Staatliche Unterstützung für „Orthodoxe Enzyklopädie“.
MOSKAU, 20. März. Der im März gewählte Präsident in spe Dmitri Medwedjew
hat versichert, dass der Staat weiter helfen werde, die vollständige Ausgabe der „Orthodoxen Enzyklopädie“ abzuschließen.
Auf einer gemeinsamen Sitzung von Herausgebern und Beratern des mehrbändigen Nachschlagewerks über das russisch-orthodoxe Christentum betonte Medwedjew, dass dieses Projekt eine große Bedeutung für die kulturelle und geistig-moralische Bildung habe und im heutigen Russland Werten wie Barmherzigkeit und Mitgefühl eine besondere Bedeutung zukomme. Wörtlich sagte er: „Die Sorge um den Menschen muss zur erstrangigen Aufgabe der ganzen Gesellschaft und natürlich solcher bedeutenden Institutionen wie der Kirche werden.“
Der russische Staat unterstütze diese Edition von Beginn an und spiele damit laut Medwedjew „eine absolut positive Rolle“. Derzeit wird der 16. Band der Enzyklopädie vorbereitet. (Russisch)
Kontrolle über das Fernsehen
MOSKAU, 19. März. Auf einer Sitzung der Vereinten Kommission zur nationalen Politik und zum Verhältnis zwischen Staat und religiösen Organisationen beim russischen Föderationsrat (Oberhaus des russischen Parlaments) wurde die Schaffung eines „Gesellschaftlichen Fernsehrats“ in Angriff genommen.
Sergej Mironow, Sprecher des Föderationsrats und einer der Autoren des Gesetzesprojekts, erklärte, dass das heutige Fernsehen den geistig-moralischen Erfordernissen der Gesellschaft nicht nachkomme. Der geplante Fernsehrat solle daher auf den Inhalt der Fernsehprogramme Einfluss nehmen und diese beraten, ohne die Funktion einer Zensurbehörde zu übernehmen. Das neue Gremium solle zunächst die Tätigkeit des Fernsehfunks analysieren, um dann die Interessen der Bevölkerung berücksichtigen zu können.
Laut Mironow soll sich der Gesellschaftliche Fernsehrat aus 25 Mitgliedern zusammensetzen, die sich um die Belange von Staat und Gesellschaft, insbesondere bei der Entwicklung der Freiheit von Medien und Kultur, verdient gemacht hätten. 12 Mitglieder sollen vom Präsidenten, den beiden Kammern des Parlaments, der Gesellschaftskammer und vom Menschenrechtsbeauftragten ernannt werden. Diese Nominierten wiederum würden dann weitere 13 Mitglieder aus Kandidaten auswählen, die von Künstlerverbänden und gesellschaftlichen Organisationen vorgeschlagen wurden.
Der stellvertretende Kulturminister Andrej Busygin sagte, dass seine Behörde mit Beschwerden von Bürgern über den Inhalt von Fernsehprogrammen geradezu überschwemmt werde; allein im letzten Jahr seien es 600.000 Eingaben gewesen. Seine Initiative zur Schaffung des Gesellschaftlichen Fernsehrats werde auch von Vertretern unterschiedlicher religiöser Konfessionen begrüßt. Unter anderem forderte Metropolit Kliment vom Moskauer Patriarchat der orthodoxen Kirche, dass der Rat Stellung zum Inhalt der Fernsehsender beziehen solle, wenn es um die Verlängerung von deren Sendelizenz gehe. (Russisch)
Protestanten fordern Schließung des TV-Senders 2x2
MOSKAU, 12. März. Die protestantischen Kirchen Russlands haben in einem Appell an Generalstaatsanwalt Juri Tschaika gefordert, dem Fernsehkanal „2x2“ die Sendelizenz wegen der Ausstrahlung von Trickfilmen zu entziehen, die sexuelle Abirrungen, Gewalt und eine unmoralische Lebensweise propagieren würden.
In dem Schreiben des Konsultativrates der Oberhäupter der protestantischen Kirchen heißt es unter anderem: „Rund um die Uhr wird in diesem Fernsehkanal mit Hilfe von Trickfilmen das Bewusstsein der Minderjährigen durch die Ideologie der Unzucht und anderer Laster sowie der Mitleidlosigkeit und der Gewalttätigkeit wie auch durch die Propaganda von Homosexualität, Religionshass und Intoleranz massiv beeinflusst.“
Die Verfasser des Dokuments fordern, das Zeigen einer Reihe von Trickfilmserien zu verbieten und der Redaktion des Fernsehsenders „Telekanal 2x2“ die Sendelizenz zu entziehen. Der TV-Sender hatte bereits zwei Trickfilmserien vom Sendeplan gestrichen, nachdem am 4. März eine Verwarnung von der Behörde für die Aufsicht über Massenkommunikation, Fernmeldewesen und Schutz des Kulturerbes (Rosswjasochrankultura) ergangen war. (Deutsch)
Menschenrechte in Russland: Justiz ist Hauptproblem
MOSKAU, 19. März. Wladimir Lukin, der von Präsident Putin eingesetzte Menschenrechtsbeauftragte Russlands, hat vor dem Föderationsrat Bericht über die Lage im Land erstattet. Laut Lukin hat sich das Bild im letzten Jahr sichtlich gewandelt, denn Polizei- und Justizwillkür stehen ganz oben. Während seine Dienststelle früher in der Mehrzahl mit Beschwerden über soziale und wirtschaftliche Rechtsverletzungen zu tun hatte, betraf nun fast jede zweite Beschwerde Menschenrechtsverletzungen, die bei polizeilichen Ermittlungen, während Prozessen oder im Strafvollzug geschehen.
Besonders besorgniserregend sind die Zustände in manchen Haftanstalten. Hier gebe es das Problem von Gewaltanwendung, „die manchmal an die Grenzen der Folter reicht“, sagte Lukin den Parlamentariern. Vor wenigen Wochen waren Videoaufnahmen bekanntgeworden, die vermutlich 2006 in einem Jekaterinburger Gefängnis gedreht wurden: Sie zeigten Angehörige einer Polizeieinheit, die in einem Gefängnishof mit Gummiknüppeln planmäßig auf zahlreiche Häftlinge einschlugen. Angeblich handelte es sich um eine „vorbeugende Maßnahme“.
Der Gefängnisdirektor wurde zwischenzeitlich entlassen, aber eine Aufklärung des Geschehens blieb bislang aus. In den vergangenen Monaten ist es in russischen Gefängnissen immer wieder zu Häftlingsrevolten gekommen.
Lukin prangerte auch die Zunahme von rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt in Russland an. Allerdings würden die Behörden diese Straftaten nun endlich deutlich ernster nehmen und gegen die rechten Tendenzen vorgehen. Seit Jahresbeginn sind in Russland bei solchen Gewaltakten nach unterschiedlichen Zählungen 26 bis 34 Menschen getötet worden. Etwa die Hälfte aller Vorfälle geschah in Moskau.
Ein weiteres ernsthaftes Problem sei, dass Gerichtsentscheidungen in Russland oft nicht umgesetzt werden, beklagte der Menschenrechtsbeauftragte: „An allen Ecken und Enden stößt man auf die empörende Situation, dass ein Mensch, der durch alle Instanzen gegangen ist, mit nichts als seiner nicht erfüllten Gerichtsentscheidung in der Tasche dasteht“, sagte Lukin vor dem Föderationsrat. (Deutsch)
Rechtsextremistische Verbrechen nehmen weiter zu
MOSKAU, 4. März. Seit Jahresbeginn sind bei 60 rassistisch motivierten Überfällen 38 Menschen getötet und 58 verletzt worden. Menschenrechtler sehen darin nur „die Spitze des Eisbergs“, weil viele Taten nicht bekanntwerden. Alexander Brod, Leiter des Moskauer Büros für Menschenrechte, sieht die wirkliche Zahl der Überfälle und Opfer als „drei- bis viermal so hoch“ an. Besonders auffällig sei der gewalttätige Rechtsextremismus in St. Petersburg und der Moskauer Region.
Das Problem sei inzwischen so groß geworden, dass es nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden kann wie bisher oft geschehen, so die Rechtsschützer. In Russland gebe es etwa 60.000 Skinheads. Ziele der Überfälle seien meist Menschen aus dem Kaukasus und Mittelasien sowie Vertreter sexueller Minderheiten und der Jugendsubkultur.
Die Täter seien fast ausschließlich Jugendliche aus Problemfamilien, die mit ihrer Aggression und ihrem Frust nicht fertig werden. Laut Brod fehle es in Russland an prophylaktischer systematischer Arbeit mit solchen jungen Menschen.
Erkannt habe man die tiefen Wurzeln des Fremdenhasses bisher nur in Moskau und St. Petersburg. Und auch da, so glauben die Menschenrechtler, beruhe der Kampf oft nur auf dem subjektiven Interesse einzelner Staatsanwälte oder Untersuchungsrichter. Positiv sei aber, dass dieses tiefe Problem endlich thematisiert werde. (Deutsch)
Russland regelt politisches Asyl
MOSKAU, 19. März. Die russische Einwanderungsbehörde hat ein Regelwerk für Asylanträge erarbeitet. Rechte Erfahrung damit hat man aber nicht. Russland habe bisher noch nie einem Flüchtling politisches Asyl gewährt, wie der Pressesprecher des Föderalen Migrationsdiensts (FMS) Konstantin Poltoranin mitteilte. Es habe nur einige Anträge gegeben, die aber abgelehnt worden seien. Details über die Antragsteller dürften nicht bekanntgegeben werden.
Das neue Regelwerk erkläre detailliert, wie Asylanträge auszusehen haben, bearbeitet werden und dass sie an niemand Geringeren als den russischen Präsidenten zu richten seien. Die Entscheidung, wer in Russland politisches Asyl bekomme, falle also letztlich im Kreml, nachdem das Außenministerium, der föderale Geheimdienst FSB und der FMS Stellung genommen haben. Die russische Asylregelung sehe allerdings vor, dass auch abgelehnte Asylbewerber mit dem Status eines Flüchtlings in Russland bleiben können.
Die prominentesten Flüchtlinge, die gegenwärtig ohne Asylantenstatus in Russland leben, sind die Ehefrau und der Sohn des in der Haft verstorbenen jugoslawischen Diktators Slobodan Milosevic. Mirjana Markovic und Marko Milosevic leben seit 2005 in Moskau. Ende Februar verlangte das serbische Justizministerium erneut deren Auslieferung nach Belgrad, da gegen sie Haftbefehl wegen mehrerer Verbrechen bestehe. Die russischen Behörden lehnten dies bisher immer als unbegründet ab. (Deutsch)
Lawrow: „Russland gehört zur islamischen Welt“
DAKAR, 14. März. „Russland ist auch ein Teil der islamischen Welt“, erklärte Russlands Außenminister Sergej Lawrow beim Gipfeltreffen der Organisation der Islamischen Konferenz in Senegal. Er rief zur Schaffung eines Religionsrats im Rahmen der UNO auf. Moskau werde der islamischen Welt ein treuer Verbündeter sein, wenn es um die Wahrung der Gleichberechtigung zwischen großen und kleinen Staaten gehe, sagte Lawrow. Unabhängig von seiner Zivilisationszugehörigkeit gelte für jedes Land der Schutz des internationalen Rechts.
„Eines der größten Probleme ist die Lage der Muslime in den europäischen Staaten und der Versuch einiger Politiker, eine Islamophobie zu entfachen“, sagte Lawrow. Russland als Vielvölkerstaat verstehe sich hingegen als integrierender Faktor. Lawrow bot den islamischen Ländern zudem in Konfliktfällen an, dass Russland eine Vermittlerrolle übernehmen könne. (Deutsch)
Oberhaupt der russischen Auslandskirche gestorben
NEW YORK, 17. März. Metropolit Lawr, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Auslandskirche, ist im Alter von 81 Jahren in den USA gestorben. Erst im letzten Mai hatte Lawr gemeinsam mit Patriarch Alexi II. in Moskau die geistliche Vereinigung der beiden russisch-orthodoxen Kirchen gefeiert (hpd berichtete). Lawr, mit bürgerlichen Namen Wassili Schkurla, war am 1. Januar 1928 in einer karpatenrussischen Familie in der heutigen Slowakei geboren worden. Er trat in ein dortiges orthodoxes Kloster ein, das 1946 nach Jordanville im US-Staat New York evakuiert wurde. Dort starb Lawr am Sonntag.
Der Moskauer Patriarch Alexi II. kondolierte in einem Telefongespräch dem Erzbischof von Berlin, Deutschland und Großbritannien, Mark, der in der Auslandskirche Stellvertreter von Lawr war. Er würdigte dabei die herausragende Rolle des verstorbenen Kirchenoberhaupts bei der Wiederherstellung der kanonischen Einheit in der russisch-orthodoxen Kirche nach ihrer 80 Jahre währenden Spaltung.
Die Auslandskirche war 1921 auf einem Konzil in Konstantinopel von ins Exil gegangenen russischen Geistlichen gegründet worden. 1927 hatte sie dann die Kontakte zum Patriarchat in Moskau abgebrochen, weil die dortige Kirchenführung zur Kooperation mit dem kommunistischen Regime aufrief. (Deutsch)
Weitere Sektierer erwarten Weltuntergang
PENSA, 15. März. Im mittelrussischen Gebiet Pensa, in dem seit November rund 30 Sektierer in einer Erdhöhle auf den Weltuntergang warten (hpd berichtete), hat sich ein Ehepaar aus ähnlichen Motiven in seinem Haus eingeschlossen. Die Eheleute Tatjana und Valeri Mirjukow haben fünf Säcke Mehl gekauft, die Fenster und Türen verriegelt und sich Ketten angelegt. Sie wollen die Zeit bis zum orthodoxen Osterfest am 27. April mit Gebeten verbringen, damit nicht „Feuer vom Himmel fährt“.
Ein direkter Zusammenhang mit den 30 in einer Erdhöhle verbarrikadierten Sektierer konnte bisher nicht festgestellt werden. Dagegen spricht die relativ große Entfernung zwischen den Orten, an dem sich die Fanatiker aufhalten. Auffallend ist jedoch das ähnliche Verhaltensmuster. (Deutsch)
Alexi II. – „Russe des Jahres“
MOSKAU, 6. März. Der Patriarch von Moskau und ganz Russland Alexi II. hat den Preis des Nationalen Programms „Russe des Jahres“ in der Kategorie „Geistliche Wiedergeburt Russlands“ bekommen. „Ihre Verdienste vor dem Volk und vor dem orthodoxen Glauben sind nicht zu überschätzen. Gestatten Sie mir, Ihnen für den aufopferungsvollen Dienst im Sinne der Wiedergeburt der geistigen Einheit des russischen Volkes im Namen aller orthodoxen Christen zu danken“, sagte Irina Gorbulina, Mitglied der Gesellschaftskammer Russlands, bei der Überreichung der Urkunde an den Patriarchen.
Das Nationale Programm „Russe des Jahres“ wurde 2004 ins Leben gerufen. Es soll objektive Informationen über berufliche und schöpferische Erfolge der Russen in verschiedenen Bereichen verbreiten. Das Programm wird durch die russische Regierung, die Staatsduma (Unterhaus des Parlaments) und den Föderationsrat (Oberhaus des Parlaments) unterstützt. (Deutsch)
Sondertreffen der „M4“ bei Moskauer Gay Pride 2008?
MOSKAU, 20. März. Dritter Anlauf eines „Gay Pride“ in der russischen Hauptstadt: Die Organisatoren der in den vergangenen zwei Jahren nicht genehmigten Demonstrationen sexueller Minderheiten wollen sich in diesem Jahr besondere Unterstützung ins Boot holen und haben die Bürgermeister von Paris, London und Berlin für Ende Mai zum geplanten dritten „Gay Pride“ nach Moskau eingeladen.
Bertrand Delanoe, Ken Livingstone, Klaus Wowereit und ihr Moskauer Kollege Juri Luschkow trafen sich in den vergangenen Jahren mehrmals zu den sogenannten „M4“-Gipfeln der vier größten Metropolen Europas. Bei diesen Begegnungen kam es wiederholt zu Unstimmigkeiten zwischen den westlichen Amtskollegen und Luschkow bezüglich seiner starren Haltung, schwul-lesbische Demonstrationen zu verbieten. So hatte selbst eine kleine Aktion wie die Übergabe einer Petition von schwul-lesbischen Aktivisten an den Moskauer Bürgermeister im vergangenen Jahr, bei der auch westeuropäische Politiker wie der deutsche Bundestagsabgeordnete Volker Beck zugegen waren, zu blutigen Auseinandersetzungen mit fanatisierten Gegendemonstranten geführt (hpd berichtete).
Die Organisatoren des Moskauer Gay Pride planen nun für den 30. und 31. Mai mehrere Veranstaltungen zur Durchsetzung ihrer bürgerlichen Rechte und des Schutzes der sexuellen Minderheiten, gegen die zunehmend „offiziell sanktionierte“ Homophobie durch Politiker wie Luschkow und aus Anlass des 15. Jahrestags der Streichung des Homosexuellen-Paragraphen aus dem russischen Strafgesetzbuch.
Mit ihrem Schreiben an die westeuropäischen Bürgermeister erhoffen sich die Gay-Pride-Aktivisten Unterstützung von prominenter Seite, um ihre verfassungsrechtlich garantierten Rechte durchsetzen zu können, die ihnen von den Moskauer Stadtbehörden bisher stets verweigert worden sind. (Russisch)
Tibor Vogelsang