Unverlangter Segen

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"Sternsinger" unterwegs / Foto: Thomas Häntsch

WEEZE. (hpd) Eine kleine Geschichte, die zwar nur am Rand spielt, die unbedeutend erscheint, aber zugleich symbolhaft für das Wirken religiöser Kräfte in unserer Gesellschaft ist, passierte direkt vor bzw. an meiner Haustür. Ich bin zum Jahresbeginn von der katholischen Kirche mit einem Segen bedacht worden, den ich nicht nötig habe und gegen den ich mich mit eindeutigen Hinweisen vorab schon verwehrte.

Doch zunächst zum Grund, der zu diesem Missverständnis oder der Missachtung führte.

Alle Jahre wieder - von Ende Dezember bis Anfang Januar - ziehen verkleidete Kinder durch die Strassen der Regionen, die vorwiegend katholisch geprägt sind. Es gibt Zeitgenossen, die bezeichnen diese Gebiete etwas scharfzüngig als „Schwarze Löcher“.

Die da durch die Strassen ziehen und fleißig Klingeln putzen, sind im Auftrag der katholischen Kirche unterwegs und nennen sich die Sternsinger. Der Name, unter dem die verkleideten Kinder für eine Gabe vor der Tür der potentiellen Spender singen, geht auf die Erwähnung der Sterndeuter in der Bibel zurück.

Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts werden die Sternsinger - zentral gelenkt -, zum Erbetteln von Spenden für kirchliche Hilfsprojekte in aller Welt eingesetzt oder wie es im Kirchenjargon heißt, ausgesendet. In einigen deutschen Bundesländern ist der Dreikönigstag gesetzlicher Feiertag.

Wie sollte es anders sein, einem Land, in dem die Trennung von Staat und Kirche das Papier nicht wert ist, auf dem dies geschrieben steht, ist die Bundeskanzlerin voll des Lobes für diese Aktion, die im Grunde alleinige Angelegenheit der Kirche ist. „Ihr seid so viele, und das gibt euch Kraft“, sagte sie beim Empfang von Vertretern der Sternsinger in ihrem Amtssitz.

Nach vielen Elogen auf die Werte des Christentums erhielt dann das Bundeskanzleramt den Segen, der in Form eines Zettels daher kommt, auf dem geschrieben steht:
“Christus mansionem benedicat”. Das ist lateinisch und heißt übersetzt: „Christus segne dieses Haus“. Ob dieser Segensspruch die Bundesregierung beflügelt, werden wir wissen, wenn sich das neue Jahr wieder verabschiedet hat. Da der deutsche Staat die Kirchen weitreichend unterstützt, wird es wohl keine extra Spende gegeben haben. Zumindest ist nichts davon bekannt.

Auch, wenn es bestimmte Kreise nicht wahrhaben wollen, es gibt in der deutschen Bevölkerung eine große Anzahl von Menschen, die diese Segnungen gar nicht nötig, sie nie eingefordert haben. Ich zähle mich ebenfalls zum „heidnischen“ Teil der Gesellschaft und halte mit dieser Meinung nicht hinter den Berg. Auch spende ich kein Geld für so genannte Hilfsprojekte, die in vielen Fällen mit Missionierung einher gehen und aus hungrigen Menschen religiös abhängige machen, ohne dass ihr Hungern beendet ist.

Ich habe dieses Bekenntnis unter anderem an meinem Briefkasten deutlich gemacht.

Für jedermann sichtbar klebt ein Aufkleber an der Seite, der auf die religionsfreie Zone, die mein Haus ist, hinweist.

 Außerdem befinden sich auf diesem Briefkasten deutliche Hinweise, dass man mich mit unangeforderter Werbung verschonen möchte. Das funktioniert seit langer Zeit ohne Probleme.

Lediglich die drei „Königskinder“ konnte das nicht davon abhalten, mir sowohl den Segensspruch als auch das Programm der Kirchengemeinde in den Kasten zu werfen.

Nun könnte man sagen: „Das sind Kinder, die verstehen das noch nicht.“

Stimmt!

Doch wie immer wurden die „Singenden Bettler“ von einer erwachsenen Person begleitet und die hat mit Sicherheit die Hinweise lesen und verstehen können. Die Pflicht der Aufsichtshabenden wäre es gewesen, die Kinder aufzuklären, dass hier ein Bürger wohnt, der kein Christ ist und dessen andere Weltsicht man respektieren muss. Aber weit gefehlt. Die junge Frau handelte wohl nach der Prinzip: weil die Kirche (nicht Gott) will, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1 Tim2,4).

Mit anderen Worten, die Frau hatte die Absicht zu missionieren, denn anders kann man dieses Handeln nicht erklären. Eigentlich kein Wunder, denn Erzbischof Reinhard Marx erklärte jüngst in einer Predigt ganz unumwunden, dass es bitter nötig sei, diese „ach - so - verdorbene“ Gesellschaft durch den christlichen Glauben auf den rechten Weg zu bringen.

Obwohl es für den gesunden Menschenverstand unbegreiflich ist, dass derart augenfällige Symbole und Hinweise missachtet werden, hat die junge Frau anscheinend nur das umgesetzt, was die Herren der Kirche von der Kanzel predigen.

Mir ist kein Schaden entstanden, sieht man von der Entsorgung des unnötigen Papiers einmal ab. Ich wundere mich jedoch über die Intoleranz kirchlicher Mitarbeiter gegenüber Andersdenkenden. Ich stelle mir im Zusammenhang mit dieser kleinen Begebenheit an meiner Haustür vor, was passieren würde, wenn atheistische Vereinigungen Flugblätter vor den Kirchen verteilen oder antireligiöses Material auf Kirchenbänke legen würden. Ich denke, dass ich sogar die Folgen richtig voraussagen kann. Die Staatsmacht würde gerufen und es gäbe eine Untersuchung wegen Verletzung religiöser Gefühle oder ähnlicher Delikte.

Als meine Kinder noch klein waren und wir eine Kirche oder einen Dom besichtigten, sagte ich immer, dass sie sich leise verhalten sollen. Ihre Frage nach dem Warum, beantwortete ich mit dem Respekt vor den Leuten, die vielleicht zum Meditieren da sind.

Respekt vor den Andersdenkenden – so einfach kann das sein – könnte das sein!

Thomas Häntsch