Sex, Drugs und Heuchelei. US-Evangelikaler ist homosexuell. Ein Kommentar.
Ted Haggards Welt war noch in Ordnung, als ihn Richard Dawkins für die Dokumentation The Root of all Evil? interviewte. Ted Haggard ist der Gründer der New Life Church in Colorado Springs, Colorado. Die New Life Church ist das, was man in Amerika als 'Megachurch' bezeichnet. Ein Gotteshaus mit Platz für mehr als 2000 Gottesdienstbesucher, mit einer grossen Bühne und einer technischen Ausstattung, die man eher bei Rockkonzerten erwartet. Haggards Gottesdienste hatten dann auch die Intensität von Rockkonzerten. Haggard tobte als Anheizer über die Bühne und das Publikum jubelte ihm zu. Nur ging es nicht um "Sex, Drugs and Rock'n'Roll", sondern um "God, Faith and Obedience" - Gott, Glaube und Gehorsam.
Die New Life Church war aber nicht die einzige Bühne, auf der Haggard seine Erfolge feierte. Haggard war Präsdident der NAE - National Association of Evangelicals, einer der einflussreichsten Organisationen evangelikaler Christen in den USA. Im Jahr 2005 zählte ihn das Time Magazine zu den 25 einflussreichsten evangelikalen Christen in den USA - wohl nicht zuletzt wegen seiner guten Kontakte zu George W. Bush. Er warb für traditionelle christliche Werte und stritt gegen Homosexualität und Ehebruch. Ted Haggard ist seit 1978 verheiratet und hat fünf Kinder. Dass er im Juni 2006 50 Jahre alt wurde, sieht man ihm nicht an.
Das war die Welt, in der Ted Haggard lebte, als Richard Dawkins ihn interviewte. Haggards Welt war das fromme Amerika, wo man an althergebrachte Werte und eine junge Erde glaubt. Homosexuelle kamen in die Hölle und gottlose Darwinisten - wie Richard Dawkins - kamen aus dem fernen Europa. Und bevor man sie dorthin zurück schickte, gab man ihnen ein paar weise Worte mit auf den Weg:
"Nun, Sir. Es wird einige Sachen geben, da kennen sie sich gut aus. Es gibt andere Sachen, da kennen Sie sich nicht so gut aus. Während sie älter werden, werden Sie merken, dass sie in einigen Punkten falsch liegen, in anderen nicht.
Aber bitte - sein Sie dabei nicht arrogant."( But please - in the process of it - don't be arrogant.)
Das sind nicht wirklich weltbewegende Weisheiten, aber isoliert betrachtet kann man es als Bekenntnis zu intellektueller Redlichkeit interpretieren. "Don't be arrogant" - Sei nicht arrogant! Erkenne Deine Fehler!
Im Kontext betrachtet relativiert sich das wieder. Haggards Tonfall klingt aggressiv, sein Lächeln wirkt verzerrt. Unter Haggards Plädoyer gegen wissenschaftliche Arroganz scheint ein Vulkan religiöser Arroganz zu brodeln. Denn Haggard weiß in diesem Moment, was richtig und was falsch ist. Der Glaube an Gott und die christliche Schöpfungslehre ist richtig, die Evolutionstheorie ist falsch. Dawkins Enkel - so Haggard - würden eines Tages über ihn lachen, wenn sie seine Aussagen hören: "Ja, Sie wissen schon, dass Sie lediglich einige der Ansichten, die von einigen wenigen Wissenschaftlern vertreten werden, als Tatsachen betrachten. Wobei... Ihre Enkel könnten Ihre Aussagen auf Band hören und über sie lachen."
Nicht nur Haggards Welt war damals noch in Ordnung, sondern wohl auch sein Vertrauen in die Zukunft: Die Zukunft wird ihm schon Recht geben.
Im November 2006 kam es anders. Ein Callboy wandte sich an die Medien und behauptete, seit 3 Jahren ein geschäftliches Verhältnis zu Ted Haggard zu haben, bei dem neben Sex auch Drogen eine Rolle spielten. Haggard dementierte die Vorwürfe zunächst, verstrickte sich dann in Widersprüche und gab am Ende zu, dass er sich sexuell unmoralischer Handlungen schuldig gemacht hat. Als reumütiger Sünder beschloss Haggard, sich in einer christlichen Therapie von seinen homosexuellen Neigungen heilen zu lassen. Die Einzelheiten dieser Geschichte sollen hier kein Rolle spielen. Dennoch bleiben Fragen offen:
Wird eine erfolgreiche Therapie Haggard die Rückkehr in den Kreis der Tugendhaften und Frommen ermöglichen? Sollte damit Ted Haggards Welt wieder in Ordnung kommen?
Nein!
Denn seine Welt war niemals in Ordnung. Haggards "Sünde" besteht nicht darin, dass er schwul ist oder homosexuelle Neigungen hat. Sein schlimmstes Verbrechen war nicht, dass er Drogen konsumiert hat.
Ted Haggard muss nicht von seinen homosexuellen Neigungen geheilt werden, sondern von der wahren Wurzel des Übels in seinem Leben: Der Heuchelei. Er hat viele Menschen belogen: Seine Familie, seine Anhänger, die Presse, die Öffentlichkeit - man kann nur vermuten, wie viele Homosexuelle er dazu verleitet hat, ihre wahre Natur zu verleugnen. Er wird inzwischen selber erahnen, was er damit angerichtet hat. Aber wird er es wahrhaben wollen?
Nur seine Enkel wird Ted Haggard wohl nicht mehr belügen können. Man kann nur hoffen, dass er eines Tages mit ihnen seine alten Predigten auf Band hört und sie gemeinsam darüber lachen.
But please - in the process of it - don't be arrogant, Mr. Haggard.
Stefan Weiland





