Ein Handy ist wie eine Elektronische Fußfessel

Flächendeckende Video-Überwachung

Hinzu kommt die Video-Überwachung. Nicht nur auf öffentlichen Plätzen oder in U-Bahnstationen wird flächendeckend gefilmt, sondern häufig auch in Geschäften, Diskotheken oder Hotels. Webcams übertragen derartige Bilder auch ins Internet, wo jeder dann sehen kann, wer sich gerade vor der Kamera vorbeibewegt. Nicht alle Bilder aus Überwachungskameras werden auch gespeichert. Doch wo das geschieht, da bestehe auch die Gefahr eines Missbrauchs, meinte Nedden.

Ohnehin gaukelten die Kameras nur eine zweifelhafte Sicherheit vor. In Hannover hätten Fahrgäste schon tatenlos bei Vorkommnissen zugeschaut, weil sie wegen der Überwachungskameras eine umgehende Intervention der Zuständigen erwartet hätten. Dieses Eingreifen sei aber nicht erfolgt.

In Großbritannien sei die mehrere Millionen starke Zahl der Überwachungskameras inzwischen schon so groß, dass nicht mehr genug Personal vorhanden sei, alle Bilder auszuwerten. Deswegen gebe es dort mittlerweile auch Privatpersonen, die Bilder von Überwachungskameras melden. Für jeden "Erfolg" bekämen sie Punkte. Dieses Vorgehen brandmarkte Nedden als Installierung des "Elektronischen Blockwarts".

„Scoring“-Agenturen

Ein weiteres Problem sei das sogenannte "Scoring", erklärte Nedden. Bei Einkäufen im Internet, aber auch beim Eröffnen eines Bankkontos oder der Beantragung eines Kredits würden häufig Anfragen an so genannte "Scoring-Agenturen" gestellt. Sie bewerten den jeweiligen Kunden anhand von durchaus zweifelhaften Daten wie beispielsweise der Zuordnung seiner Adresse zu einem eher gutbürgerlichen oder eher randständigen Wohngebiet. In aller Regel erfahre der Kunde von dieser Prüfung nichts. Zudem fehle jegliche Transparenz, welche Kriterien für die Zusage oder Ablehnung eines Kredits, eines Geschäfts oder für die Verweigerung der Bezahlung auf Rechnung ausschlaggebend waren.

Agenturen wie die SchuFa rühmten sich selbst mit der gigantischen Zahl von 440 Millionen Datensätzen von 65 Millionen Bürgern. Die Firma "SchoWa" beispielsweise werbe damit, dass sie über jedes Gebäude in Deutschland Aussagen treffen könne.

„Steuer-ID“

Ein weiteres Problem sieht Nedden in der sogenannten "Steuer-ID", die jedem Bundesbürger inzwischen zugeordnet wird. Eine Teilnehmerin berichtete, dass auch ihre Krankenkasse von ihr diese Nummer angefordert hatte und damit gedroht habe, dass sie ihre Beiträge sonst nicht steuerlich absetzen könne.

Nedden nannte diese Nummer ein "Persönlichkeitskennzeichen", wie es bisher aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt wurde. Doch entfalte der Staat mit steigenden technischen Möglichkeiten einer Speicherung auch eine immer größere Sammelwut.

Ohnehin sieht der Datenschützer die Begründung staatlicher Datensammlungen mit der Gefahr terroristischer Anschläge nicht als stichhaltig an. Viele der damit begründeten Maßnahmen könnten intelligente Täter relativ leicht umgehen.

Sich selbst schützen

Aber auch der Bürger sollte sich nach Neddens Auffassung vor allzu freigebiger Übermittlung persönlicher Daten schützen. Man sollte in der Regel nicht an Preisausschreiben oder Umfragen teilnehmen, riet der Datenschützer. Wenn man überhaupt Kundenkarten akzeptieren wolle, sollte man sich vor einem Antrag die entsprechenden Geschäftsbedingungen genau durchlesen.

Auch den Vorschlag aus dem Publikum, Handys untereinander auszutauschen, hielt Nedden für sinnvoll. Schließlich gebe es keine Bestimmung, die den Käufer zur Eigen-Nutzung des Mobiltelefons verpflichte.

Besonders vorsichtig solle man mit so genannten "Sozialen Netzwerken" im Internet wie Facebook oder studivz umgehen. Hier fänden Arbeitgeber häufig komprommittierende Fotos von Bewerbern, die sie dann als Grund gegen eine Anstellung des Betreffenden bewerteten.

"Ins Internet sollte man nur Informationen einstellen, die auch der schlimmste Feind wissen darf", riet Nedden. Nur so sei man hinterher vor unangenehmen Überraschungen gefeit.

Eine kritische Bewertung der Situation stand am Ende der Veranstaltung. Einige Anwesende äußerten starke Zweifel, dass der Datenschutz überhaupt noch ernst genommen werde. Sie vermuteten, dass Firmen und Behörden die Gesetze nicht immer respektieren. Solche Vorkommnisse betrachtete Nedden aufgrund seiner beruflichen Erfahrung aber als Einzelfälle. Notwendig sei allerdings, dass die Bürgerinnen und Bürger den Schutz ihrer eigenen Daten ernst nehmen und auch einen entsprechenden Druck auf die Politik entfalten.

FJH

 

Nachtrag 2.11.2009: Die Humanistische Union hat die Audio-Datei des Vortrages jetzt zum Download bereitgestellt.