Wie christliche Missionare das Überleben indigener Völker im Amazonas bedrohen

Gnadenlose Missionierung im Regenwald

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Sichtung einer isolierten Gruppe beim Über­fliegen des brasilia­nischen Bundesstaates Acre (2012)
Sichtung einer isolierten Gruppe beim Über­fliegen des brasilia­nischen Bundesstaates Acre (2012)

Die Geschichte der Missionierung indigener Völker ist eine Chronik von Leid, Tod und kultureller Auslöschung. Seit Jahrhunderten dringen christliche Missionare in noch unberührte Regionen der Erde vor, um ihre Botschaft zu verbreiten – und gefährden damit Leben und Traditionen der dort lebenden Gemeinschaften. Heute, im 21. Jahrhundert, setzen sie diese Praxis fort – oft im Verborgenen, unter Missachtung staatlicher Schutzgesetze und getrieben von einem Sendungsbewusstsein, das sich kaum von kolonialem Eroberungsdrang unterscheidet.

Indigene Stämme, die nie Kontakt zur Außenwelt hatten, sind besonders anfällig für eingeschleppte Krankheiten. Deshalb ist es von extremer Bedeutung, dass sie nicht mit Erregern in Berührung kommen. Immer wieder führten jedoch Missionierungsbestrebungen dazu, dass ganze Familien und Stämme an Infektionen starben, gegen die sie keine Abwehrkräfte besaßen. Deshalb verbietet beispielsweise die brasilianische Regierung den Kontakt zu isolierten Völkern streng. Trotzdem versuchen Missionare weiterhin, diese Gemeinschaften mit dem Christentum zu konfrontieren – eine Form kultureller Übergriffigkeit, die nicht nur das soziale Gefüge zerstört, sondern auch ihre physische Existenz gefährdet.

Der Guardian berichtete jüngst von Aktionen im Javari-Tal im Nordwesten Brasiliens. Missionare überfliegen die Region mit Wasserflugzeugen, um Langhäuser und Siedlungen der Einheimischen zu lokalisieren und die entlegenen Regionen zu kartieren – eine Vorbereitung ihrer Mission. Laut Angaben der Bundesstaatsanwaltschaft sind derzeit 13 der offiziell anerkannten 29 isolierten Völker – darunter Korubo, Matís, Marubo, Kanamari und Kulin – durch Missionierungsversuche bedroht.

"Gottes Wort" auf Endlosschleife

Zusammen mit der Zeitung O Globo deckte der Guardian auf, dass solarbetriebene Audiogeräte bei Angehörigen des Korubo-Volkes auftauchten. Diese spielen in Endlosschleife biblische Botschaften auf Portugiesisch oder Spanisch ab, wie: "Ich bin sicher, dass Gott ein Gott der Liebe ist; wenn er also ein Gott der Liebe ist, wird er mich in den Himmel bringen, wenn ich sterbe, also mache ich mir keine Sorgen. Ich möchte Sie an etwas erinnern, denn Sie haben einen der wichtigsten Aspekte des Lebens vergessen – den Tod – und die Tatsache, in den Augen Gottes annehmbar zu sein."

Was als Nächstenliebe getarnt wird, ist in Wahrheit eine Fortsetzung kolonialer und imperialistischer Unterwerfung mit religiösen Mitteln. Der unausgesprochene Glaube dahinter: Ohne Bibel ist ein Leben im Regenwald nicht nur unvollständig, sondern wertlos.

Spiritueller Imperialismus und "braunes Gold"

Zwar sind es hauptsächlich Evangelikale, die meinen, sie müssten die Menschen in den entlegensten Winkeln der Welt mit Gottes Wort beglücken, aber auch die katholische Kirche betreibt weiterhin eifrig Missionsarbeit im Globalen Süden. Papst Leo XIV. wird gerne als "Mann des Volkes" gefeiert, weil er zwanzig Jahre als Missionar in Peru tätig war. Kritik an diesem Wirken bleibt weitgehend aus – im Gegenteil, erst kürzlich ermahnte der Papst in Rom junge Menschen: "Seid Missionare, wo immer ihr hingeht, seid Zeichen der Gegenwart des Herrn, wie es unsere geliebten peruanischen Heiligen waren."

Zahlreiche Organisationen konkurrieren darum, selbst die entlegensten Volksgruppen mit dem Evangelium zu erreichen, so etwa Youth With A Mission. Eine andere Organisation, die im Amazonasgebiet aktiv ist, heißt Ethnos 360 und verfügt weltweit über ein Jahresbudget von 70 Millionen Euro. Auf der deutschen Homepage werden die eigenen Ziele klar definiert: "Weltweit gibt es 10.206 Volksgruppen. Davon haben 4.379 keinen Zugang zu Gottes Wort, der Bibel. Zusammen mit der Gemeinde möchten wir Mitarbeiter zu den Volksgruppen senden, die das Evangelium bisher noch nicht hören konnten, damit zur Ehre Gottes eine reifende Gemeinde für jede Volksgruppe entstehen kann."

Erschreckend ist, dass diese Missionsarbeit auch mit Spenden deutscher Christen und Gemeinden finanziert wird. Ethnos 360 hat seinen Sitz in Hückeswagen und ist als gemeinnützige Organisation in Deutschland berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Da der Bundestag am 15. April 2021 eine Konvention zu Rechten indigener Völker verabschiedet hat, wäre es zwingend notwendig, Ethnos 360 die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Historisch bezeichnete die 1942 ursprünglich unter dem Namen New Tribes Mission gegründete Organisation die unberührten indigenen Völker sogar als "braunes Gold" – ein Begriff, der auch lange Zeit den Titel des eigenen Newsletters zierte, und entlarvt damit, wie sehr Missionsarbeit noch immer von der Logik kolonialer Ausbeutung geprägt ist. Statt Respekt und Schutz bedeutet Missionierung die Auslöschung jahrtausendealten Wissens und die Zerstörung von Kultur – ein spiritueller Imperialismus, der bis heute gnadenlos fortgesetzt wird.

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