Iran: Zerstörung der Demokratie

hpd) Der amerikanische Journalist Stephen Kinzer beschreibt die Rolle der USA und Großbritanniens, die mit ihren Geheimdienstoperationen 1953 den Sturz der ersten demokratischen Regierung im Iran herbeiführten und zum Feindbild schlechthin wurden.

„Zuweilen haben wir uns schwer damit getan", so Barack Obama in seiner Berliner Rede im Juli 2008 als einem bemerkenswert kritischen Eingeständnis eines US-amerikanischen Politikers, „unser Versprechen der Freiheit und Gleichheit aller Menschen zu halten. Wir haben so manchen Fehler gemacht, und es gab Zeiten, in denen unser Handeln in der Welt nicht unseren guten Absichten entsprach." Zu diesem Handeln gehörte in der Geschichte der USA auch der Sturz ausländischer Regierungen - und zwar auch demokratisch gewählter und nicht nur diktatorisch herrschender. Ein Beispiel dafür war die „Operation Ajax", die 1953 zur Absetzung des iranischen Premierministers Mohammed Mossadegh führte. Über dieses Ereignis veröffentlichte jetzt der Journalist Stephen Kinzer, langjähriger Auslandskorrespondent der „New York Times", ein ebenso beklemmend wirkendes wie spannend geschriebenes Buch unter dem Titel „Im Dienste des Schah. CIA, MI 6 und die Wurzeln des Terrors im Nahen Osten".

Darin geht es um die Geschichte des Iran seit Beginn des 20. Jahrhunderts: Ausführlich geht der Autor auf die Etablierung einer Entwicklungsdiktatur unter Reza Schah ein und hebt die Interessen der Anglo-Iranian Oil Company an den dortigen Ölvorkommen hervor. Sie kamen der Wirtschaft des Landes auch unter dessen Nachfolger Mohammed Reza Schah nicht zugute, was zu großem Unmut in der Bevölkerung und letztendlich auch zur Wahl von Mohammed Mossadegh zum Premierminister führte. Dieser setzte binnen kurzer Zeit die Nationalisierung der Ölunternehmen durch, sollte das Land doch nicht länger von ausländischen Mächten abhängig sein. In Großbritannien und den USA sah man in diesem Schritt einen gefährlichen Akt, der sich gegen die politischen und wirtschaftlichen Interesses dieser beiden Länder richtete. Die Regierungen beschlossen, den Sturz Mossadeghs mit Hilfe von gezielten Geheimdienstoperationen voranzutreiben. 1953 war es so weit: Nach geschickt initiierten Unruhen verlor er nach einem Militärputsch das Amt des Premierministers.

Damit lieferten die USA einen maßgeblichen Beitrag dazu, die einzige demokratische Regierung in der Geschichte des Iran zu stürzen. Von besonderer Bedeutung war dabei die CIA, destabilisierten deren Agenten doch mit Bestechungen und Medienmanipulation die innenpolitische Situation. Solche Aussagen stellen übrigens kein „anti-amerikanisches Vorurteil" dar. 47 Jahre nach dem Umsturz ließ US-Präsident Bill Clinton offiziell erklären: „1953 haben die Vereinigten Staaten eine entscheidende Rolle beim Sturz des populären iranischen Premierministers, Mohammed Mossadegh, gespielt." Und weiter hieß es: „Man kann heute gut verstehen, warum viele Iraner Amerika diese Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten immer noch übel nehmen" (S. 294). Genau in diesem Kontext besteht auch das gegenwärtige Interesse an den seinerzeitigen Ereignissen, die schon über ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Sie erklären - nicht allein, aber mit -, warum die Vorstellungen von westlicher Demokratie mitunter als Ausdruck von Doppel-Moral erscheinen.

Kinzer hebt denn auch hervor: „Die Vereinigten Staaten besitzen wegen ihrer Rolle bei der Zerstörung der Demokratie als Hüter der Demokratie keine Glaubwürdigkeit im Iran - und weil sie seitdem nie Interesse an der Entwicklung einer bürgerlichen Gesellschaft im Iran gezeigt haben" (S. 16f.). Im Ergebnis führte die Entwicklung nach Mossadeghs Sturz zur jahrzehntelangen Etablierung einer brutalen Diktatur des Schah, der mit westlicher Unterstützung unsagbares Leid über das Land brachte. In der Situation des revolutionären Umbruchs wandte sich die Bevölkerung dann nicht Strömungen zu, welche auf eine Demokratisierung, sondern auf eine Islamisierung setzten. Mit den Ergebnissen müssen nicht nur die USA heute noch umgehen. Insofern war der Sturz Mossadeghs, wie Kinzer zutreffend formuliert, „das Paradebeispiel für ein Eigentor" (S. 23f.). Sein journalistisch konzipiertes Buch ist spannend wie ein Krimi geschrieben, was bei dem Stoff nicht verwundern kann, handelt es sich doch auch um einen kriminellen Vorgang.

Armin Pfahl-Traughber

Stephen Kinzer, Im Dienste des Schah. CIA, MI 6 und die Wurzeln des Terrors im Nahen Osten. Aus dem Amerikanischen von Brigitte Döbert, Weinheim 2009 (Wiley-VCH Verlag), 318 S., 19,95 €