Mit den Afrikastudien stimmt etwas nicht

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Leo Igwe (links) mit Prof. Ebenezer Obadare und einigen afrikanischen Teilnehmern an der ECAS-Konferenz in Köln.

Die 9. Europäische Konferenz für Afrikastudien (ECAS) fand im vergangenen Monat in Köln statt. Der nigerianische Religionswissenschaftler und Menschenrechtsaktivist Leo Igwe hat daran teilgenommen und kritisiert die Art, wie Afrikastudien aktuell betrieben werden.

Mit den Afrikastudien stimmt etwas nicht, und es ist notwendig, diesen Missstand aufzuzeigen und anzusprechen. Ich habe an Konferenzen über Afrikastudien teilgenommen, um zu sehen, ob sich mein Eindruck ändert oder ich meine Haltung überdenken kann. Aber der Gedanke hält sich hartnäckig. Irgendetwas scheint mir in den Afrikastudien, wie wir sie heute kennen, zu fehlen oder falsch zu sein. Die Situation scheint sich nicht wesentlich zu ändern. Ich war auf der diesjährigen Europäischen Konferenz für Afrikastudien (ECAS), die vom 31. Mai bis 3. Juni in Köln stattfand. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Global South Studies Center (Universität zu Köln) und dem Institute for Anthropological Research on Africa (IARA, Universität Leuven).

Ich selbst war gemeinsam mit Chogwu Abdul von der Kogi State University in Nigeria und Prof. Stefan Sorgner von der Cabot University in Rom zuständig für ein Panel zum Thema Transhumanismus und Afrika. Mein Vortrag konzentrierte sich auf neue Technologien, Leap-Frog-Entwicklungen und afrikanische Zukunftsperspektiven.

Die Konferenz brachte viele Wissenschaftler, Forscher und politische Entscheidungsträger zusammen. Vier Tage lang trafen wir uns, diskutierten und tauschten Ideen zu Themen aus, die für Afrika bedeutsam sind. Ich nahm nicht nur an einer Podiumsdiskussion teil, sondern besuchte auch einige andere Sitzungen und unterhielt mich zwischen den Sitzungen mit afrikanischen und nicht-afrikanischen Teilnehmern.

Angesichts des Themas der Konferenz "Afrikanische Zukunft" hatte ich große Hoffnungen und Erwartungen. Ich wollte schon immer an einer Konferenz über Afrikastudien teilnehmen, die zukunftsorientiert ist. Ich hatte mich danach gesehnt, an einer Veranstaltung teilzunehmen, die sich radikal von den einseitigen und simplifizierenden Veranstaltungen unterscheidet, die oft zu finden sind. Vorträge auf Seminaren zu Afrikastudien, insbesondere im Bereich der Hexerei, neigen dazu, die Vergangenheit aufzuwerten; sie sind selten zukunftsorientiert und stellen die Moderne als negativ störend und destabilisierend für das "vormoderne" soziopolitische Gleichgewicht Afrikas dar. Ich habe mich immer gefragt, wie die Wissenschaftler zu diesem analytischen Ansatz gekommen sind und wie sie ihn weiterverfolgen.

Ich habe mich gefreut, an einer akademischen Veranstaltung über Afrika teilzunehmen, die thematisch versucht, afrikanische Zukunft(en) und Möglichkeiten zu entwerfen. Ich freute mich auf diese Konferenz in Köln, eine Veranstaltung, von der ich dachte, dass sie sich von den Afrikastudien-Konferenzen, wie ich sie kannte, unterscheiden könnte. Ich kam also mit der Erwartung zur Konferenz, einen inspirierenden und intellektuell anregenden Austausch zu hören. Ich höre mir gerne gut artikulierte, innovative Ideen an, egal in welcher Disziplin, solange sie gut erklärt werden. Und wo sonst könnte man auf der Suche nach solchen Ideen zu Afrika hingehen, wenn nicht zu einer Konferenz über Afrikastudien?

Allzu oft ist der Diskurs über Afrika durch Stereotype, Gleichsetzungen und Verallgemeinerungen gekennzeichnet. Ich kann mich an einen Vorfall erinnern, der sich vor vielen Jahren ereignete. Ich reiste mit einem deutschen Kollegen zu einer Feldstudie. In Ghana erzählte er, dass er nach dem, was er über Hexerei in Afrika gelesen hatte, bei seiner Ankunft erwartete, überall Hexerei zu sehen! Ich habe herzhaft gelacht.

Afrika wird als verknöchertes, hoffnungsloses, eindimensionales und unveränderliches Objekt der Analyse oder besser der Unterhaltung dargestellt und gemalt. Die Präsentationen über und von Afrika sind meist exotisch. In vielerlei Hinsicht klingen sie nach primitivem, kindlichem und rückständigem Denken, das in begrifflichen Euphemismen verpackt ist. Selbst als Afrikaner bin ich oft ratlos und kann mit einigen dieser Erklärungen nichts anfangen. Es fällt mir schwer, das zu entziffern, zu verstehen, nachzuvollziehen oder zu würdigen, was viele Afrikanisten auf Konferenzen und Seminaren als afrikanisch bezeichnen und erklären. Es ist, als ob sie sich das ausgedacht hätten oder als ob sie nicht dabei gewesen wären! Bei vielen Gelegenheiten habe ich mich gefragt: Über welches Afrika spricht diese Person? Was ist afrikanisch an diesem Thema? Was ist afrikanisch an dem, was Gelehrte als afrikanisch bezeichnen?

Begriffe wie "modern", "Wissenschaft", "Technologie", "Philosophie", "Entwicklung" und "Fortschritt" werden mit unterschiedlichen Bedeutungen erklärt. Es scheint, als ob die einzige Möglichkeit, Afrika oder irgendetwas Afrikanisches zu erklären, darin besteht, Afrikas weitgehend erfundene Vergangenheit aufzuwerten, die afrikanische Lebenssituation zu exotisieren und die angeblichen Alten und Primitiven zu romantisieren. Ich habe an Sitzungen teilgenommen, in denen Anthropologen darum rangen, "afrikanische Technologien" und "Anders als westliche"-Methoden zur Wasserreinigung, zur Kontrolle von Erosionen oder zur Sicherung von Gemeinschaften zu erklären. Einige der Erklärungen stellten bereits beim Zuhören eine verstandesmäßige Herausforderung dar. Sie klangen absurd, fade und uninspirierend – selbst für die Vortragenden (so vermute ich).

Aber wie immer machten die Teilnehmer eine ernste Miene, als ob die Vortragenden etwas Sinnvolles sagen oder wichtige und noch nie gehörte Dinge und Erkenntnisse darlegen würden. Sie applaudierten, nickten oder blickten in einer Weise, die als Anerkennung seltener Genialität verstanden werden konnte. Bei vielen Gelegenheiten vermieden es Weiße oder Nicht-Afrikaner, sich offen kritisch über Afrika zu äußern, wahrscheinlich um nicht des Rassismus oder Neokolonialismus bezichtigt zu werden. Während afrikanische Wissenschaftler sich analytisch zurücklehnten, um ihre Daten als "Afrikaner" zu präsentieren, und versuchten, sich in dieses Paradigma des Studiums und der Erklärung von Afrika einzufügen. Sie versuchen, dieses Spiel mitzuspielen, indem sie mit einer gewissen akademischen Distanz sprechen, obwohl sie sich der Sache verbunden fühlen, oder als Außenseiter sprechen, während sie doch Insider sind.

Ich bin also nach Köln gereist, um zu sehen, ob sich die Dinge geändert haben. Ich war gekommen, um bahnbrechende Vorträge, Einsichten und durchdachte Vorschläge über Afrika und seine Zukunft zu hören. Ich bin zu der Veranstaltung gekommen, um mich an Debatten und einem Aufeinandertreffen von Ideen zu beteiligen, die ein Umdenken und eine neue Vorstellung von Afrika in der Zukunft bewirken könnten. Ich ging von Sitzung zu Sitzung, um zu sehen, ob ich über eine Präsentation oder eine Aktivität stolpern würde, die meinen Geist erheben und meinen Verstand anregen könnte. Aber es war weitgehend die immergleiche alte Geschichte.

Nichts zeugte besser von dieser Erfahrung als das, was ich am vorletzten Tag der Veranstaltung sah: Ich kam aus der Registrierungshalle und sah einen jungen Mann, wohl ein traditioneller Priester, der auf dem Boden saß und hauptsächlich weiße europäische Konferenzteilnehmer unterhielt. Er machte einige Gesten und Beschwörungsformeln, mit denen er die afrikanischen Götter und Geister in Europa anrief. Er verdrehte seinen Körper, als würde er sich verkrampfen, und führte offenbar einige Rituale mit Tontöpfen, Kalebassen, roten Tüchern und anderen "heiligen" Gegenständen durch. Ich warf einen Blick auf die Szene und ging wieder. Aber seither frage ich mich immer wieder: Warum diese Aufführung und nichts anderes? Warum gab es keine Ausstellungen über Wissenschaft, Technologie und die Zukunft Afrikas? Ich meine, Wissenschaft und Technologie, wie wir sie kennen. Warum gab es keine Ausstellungen über neue Technologien, über Spitzenforschung, Solarenergie, Herzoperationen, Robotik, Weltraumexpeditionen? Warum gab es keine Computer- oder IT-Ausstellungen? Wird das alles nicht Teil der afrikanischen Zukunft sein?

Stattdessen wurden wir mit religiösen Voodoo-Vorführungen verwöhnt, mit denen viele Afrikaner nichts anfangen konnten. Ich habe nichts gegen die Aufführungen traditioneller afrikanischer Religionen und Glaubensrichtungen. Sowas ist völlig in Ordnung. Aber ich habe Probleme mit diesem "traditionalistischen" Bild von Afrika, das in der westlichen Afrikawissenschaft vorherrscht.

Nach allem, was ich weiß, ist diese Szene keine Überraschung gewesen. Sie passte in das feste Bild von Afrika in Europa und im Westen. Ja, diese Szene symbolisierte das, was bei den Afrikastudien und Afrikastudienkonferenzen falsch läuft und lief. Sie war typisch für das anhaltende stereotype Bild des Westens von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Afrikas. Sie brachte auf den Punkt, was die afrikanischen Wissenschaftler hinterfragen, herausfordern und durchkreuzen sollten.

Aus dem Englischen übersetzt von Daniela Wakonigg.

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