„Zehn-Gebote-Hoffmann“

BERLIN (hpd) Aus Anlass des am 23. März bevorstehenden 150. Geburtstages des Freidenkers und Kultusministers Adolph Hoffmann

veranstaltete die Humanistische Akademie Berlin am letzten Samstag eine wissenschaftliche Tagung zum Thema „Los von der Kirche! Staat-Kirche-Trennung in Deutschland und humanistische Kulturbewegung“ mit anschließender „Adolph-Hoffmann-Bus-Tour“.

 

Die Tagung war hier angekündigt. Als Referenten konnten besonders diejenigen gewonnen werden, die in den letzten Jahren das „Kulturgeschichtliche Archiv“ des Humanistischen Verbandes, ein Projekt des HVD Berlin, eingerichtet haben.

 

Dr. Eckhard Müller sprach über „Adolph Hoffmann und die deutsche Sozialdemokratie“. Er stellte dessen Wirken in das politische Umfeld seiner Zeit und setzte es ins Verhältnis zu mit ihm handelnden Personen wie Konrad Haenisch, August Bebel, Wilhelm Hasenclever, Karl Liebknecht u.a. Dabei gelang eine, auch wegen der Darlegung neuerer Archivfunde, differenzierte Betrachtung einer vernachlässigten Seite deutscher Geschichte.

Schritt für Schritt, die Biographie Hoffmanns verfolgend, arbeitete sich Müller an die Bildung einer besonders 1918/19 politisch einflussreichen Person heran. Es wurde deutlich, wie sehr die Vernachlässigung der Forschung über die Geschichte der Freidenkerei generell und besonders die historische Fehldeutung der Person Hoffmann zu einem blinden Fleck in der deutschen Erbeaufarbeitung und der Traditionsbildung freigeistiger Verbände geführt hat.

 

Daran knüpfte Dr. Horst Groschopp an. Er hatte schon eingangs kurz die Biographie Hoffmanns gewürdigt. In seinem Referat ging es fast ausschließlich um die Vorgänge im Kultusministerium während der sechswöchigen Amtszeit von Hoffmann, die zur unvollständigen Trennung von Staat und Kirche sowie den entsprechenden Artikeln der Weimarer Reichsverfassung geführt haben: das Ende der Staatskirche, die Beendigung der Pflichtteilnahme am Religionsunterricht, die Gewissens-, Glaubens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, die Freiwilligkeit der religiösen Eidesformel, die Weltlichkeit des Schulwesens, Kostenfreiheit des Kirchenaustritts (heute oft zurückgenommen) – und besonders die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen (noch immer Verfassungsauftrag!).

Zu Letzterem gab es dann eine Diskussion über die Folgen daraus für die säkularen Verbände. Es gäbe hier zwei Haltungen, eine traditionelle, die immer wieder, oft anklagend fordert, die Trennung von Staat und Kirche zu vollenden und alle Staatsleistungen, auch die an Weltanschauungsgemeinschaften, einzustellen; und eine Haltung, die zunehme und die eine andere Position einnehme, die bisher nur vom HVD vertreten worden sei, nämlich die Regeln, die die Privilegierung der großen Kirchen in Konkordaten oder Staatsverträgen genössen, sinngemäß auch auf andere Weltanschauungsgemeinschaften anzuwenden und auf diesem Wege die verfassungsmäßig geforderte Gleichbehandlung umzusetzen.

Das laufe darauf hinaus, für eine stabile institutionelle Förderung der Träger eigenständiger weltanschaulicher Arbeit einen geeigneten Rechtsrahmen zu schaffen, und z.B. selbst den Status einer KdÖR anzustreben bzw., wo bereits vorhanden, diesen besser als bislang zu nutzen.

 

Michael Schmidt legte in seinem Referat „Adolph Hoffmann und die Trennung von Schule und Kirche in der Novemberrevolution“ vor allem zwei gut begründete Erkenntnisse seiner Forschungen dar.

Zum ersten betonte der Redner, dass die SPD in der Revolution und in der Verfassungsgebenden Versammlung wegen anderer Fragen (z.B. Versailler Vertrag), die für sie wichtiger wurden als Kulturfragen, mit dem Zentrum und anderen kirchenfreundlichen Kräften Bündnisse zu Lasten der Umsetzung des eigenen Parteiprogramms einging und sich auch noch verfahrenstechnisch auf eine Weise über den Tisch ziehen ließ, die das gesamte Thema in der Weimarer Republik belastete und prägte.

Zum zweiten sei Hoffmann sowohl in der SPD (unterstützt durch seine zeitweilige Mitgliedschaft in der KPD 1920/21) als auch in der Öffentlichkeit und hier besonders von seinen kirchlichen Gegnern als eine Art Kirchenfresser aufgebaut worden. Das habe sich bis heute kolportiert, obwohl Hoffmann eigentlich nur vorzuwerfen sei, in der praktischen Politik, nicht in dem, was er sonst noch dachte oder andere über ihn sagten, das damalige Programm seiner Partei in Gesetze umgesetzt zu haben, während andere, statt zu handeln, alle Hoffnung in die (für die SPD nicht so glücklich wie gehofft gelaufenen) Wahlen zur Nationalversammlung setzten.

 

Daniel Küchenmeister führte am Ende der Tagung in die dreistündige Busfahrt „Adolph Hoffmann – Orte in Berlin“ ein und kommentierte im Bus und an den einzelnen Stationen Zeichen des Wirkens von Hoffmann und dessen Ideen. An der ersten Station gab Anke Reuther, die Vorsitzende der Freireligiösen Gemeinde Berlin, einen Einblick in die Gemeindegeschichte, die eng mit dem Namen Hoffmann verbunden war, und in die Ausstellung „Kein Jenseits ist, kein Aufersteh’n“. Anschließend ging es über den freireligiösen Friedhof in der Pappelallee, heute ein Park, zur Volksbühne, dann nach Lichtenberg zur heutigen Max-Taut-Schule, die Ende der 1920er Jahre eine bedeutende weltliche Schule war, und von dort zum Grab Hoffmanns und Gedenkort weiterer (auch freidenkerischer) Personen der Arbeiterbewegung, auf dem Sozialistenfriedhof Friedrichsfelde.

 

Aus Anlass des 150. Geburtstages von Hoffmann sind einige kleinere Artikel erschienen wie der von Siegfried Heimann und Anke Reuther, im Anhang.

 

GG

Die Akademie versucht, die Materialien der Tagung, eingeschlossen die umfängliche Studie von Gernot Bandur „Adolph Hoffmann – Leben und Werk“ (Redaktion i. A. der Humanistischen Akademie: Dr. Eckhard Müller), und die Referate demnächst in Druckform herauszugeben.

Spenden, um den Druck als Broschüre zu finanzieren, können über folgende Bankverbindung  eingezahlt werden (Spendenbescheinigung auf Wunsch):

 

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