Konsequenzen des Ganzen
Folgerichtig plädierte der Referent für taxonomische Revisionen, ergo für die Familienzusammenführung und Gattungserweiterung: Statt Schimpansen und Bonobos als „Pan“ zu bezeichnen, sollten wir sie als Homini bezeichnen, sie also derselben Gattung zuordnen, in die wir uns selbst eingeordnet haben. Dabei handelt es sich nämlich um eine reine Frage der Konvention, über die wir uns verständigen müssen. Sommer sagte, dass sich die Einordnung aus wissenschaftlicher Sicht so entwickeln müsste, sein persönliches Ziel besteht darin, dies bis 2020 erreicht zu haben.
Eine andere Konsequenz der Nähe zwischen uns besteht darin, Menschenaffen bestimmte Rechte zuzugestehen, wie es auch die Philosophen Peter Singer und Paola Cavalieri fordern. Menschenaffen wären damit Personen mit einem Recht auf Leben und Heimat sowie einem Verbot der Folter (und von Experimenten). Daraus folgte die Erweiterung der Gemeinschaft unter Gleichen, es wäre ein historischer Moment.
Schließlich, darauf wies der Primatologe hin, haben Frauen erst seit rund einhundert Jahren das Wahlrecht in England und gar erst seit neunzehn Jahren im Schweizer Appenzell. Diese Rechte, wie auch jene von Homosexuellen, sind demnach verhandelbar.
Zur „Natur des Menschen“
Philosophen sollten sich mit den Erkenntnissen der modernen Primatologie auseinandersetzen und die Tier-Mensch-Dualismen hinterfragen. Grundsätzlich seien auch Menschenaffen Menschenrechte zuzusprechen und man muss von einem Bewusstsein ausgehen. Zweifelhaft dagegen seien bei Mensch wie Nicht-Mensch die Existenz eines „freien Willens“ oder einer „Seele“. Damit sollte die philosophische Richtung hin zu einem neuen Monismus sowie zum Evolutionären Humanismus gehen, in welchem wir den Doppelstandard für Tier und Mensch aufgeben, Gemeinsames und Anderes gleichermaßen würdigen, Wahrscheinlichkeiten schätzen und vermeintliche Wahrheit nicht suchen.
Entsprechend kategorisiert sich Volker Sommer selbst als: Hedonist, Monist, Menschenaffe, Gen-Vehikel, Poet, Pragmatiker und radikal sterblich – weil er im Wald war und Primaten beobachtete. Religion ist seiner Meinung nach ein Hirngespinst, das Menschen aber brauchen, weshalb er sich selbst als „atheistischer Homo religiosus“ bezeichnet, als „Atheist wider Willen, da es viel einfacher ist, an irgendeinen Unsinn zu glauben“.
Der überaus interessante, fundierte und lebendige Vortrag des sichtbaren Hedonisten (er trank während seiner Ausführungen ein Gläschen Rotwein) stieß beim Luxemburger Publikum im gut besetzten Auditorium (an einem Samstagabend, man staunte!) auf sehr positive Resonanz und regte (hoffentlich) zum Umdenken, wenigstens aber zum Nachdenken über die menschlichen Menschenaffen an.
Fiona Lorenz