Beschimpfung v. Bekenntnissen gem. § 166 StGB

REGENSBURG. Die juristische Nachbearbeitung des Papst-Besuches im September

ist von der 2. Beschwerdekammer des Landgerichts Regensburg im Sinne der Freiheit der Kunst entschieden worden. Das Ermittlungsverfahren gegen den Künstler wurde aufgehoben und „die sichergestellten Gegenstände: 2 Gemälde sowie 201 Postkarten sind an den Beschuldigten herauszugeben." Die Kosten fallen der Staatskasse zur Last.

Der Anlass des Verfahrens war eine am Nachmittag des 10.09.2006 auf dem Haidplatz in Regensburg durchgeführte Gegenveranstaltung, auf der von dem freischaffenden Künstler Frank Scholz mehrere Ölgemälde und Postkarten ausgestellt und zum Verkauf angeboten worden waren. Anwesende Polizisten witterten Strafgesetzliche Tatbestände und alarmierten den Staatsanwalt. Die beiden Gemälde „Wabernder Weihrauch würzt westliche Winde" (vgl. Abbildung) und das Gemälde „Spass muss sein" wurden ebenso wie die Postkarten wegen des Verdachtes der Beschimpfung von Bekenntnissen gemäß § 166 StGB beschlagnahmt. Die Beschlagnahme selbst wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts einer Straftat direkt vor Ort angeordnet.

Der Beschuldigte hat umgehend erklärt, dass er sein Missfallen an der römisch-katholischen Kirche mit künstlerisch satirischen Mitteln habe zum Ausdruck bringen wollen.
„Im Laufe des letzten Jahres hat es mich immer mehr geärgert, wenn ich die Mittelbayerische Zeitung aufgeschlagen habe, und man das Gefühl bekommen mußte, es gibt nur noch den Papst und nichts anderes. Wir haben hier eine Art meinungsmäßigen Totalitarismus. Das hat mich motiviert, eine papstkritische Stellungnahme abzuliefern, und weil ich Maler bin, eben mit malerischen Mitteln."

Und die Reaktionen der Passanten? „Eigentlich habe ich erwartet, daß es zu mehr Aggressionen kommen würde. Ein Großteil der Passanten war eher gleichgültig, die Interessierten waren gespalten in Ablehnung und Zustimmung, letzteres mehr als ich gedacht habe. Was auch oft der Fall war, war ganz einfach Gelächter. Und mehrfach haben Leute gesagt: wenigstens gibt es einen Ort mit Vernunft in dieser Stadt. Eine Geschichte war besonders interessant. Eine Gruppe von jüngeren "modernen" Christen warf mir vor, ich male ein Bild der Kirche, das über hundert Jahre alt und vollkommen überholt sei. Heute sei die Kirche ganz anders. Fünf Minuten später kam eine Frau vorbei, eine Grundschullehrerin wie sie sagte, die erzählte, dass an ihrer Schule der Religionslehrer sechs/siebenjährigen Schülern die Aufgabe gegeben habe, sie sollen sich selber malen, wie sie im Fegefeuer sitzen. Schade, dass da die Gruppe der modernen Christen schon wieder weg war."

 

Der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht hatte die Beschlagnahme bestätigt, der Künstler legte dagegen Beschwerde ein, das Landgericht hatte zu entscheiden.
Nach Auffassung der Kammer wurde das Bekenntnis anderer nicht in einer Weise beschimpft, die geeignet wäre, den öffentlichen Frieden zu stören.
„Der Begriff des Beschimpfens umfasst nicht schon jede geringschätzige oder herabsetzende Äußerung, sondern nur nach Form und Inhalt besonders verletzende Äußerungen der Missachtung. Hinzu kommt, dass es sich bei den sichergestellten Bildern um künstlerische Äußerungen handelt, wobei der grundgesetzlich garantierte Schutz der Kunstfreiheit zudem eine restriktive Auslegung des Begriffs "Beschimpfen" gebietet. Mit der Strafvorschrift des § 166 I StGB kann nicht jegliche Kritik, auch nicht in Form der Satire oder Karikatur, dessen Wesensmerkmal Übertreibungen sind, verboten werden. Angesichts des hohen Rangs, den das Grundgesetz der Kunstfreiheit eingeräumt hat, sind nur besonders rohe Äußerungen der Missachtung als Beschimpfung zu werten. Dabei ist entscheidend, welchen Eindruck das Werk nach seinem objektiven Sinngehalt auf einen künstlerisch aufgeschlossenen oder zumindest um Verständnis bemühten Menschen macht.
Aufgrund der Gestaltung der beschlagnahmten Gemälde, insbesondere der darin verwendeten Symbolik, lässt sich – jedenfalls für die Kammer – eine Aussage dahingehend, was der Beschwerdeführer mit seinem Werk jeweils konkret zum Ausdruck bringen wollte, nicht treffen. Eine Tatbestandsverwirklichung käme daher vorliegend in erster Linie durch die entwürdigende Benutzung christlicher Symbole in Betracht. Davon kann jedoch unter Heranziehung der vorstehend aufgeführten Grundsätze nicht ausgegangen werden. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass bei den Bildern - anders etwa als bei der Darstellung eines an das Kreuz genagelten Schweins (vergleiche hierzu OLG Nürnberg NStz-RR 99, 238) - keine zentralen Symbole von Glaubensinhalten des römisch-katholischen Bekenntnisses selbst in profaner Weise zur Schau gestellt werden."

 

Die Staatsanwaltschaft muss sich fügen, soll allerdings ein Ordnungswidrigkeitsverfahren an die Stadt weitergeleitet haben: Auf den Postkarten der Gemälde fehle das vorgeschriebene Impressum.

 

Der Künstler sieht es gelassen. Auf die Frage: „Der Papst ist wieder weg. Was machst du als nächstes?" antwortet er: „Ich mal meine Bilder wie eh und je. Vielleicht werde ich mich als nächstes künstlerisch mit der Staatsanwaltschaft beschäftigen, mit der Justiz, wenn die mich weiter beschäftigen. Ich hab da schon ein paar Ideen..."

Carsten Frerk
(Unter Verwendung von Auszügen aus dem Beschluss des Landgerichts Regensburg und eines Interviews mit Frank Scholz von Kurt Raster)