Wie das Gesetz es befahl

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Kindergarten / Foto: Günter Havlena (pixelio)

ST. PÖLTEN. (fdb/hpd) Ein niederösterreichischer Vater wehrt sich dagegen, dass seine Tochter religiös erzogen werden soll. In einem öffentlichen Kindergarten musste die Kleine unter anderem an einem Erntedankfest in einer katholischen Kirche teilnehmen. Gegen seinen ausdrücklichen Willen. Übereinstimmend mit niederösterreichischem Recht.

Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG. Eine Bezeichnung, die nach Aktenstaub und Amtsschimmel riecht. Der Brisanz des Aktenstücks, das Ende des Vorjahres beim Verfassungsgerichtshof einging, wird das nicht gerecht. Es ist die erste Klage gegen die zwangsweise religiöse Erziehung in öffentlichen Kindergärten in Niederösterreich. Eingebracht hat sie die Anwältin von Karl R. (Name v. d. Red. Geändert). „Als konfessionsfreier Mensch aus Überzeugung ist es mir sehr wichtig – wie jedem anderen verantwortlichen Vater – dass meine Tochter grundsätzlich gemäß meiner Weltanschauung, und natürlich auch die meiner Partnerin, aufwächst“, schildert R. der freidenkerIn. „Dieses natürliche Recht gewährt mir allerdings auch der Gesetzgeber und zwar explizit im Rahmen des Bundesgesetzes betreffend der religiösen Kindererziehung.“ Ein Recht, das im seinem Fall bis an die Tür eines niederösterreichischen Landeskindergartens reicht.

Seither musste sie (R.s Tochter) im Rahmen der Kindergartenaktivität bereits an zumindest vier, aus-schließlich religiös geprägten Feiern samt Kirchenbesuch bzw. an den Vorbereitungen auf diese teilnehmen: an einem Erntedankfest in … samt Segnung der Körbe durch den Pfarrer, am Martinsfest (zur Ehrung des Bischofs Martin von Tours, *316/317; †397), das ebenfalls in der Dorfkirche unter Anwesenheit und Mitwirkung des Pfarrers stattgefunden hat, sowie gleich an zwei Festen zur Ehrung des Nikolaus (Bischof von Myra, *zwischen 270 und 286; †326, 345, 351 oder 365), eines in den Kindergartenräumlichkeiten und eines in der Dorfkirche, wieder unter Anwesenheit und Mitwirkung des Pfarrers, heißt es in der Klage am Verfassungsgerichtshof, die auf freidenkerbund.at zum Download bereit ist. Dem Erstantragsteller R. wurde seitens des Kindergartens mitgeteilt, dass man im Rahmen der religiösen Erziehung ausschließlich auf christliche Feste und Themen sowie auf Geschichten aus der Bibel Bezug nehme. Weiters wurde ihm erklärt, dass man auch keinen Anlass sehe, auf andere Religionen oder Weltanschauungen bzw. auf Religionskritik einzugehen, da in Niederösterreich ausschließlich die christliche Tradition vorherrsche.

Gesetzlich gedeckt. In Paragraf 3 des niederösterreichischen Landeskindergartengesetzes heißt es: Der Kindergarten hat durch das Kindergartenpersonal die Aufgabe, die Familienerziehung der Kinder zu unterstützen und zu ergänzen. Insbesondere ist die körperliche, seelische und geistige Entwicklung der Kinder durch Bildungsangebote, geeignete Spiele und durch die erzieherische Wirkung, welche die Gemeinschaft bietet, zu fördern, zu unterstützen, ein grundlegender Beitrag zu einer religiösen und ethischen Bildung zu leisten und die Erreichung der Schulfähigkeit zu unterstützen.

Dass Kreuze verpflichtend vorgeschrieben sind, versteht sich angesichts dieser rechtlichen Ausgangslage von selbst. „Ohne mich zu fragen wird auch meine Tochter auf jeden christlichen Feiertag im Rahmen der Kindergartenaktivität ergiebig vorbereitet und dann, ebenfalls im Rahmen der Kindergartenaktivität, gar in die Kirche geführt, ob Martinsfest, Nikolaus oder Erntedank – alles hochchristliche Feiern! Und das in einem öffentlichen, also nicht etwa privaten katholischen Kindergarten! Ich erlaube mir das Spieß umzudrehen und die Frage stellen: Wie würde sich ein überzeugter Katholik fühlen, wenn sein Kind bei der Kindergartenerziehung dazu gezwungen wird, in die Moschee zu gehen und an muslimischen Feiern teilzunehmen?“, beschreibt R. seine Situation.

Politisch hält man das für in Ordnung. „Das hat noch niemandem geschadet“, sagt die zuständige niederösterreichische Landesrätin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bis heute. In einer Pressekonferenz am 4. März meinte sie gegenüber Medien: „Kreuze sind Ausdruck unserer Werte und Tradition", Sie stünden für ein friedliches Miteinander und es sei wichtig, dass den Kindern derartige Werte vermittelt würden. Die gesamte gesellschaftliche Struktur und der Jahresverlauf im Abendland seien vom christlichen Gedankengut bestimmt. „Kein einziges Kind wird gezwungen, bei derartigen Festen mitzumachen", aber nur weil ein Kind atheistisch oder in einer anderen Religion erzogen werde, müsse es ja nicht von den Traditionen ausgeschlossen werden.“ Offenbar fällt es für Mikl-Leitner nicht unter Zwang, wenn eine Kindergartenpädagogin mit der ganzen Gruppe in die Kirche geht und das konfessionsfreie Kind mitgehen muss. „Seltsam für eine Partei, die immer sagt, sie sei für Wahlfreiheit in der Kindererziehung“, sagt Theo Maier, Vorsitzender des Freidenkerbundes. „Das Argument Wahlfreiheit gilt, wenn man damit Ganztagsschulen abdrehen kann, weil das die Eltern angeblich nicht wollen. Aber wenn die Eltern nicht wollen, dass die Kinder in die Kirche müssen, gilt es nicht mehr.“

umindest in einem Punkt scheint Mikl-Leitner Einsicht zu zeigen.

„Solange ich für die NÖ Kindergärten zuständig bin, wird es auch weiterhin Kreuze, christliche Feiern und die Vermittlung unserer abendländischen Traditionen geben“, hatte sie Ende 2009 als erste Reaktion auf die Klage angekündigt. So wie ihr Chef, Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP). Der ließ sich nach der erfolgreichen Klage einer Italienerin gegen Kreuze in italienischen Schulklassen via Krone-Schlagzeile als Retter des christlichen Abendlandes bleiben. „Die Kreuze bleiben“, verkündete er damals. Freidenker-Vorsitzender Theo Maier verglich diese Ankündigung damals mit dem Verhalten der Kärntner Landesregierung in Sachen zweisprachige Ortstafeln.

Heute klingt das anders. Sie werde sich „rechtskonform verhalten, wie auch immer die Entscheidung des VfGH aussehen wird“, sagt Mikl-Leitner gegenüber dem Standard. Wobei sie nicht ausschließt, dass sie den Instanzenweg über den Europäischen Gerichtshof gehen wird. Von einem Justament-Standpunkt ist keine Rede mehr. Und Pröll, sonst niemand, der sich mit markigen Sprüchen in der Öffentlichkeit zurückhält, ist auffallend schweigsam.

Überraschend in einer Causa, die so viel Symbolkraft hat wie diese. Auch oberösterreichische und steirische ÖVP-Politiker sprangen auf das Gerichtsverfahren auf und verkündeten, die Kreuze würden hängen bleiben. Der steirische Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenöfer verknüpfte die Kreuze in den Kindergärten gar mit dem Bau von Minaretten. Auf der anderen Seite verkündeten Österreichs atheistische und humanistische Organisationen, den Vater zu unterstützen. Für Heinz Oberhummer, Vorsitzenden des Zentralrats der Konfessionsfreien war das gar der erste Amtsakt in seiner neuen Funktion.

R. zeigt sich optimistisch, dass er mit der Klage Erfolg haben wird. „Ich hoffe, dass der VfGH die richtige Entscheidung treffen wird, und hier gibt es wenig Spielraum; der EGMR hat die Weichen gestellt.“ In Österreich sind solche Gesetze nicht nur menschenrechtswidrig sondern zunehmend nicht in Einklang mit dem „stattfindenden Wertewandel. Katholiken haben nun nicht einmal mehr eine 2/3 Mehrheit in diesem Land und auch in dieser Gruppe gibt es sehr viele „ ;Taufscheinchristen´.“ Sollte der VfGH der Klage nicht entsprechen, werde er „jedes zur Verfügung stehende rechtliche Mittel“ ausschöpfen, sagt R. „um mir das religiösen Diktat des Staates vom Leib zu halten.“

Wie lange das dauern kann, ist unklar. Sollte R. zum EMGR gehen müssen, wird seine Tochter vermutlich schon in die Unterstufe einer AHS oder eine Hauptschule gehen, bis über die strittigen Punkte des nö. Kindergartengesetzes entschieden ist. Sofern es bis dahin nicht schon flächendeckend die „Neue Mittelschule“ geben wird.

Zumindest in R.'s Heimatgemeinde hat es bislang keine Probleme gegeben. „Ich habe mich gegenüber dem Kindergarten nicht „geoutet“. Schließlich habe ich auch kein Problem mit den Kindergartenpädagoginnen und die machen ja auch nur das, was im Gesetz steht. Mein Problem ist das Gesetz selbst.“ Allerdings könne sich die Sache ändern. „Das ist eine emotionsgeladene Sache und in Österreich gibt es ja grundsätzlich ein Problem mit Leute, die „gegen den Strom schwimmen“. Und da kann man ja auch gewisse christliche Fingerabdrücke orten.“ Er hoffe nur, dass der Konflikt nicht über seine Tochter ausgetragen werde.

Unabhängig davon, wie die Sache ausgeht, zeigt sich R. eines Umstandes bewusst. „Einen Sieg werde ich auf jeden Fall verbuchen: meine Tochter wird lernen, dass man manchmal für seine Rechte auch kämpfen muss und irgendwann wird sie sich fragen, warum ich mir das alles angetan habe. Ich bin davon überzeugt, dass sie die richtigen Antworten finden wird.“

Viktor Englisch