Evolution erklärt den Sinn des Lebens

All dies kann ein Mensch natürlich nur leisten, wenn er selbst „intakt“ ist, also sein eigenes Wohlergehen sichert. Bei Verfolgung dieser Grundvoraussetzung ist der Schmerz ein wichtiger Indikator. Körperlicher Schmerz signalisiert: „Halt, mach' dich nicht kaputt.“ Auch psychischer Schmerz, das Gefühl von innerer Leere, Sinnlosigkeit und „Dahinvegetieren“ sind Signale, welche die bisherige Lebensweise in Frage stellen. Umgekehrt belohnt die Evolution „genverbreitungseffektive“ Befindlichkeiten und Aktivitäten wie körperliche Funktionstüchtigkeit, Fortpflanzung, Kinderaufzucht und konstruktive Arbeit für das Gedeihen der Gesellschaft (des „Clans“ – oder in heutigen Zeiten – das des globalen Dorfes?) mit Gefühlen von Glück und Erfüllung wie dem des Wohlbefindens, der sexuellen Lust, des Geliebtwerdens sowie dem der Freude an gesellschaftlicher Anerkennung. Die evolutionsbiologische Antwort auf die Sinnfrage ist deshalb schlicht und einfach eine Empfehlung für einen Hedonismus, der auch Familiengründung und/oder den Erwerb sozialer Anerkennung als Quellen des Lustgewinnes sieht.

Während der Tagung zum Welthumanistentag in Nürnberg am Mittsommertag 2008 hielt der Philosoph Prof. Kanitscheider einen Vortrag über Hedonismus. Anschließend fragte ein Zuhörer, ob diese Haltung nicht dazu führen würde, dass alle nur noch Drogen nehmen und niemand mehr Kinder aufziehen will. Kanitscheider meldete zunächst Zweifel an, ob denn tatsächlich Drogenkonsum zum Inbegriff hedonistischer Freuden gehöre, wenn man mal von abendlicher Entspannung bei einem Glas Wein absieht. Die Behauptung eines Gegensatzes zwischen Hedonismus und Kindererziehung machte ihn dagegen völlig ratlos: „Also, ich habe vier Kinder! Mich hat das immer gefreut.“

Jeder, der mal in einem sonnenlichtdurchfluteten Garten mit einem fröhlichen Kind gespielt hat oder die erwartungsvollen Blicke gesehen hat, wenn die Kleinen neben einem Platz nehmen, um vorgelesen zu bekommen, weiß, wovon der Professor hier sprach.

Nach diesem Fazit nahm Junker sich die Freiheit, einen Vergleich mit den Sinnstiftungskonzepten der Religionen vorzunehmen. Hierfür zitierte er mehrere hochrangige Dokumente der westlichen christlichen Großkonfessionen und des Islam. Alle waren von sehr ähnlichem Duktus. So heißt es im Heidelberger Katechismus von 1563 (Frage 6): „Gott hat den Menschen …erschaffen …damit er Gott, seinen Schöpfer, recht erkennt und von Herzen liebt und in ewiger Seligkeit mit ihm lebt, um ihn zu loben und zu preisen.“ Für viele Menschen hört sich das gar nicht so verlockend an, was nach Junkers Einschätzung wohl erklärt, weshalb die Kirchen sich gerne als vorrangige Ansprechpartner in der Sinnfrage andienen, zugleich aber sehr zögerlich sind, ihre autoritativen Quellentexte offensiv zu propagieren.

Im Anschluss an den Vortrag hatte das Publikum – wie üblich – Gelegenheit, den Referenten mit kritischen Rückfragen und Anmerkungen zu beschenken (so würde es Dr. Michael Schmidt-Salomon ausdrücken) bzw. ihm den weiteren Abend zu „versauen“ (so würde es mein Lieblingskabarettist, der Physiker Vince Ebert, ausdrücken). Die Einlassungen des Publikums waren diesmal, zumal in Anbetracht dieses anthropologischen Schlüsselthemas, besonders anspruchsvoll, wurden aber von Junker souverän gemeistert, was zeigte, dass an diesem Abend wohl alle zur Höchstform aufgelaufen waren. Besondere Aufmerksamkeit erlangte die Tatsache, dass die Religionen es durchaus verstehen, sich biologische Eigenheiten wie den Fortpflanzungsdrang zunutze zu machen und regelrechte Gebärkriege der Katholiken und Muslime eine große Gefahr darstellen.

Zuletzt fand man sich erneut in geselliger Runde von über 20 Personen in einem nahegelegenen Restaurant ein.

Die Säkularen Humanisten Rhein-Main treffen sich wieder in Frankfurt am Main, am 23.10.2009 um 19:00 Uhr, im 2. Stock des wohlbekannten Club Voltaire, in der Kleinen Hochstraße Nr. 5. Siehe hierzu auch www.saekulare-humanisten.de.