BERLIN / MARBURG. Mangelnden Respekt der Regierenden gegenüber dem Recht beklagt die Humanistische Union Hessen.
Das so genannte "Luftsicherheitsgesetz" aus der Feder von
Schäubles Amtsvorgänger Otto Schily hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem <Urteil vom 15. Februar 2006> als "Verstoß gegen die Menschenwürde" und das "Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" für verfassungswidrig erklärt.
Schäuble möchte die selbe Regelung jetzt aber erneut in Gesetzesform gießen, indem er die angenommene Bedrohung durch terroristische Attentäter zum "Verteidigungsfall" erklärt. Dadurch könne dann die - von den höchsten deutschen Richtern strikt verworfene - Abwägung des Lebens unschuldiger Passagiere mit dem Schutz anderer vermeintlich bedrohter Menschen außerhalb der rechtlichen Bindungen der Verfassung erfolgen, meint der Minister.
Dagegen wendet sich nicht nur die HU Hessen. Wie verschiedene prominente Politiker der FDP, der Grünen, der Linkspartei und der SPD bekräftigte auch die HU-Hessen erneut die Auffassung der Verfassungsrichter, dass der Staat kein Recht habe, Unschuldige zugunsten anderer zu "opfern". Ein derartiges Gesetz bedrohe den freien Flugverkehr. "Das wäre eine pauschale Geiselnahme und die ohne Vorankündigung plötzlich exekutierte Todesstrafe für Flugreisen." Nach dem Motto "Mitgeflogen, mit in die Luft geflogen" würden zufällig anwesende Menschen auf den bloßen Verdacht einer Gefahr hin in ministeriellem Auftrag ermordet. Unter solchen Bedingungen könne keiner mehr sorglos in ein Flugzeug einsteigen, das den deutschen Luftraum überquert.
Nach seinen beharrlichen Bestrebungen zugunsten eines Freibriefs zur verfassungswidrigen Tötung unschuldiger Flugpassagiere sei Schäuble als Innenminister nicht mehr tragbar, erklärte der HU-Landessprecher in Marburg.
Zum Hintergrund
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15.2.2006, wurde bereits vier Wochen später vermerkt <„Ersatz für Luftsicherheitsgesetz geplant">. Im neuen Weißbuch der Bundeswehr war im Mai dann bereits die Linie ausgegeben: „Bund will bei einem Terror-Angriff den <Verteidigungsfall> ausrufen."
Schließlich wurde diese Auffassung auf einer Tagung des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zum Thema „Gesamtstaatliche Sicherheit" vom Bundesinnenminister persönlich am 8. Dezember 2006 als die <Sicht der Bundesregierung> u. a. formuliert:
„Die frühere Bundesregierung hat mit dem Luftsicherheitsgesetz versucht, diese Regelungslücke zu schließen. Das Verfassungsgericht hat das Gesetz nicht völlig überraschend für verfassungswidrig erklärt. Und jetzt sagen manche, dass man da nun nichts machen könne. Menschenleben dürfe nicht gegen Menschenleben abgewogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings gesagt, das dies im Nichtverteidigungsfall gilt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Angriffe vom 11. September aber als einen Angriff im Sinne der Charta der Vereinten Nationen und damit völkerrechtlich als Verteidigungsfall beschrieben. Und die NATO hat zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall nach Artikel 5 ausgerufen, in dem wir uns immer noch befinden. Ich weise nur darauf hin, weil man gelegentlich daran erinnern muss. In diesem Sinne müssen wir die Lücke schließen."
Diese Äußerung wurde aufgrund einer dpa-Meldung nebenher zur Kenntnis genommen. Es geschah öffentlich erst einmal nichts.
Am 23.12.2006 meldete die dpa erneut: „Innenministerium legt neues Luftsicherheitsgesetz vor". Das wurde umgehend von der Sprecherin des Bundesinnenministeriums dementiert, aber die Opposition stellte sich sofort dagegen: <„Keine Lizenz zum Töten Unschuldiger.">
Ansonsten war „Weihnachtspause".
Erst seit die Süddeutsche Zeitung Bundesinnenminister Schäuble dazu am 1. Januar 2007 zitierte: „Beim Abschuss gilt das <Kriegsrecht>" ist die mediale Öffentlichkeit der Republik aufgeschreckt.
CF