MÜNSTER. (hpd) Die Aufhebung der Exkommunikation von vier ultrakonservativen Anhängern des verstorbenen Erzbischofs Michel Lefebvre beweist einmal mehr die strikt reaktionäre Ausrichtung des Ratzinger-Pontifikats.
Ein Kommentar von Horst Herrmann
Die Rücknahme der Exkommunikation mag als Zeichen für die Versöhnungsbereitschaft des Papstes gedeutet werden. Es bleibt aber ein bitterer Geschmack, zumal der Papst nur einen seiner beiden Arme ausgestreckt hat. Denn wäre es nicht längst an der Zeit, mit der zweiten Hand auch jene heimzuholen, die mit Lehrverboten und Exkommunikation bestraft wurden, weil sie das Evangelium auch für die Armen dieser Welt einsetzen oder Frauen zu Priesterinnen weihen oder für Kondome zum Schutz vor Aids eintreten? Ihnen gelten die ausgestreckten Hände des Papstes nicht, sie heißt er nicht willkommen.
„Aus pastoraler Sorge und väterlicher Barmherzigkeit" will er gehandelt haben? Ratzinger behandelt den rechtsextremen Rand seiner Kirche mit auffallender Nachsicht. Dagegen hat Benedikt jedem Theologen, der über die Stränge schlug, bisher ein Bußschweigen verordnet und den Widerruf abverlangt.
Nicht ganz nebenbei: Gegen einen der von diesem Papst „rehabilitierten" Bischöfe, Richard Williamson, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Leugnung des Holocaust. In einem Fernsehinterview hatte der Brite gesagt, historische Fakten sprächen gegen die Existenz von Gaskammern.
Es seien nicht sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet worden, sondern 200.000 bis 300.000 - aber keiner von ihnen in Gaskammern. Das ist klar antisemitisch, und die Rücknahme der Exkommunikation ist „ein Schritt, der die gesamte Kirche verseucht", so der Rabbiner David Rosen, der auf höchster Ebene am jüdisch-katholischen Dialog beteiligt ist.
Die Wiederaufnahme Williamsons wird dem internationalen Ansehen des Vatikans zum Nachteil gereichen - zumal der Papst Deutscher ist. Um so mehr fällt das Schweigen aus Berlin auf: Ist etwa durch diesen unsäglichen Vorgang nicht Deutschland als Ganzes betroffen? Doch scheint Berlin sich mal wieder eine Selbstzensur aufzuerlegen, um nur ja nicht bei der Kirche anzuecken.
Doch vor allem wird der Vatikan die politischen Folgekosten tragen müssen. Um das Schlimmste zu verhüten, muss der Papst so schnell wie möglich Williamsons unsägliche Meinung verurteilen. Ratzinger war als Chef der Glaubenskongregation nie zimperlich. Er hat viele auf dem Gewissen. Zudem erweist er, den ich nicht ohne Grund von Anfang an den schwächsten Papst seit 150 Jahren genannt habe, sich als unaufrichtig gegenüber denen, die ihn groß gemacht haben. Er hat Liberalität vorgetäuscht, um nun deutlicher als erwartet zurückzufallen in seine gewohnten, geliebten Denkmuster.
Es wird eine Generation dauern, bis Ratzingers Sündenfälle und Dummheiten behoben sind.
Die Aussöhnung des Papstes mit einem „widerwärtigen Antisemiten" nennt die Süddeutsche Zeitung bestürzend. Was Benedikt XVI. am rechten Rand zurückgewinnt, verliert er in der Mitte. Viele deutsche Katholiken sehen es als Aufgabe ihrer Kirche, sich mit Andersgläubigen für eine menschenwürdige Welt einzusetzen. Sie wünschen, dass ihr Pontifex Brücken baut, etwa zu den reformierten Kirchen und zum Judentum. Doch hierbei lässt Benedikt jene Bereitschaft zur Versöhnung vermissen, mit der er Reaktionäre umarmt.
Wäre ich nicht schon vor Jahrzehnten aus der Kirche ausgetreten, täte ich es jetzt. Mit solchen Leuten mache ich mich nicht gemein.
Horst Herrmann