), „Moderner Humanismus – Positionen und Tätigkeitsfelder“ (Stöckel), „Bioethik und Humanismus“ (Prof. Dr. Uwe Körner) und „Verabredungen zu mehr Gemeinsamkeit?“ (Groschopp).

Bisherige Tagungsthemen

Charakter und Verlauf der Tagungen haben sich seit dem ersten Treffen gründlich geändert. Aus dem „Klassentreffen“ sind anspruchsvolle intellektuelle Diskurse geworden, in die immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einbezogen werden konnten, die dem Verbandstreiben sehr fern stehen, aber den Konfessionsfreien Wichtiges zu sagen haben. Auch die „Hörerschaft“ ist viel breiter geworden.

Das lag wesentlich an den Themen:

  • 2001: Säkularisierung in Deutschland. Soziologische Befunde und die Perspektiven freigeistiger Verbände
  • 2002 (mit der Humanistischen Union). 200 Jahre Säkularisation. Staat, Kirche, Recht und Weltanschauungsverbände heute und der Reichsdeputationshauptschluß 1803
  • 2003 (mit der Humanistischen Union): Humanes Leben bis zuletzt. Patientenwille und gesetzliche Regelung der Sterbehilfe in Deutschland
  • 2004: Säkularisierung der Menschenbilder? Ludwig Feuerbach 200. Geburtstag
  • 2005 (mit der Giordano-Bruno-Stiftung): Umworbene „dritte Konfession“. Befunde über die Konfessionsfreien in Deutschland
  • 2006: Säkulare Geschichtspolitik in Deutschland und freidenkerisches Erbe
  • 2007: Säkularisation und Freiheitsgarantien des Staates. Humanismus und „Böckenförde-Diktum“.

Die Novemberkonferenz 2008

In den letzten Jahren hat sich eine weitgehend feste Struktur ausgebildet, wie diese Tagungen verlaufen: Zwei Tage, zwei verschiedene Orte, zwei Veranstaltungsarten, vorher und nachher – von der Konferenz klar geschiedene – politische Treffen einiger Teilnehmer plus Versuche zur Geselligkeit.

Der diesjährige 1. Tag behandelt „Humanismus in Deutschland – zwischen Antikerezeption und Weltanschauungskampf“ und hat zwei Zugänge, einen philosophischen durch Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (Philosoph, Staatsminister a.D., München) und einen historischen durch Prof. Dr. Hubert Cancik (Religions- und Altertumswissenschaftler, Tübingen, Berlin).
Charakteristisch für den aktuellen Humanismus in Deutschland sind dessen programmatische sozialpolitische Variationen, die sich auch organisatorisch ausdrücken. Sie sollen in einer Podiumsdebatte ausgebreitet werden. Sie hat die Überschrift „Humanismusofferten in Deutschland“. Es sind folgende:

  • Moderner Humanismus: Prof. Dr. Frieder Otto Wolf (Philosoph, Berlin, Präsident HAD)
  • Bürgerrechtlicher Humanismus: Johann Albrecht Haupt (Hannover; Verwaltungsjurist, Beisitzer Vorstand Humanistische Union)
  • Evolutionärer Humanismus: Dr. Michael Schmidt-Salomon (Philosoph, Besslich; Vorstandssprecher Giordano Bruno Stiftung)
  • Weltlicher Humanismus: Dr. Dr. Joachim Kahl (Philosoph; Marburg)
  • Demokratischer Humanismus: Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber (Politikwissenschaftler und Soziologe; Brühl).

Später am Nachmittag folgen dann vier spezialisierte Arbeitskreise:

  • Die Erfindung des „Humanismus“ bei Herder und Niethammer: Dr. Martin Vöhler (Literaturwissenschaftler, Berlin)
  • Lebenskunde – humanistischer Bekenntnisunterricht!? Jaap Schilt (Philosoph, Berlin)
  • Der Evolutionäre Humanismus als Integrationswissenschaft: Dr. Gerhard Engel (Philosoph, Braunschweig)
  • Humanismus als kulturelle Weltanschauung: Dr. Horst Groschopp (Kulturwissenschaftler, Berlin).

Der 2. Tag ist wie in den letzten Jahren eine Veranstaltung der Humanistischen Akademie Berlin (HAB). Sie will diesmal sehr aktuell und verbandspolitisch sein und direkt an das Jahr 2000 anknüpfen und fragen, was sich seitdem getan hat. Auf einer Podiumsdiskussion geht es um das Thema, das die Humanistische Akademie in 2008 zu ihrem Kern hatte: „’Neuer Atheismus’ und politischer Humanismus – Bedeutung für Konfessionsfreie.“

Die Tagung wird im ersten Heft der bei alibri dann erscheinenden Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Deutschland dokumentiert, die humanismus aktuell ablöst – wenn man so will auch ein Ergebnis der „Aufbruch-Tagungen“ seit 2000.

Das Gesamtprogramm und das Anmeldeformular für 2008 befinden sich als PDF im Anhang.

Horst Groschopp