(hpd) Der Historiker und Journalist Volker Koop zeichnet aufgrund von erst nach 1990 zugänglichen Archivmaterialien ein detailliertes Bild der von Legenden umrankten „Werwolf"-Gruppen, die 1944 und 1945 vornehmlich eigene Landsleute ermordeten.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gründete die NS-Führung eine Untergrundorganisation, die Anschläge gegen bereits auf deutschem Boden befindliche alliierte Truppen und mit ihnen zusammenarbeitende Deutsche durchführen sollte. Unter der Bezeichnung „Werwolf" begingen fanatische Nationalsozialisten denn auch in den Jahren 1944 und 1945 eine Reihe von Morden - meist an wehrlosen Landsleuten. Noch heute ranken sich Legenden und Mythen um diese Gruppierungen, die auch in Teilen des Neonazismus als Vorbilder gelten. Die historische Forschung widmete dem „Werwolf"-Phänomen demgegenüber nur geringe Aufmerksamkeit. Umso erfreulicher ist da das Erscheinen einer Arbeit, die der Historiker und Journalist Volker Koop unter dem Titel „Himmlers letztes Aufgebot. Die NS-Organisation ‚Werwolf'" vorlegt hat. Sie will ein umfassendes Bild dieser Untergrundorganisation bezogen auf Entwicklung, Struktur und Zusammensetzung auf Basis von erst nach 1990 zugänglichen Archivmaterial aus der früheren DDR liefern.
Die Darstellung gliedert sich in zwölf Kapitel: Zunächst geht es um die Namensgebung und Vorläuferorganisationen und die Entstehung der ersten „Werwolf"-Gruppen. Letztere führt der Autor auf eine Initiative Himmlers in zeitweiliger Konkurrenz zu anderen NS-Institutionen zurück. Entgegen der ursprünglichen Absicht, vor allem Anschläge gegen die alliierten Truppen durchzuführen, kam es dazu nur in wenigen Fällen. Vielmehr ermordete man Zivilisten, die angeblich oder tatsächlich für eine Zusammenarbeit mit den Siegermächten eintraten. Dafür steht die Tötung des Aachener Oberbürgermeisters Franz Oppenhoff. Koop weist hierbei aber ebenso wie für den Fall der „Penzberger Mordnacht" darauf hin, dass diese Taten nicht allein den „Werwolf"-Gruppen zugerechnet werden können. Neben diesen brutalen Morden stehen auch noch andere Aspekte im Zentrum der Darstellung wie die Radio-Agitation mit einem eigenen Sender oder die Wirkung der gezielten Angst-Propaganda des NS-Regimes gegenüber den alliierten Truppen.
Der Autor legt mit seinem Buch eine überaus informative und sachliche Darstellung zum Thema auf Basis breiten Quellenmaterials vor. Damit schließt er eine Lücke im bisherigen Wissen über das in der öffentlichen Wahrnehmung von Legenden und Mythen überlagerte Phänomen „Werwolf". Hierbei zeigt sich auch, dass die Untergrundorganisationen nicht primär mutig gegen feindliche Truppen operierte. Eher bestand die Mehrheit ihrer Taten in feigen Morden an eigenen Landsleuten. Zwar setzten sich die „Werwolf"-Gruppen aus Gestapo-Mitarbeitern, „Hitler-Jungen" und „Volkssturm"-Angehörigen zusammen, von einer Verankerung in der Bevölkerung konnte aber nicht gesprochen werden. Vielmehr bildeten die Untergrundorganisationen lediglich Einheiten, die den militärischen Untergang des „Dritten Reiches" noch einmal besonders blutig gestalten sollten. Dies hätte der Autor in seiner stark beschreibend angelegten Arbeit analytisch noch stärker herausarbeiten können. Gleichwohl dürfte sein Buch auf längere Zeit das Standardwerk zum Thema bleiben.
Armin Pfahl-Traughber
Volker Koop, Himmlers letztes Aufgebot. Die NS-Organisation „Werwolf", Köln 2008 (Böhlau-Verlag), 309 S.