FRIEDEN, MACHT, FREIHEIT - Kultur neu denken

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Podiumsrunde zu den Medien u.a. mit Birgit Klaubert, Michel Friedman, 1. u. 2. v.l. sowie Luc Jochimsen, re. (Foto: S.R.Krebs)

GOTHA. (hpd) Die LINKS-Fraktionen im Bundestag und im Thüringer Landtag hatten am 25. Juni zur bereits vierten Jahresveranstaltung ihrer 2006 begründeten Diskussionsreihe "Kultur neu denken" in das Schloss "Friedensstein" eingeladen. Heuer ging es um FRIEDEN, MACHT, FREIHEIT.

Der Veranstaltungsort Gotha war bewusst gewählt worden. Nach dem Schrecken des Dreißigjährigen Krieges ließ Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha das monumentale Barockschloss Friedensstein als Symbol für einen friedfertigen zivilen Staat errichten. Das damals geltende Regierungsmotto lautete: keine Beteiligung an Kriegen mehr, stattdessen Bildung, Kultur und gute Verwaltung. Die Fantasie eines Fürsten für den Frieden wurde für fast 250 Jahre Wirklichkeit in einem deutschen Kleinstaat. Aus dieser Fantasie erwuchsen eine allgemeine Schulpflicht für Jungen und für Mädchen sowie ein öffentliches Gesundheitswesen.

An diesen "Geist von Gotha", diese "Fantasien für den Frieden" wollten die LINKS-Fraktionen mit der diesjährigen Diskussionsveranstaltung nicht bloß erinnern, sondern vielmehr zu Fantasien für den Frieden heute und weltweit anregen. Der Herzog habe damals bewiesen, dass humanistische Fantasien durchaus Realität werden könnten. Von ihm könne man durchaus lernen, wie man z. B. in Afghanistan zu Frieden und Aufbau kommen könnte.

Der Einladung der Moderatorinnen dieser Diskussionsreihe, den Kulturpolitischen Sprecherinnen beider Fraktionen, Luc Jochimsen und Birgit Klaubert, leisteten auch in diesem Jahr namhafte Gäste Folge. Mit insgesamt sechs Podiumsrunden war das Programm zwar etwas überfrachtet, dennoch ließ die Aufmerksamkeit der mehr als 140 Besucher bis zum Schluss nicht nach.

Allerdings begann die erste Runde nicht gerade ermutigend. Hier ging es um die Frage "Was müssen die Religionen leisten?". Diskutanten waren Rabbiner Prof. Walter Homolka (Rektor des Abraham Geiger Institutes), Regionalbischof Siegfried Kasparick (Evangelische Kirche Mitteldeutschlands), Ordinariatsrat Winfried Weinrich (kath. Bistum Erfurt) sowie Aiman Mazyeck (Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland).

Alle Herren ließen sich sehr salbungsvoll über den friedensstiftenden Charakter der monotheistischen Religionen aus. Auch wenn sie die Säkularisierung in Deutschland als gelungen bezeichneten, so forderten sie dennoch unisono ein Mehr an Religiosität. Denn nur mit Religion würden Staat und Gesellschaft friedfertiger... Das verband der evangelische Bischof noch mit Angriffen auf die Giordano-Bruno-Stiftung.

An dieser Stelle platzte einem Manne im Publikum der Kragen. Michel Friedman, Anwalt und Journalist, einst auch Vizepräsident des Zentralrates der Juden, brachte mit seinen Zwischenrufen die Herren auf dem Podium aus dem Konzept: "Warum wird hier geheuchelt?" - "Es gibt in Deutschland keine wirkliche Trennung von Staat und Kirche!" - "Schafft endlich den staatlichen Kirchensteuereinzug sowie das Konkordat ab!" - "Es gibt in Deutschland keine wirkliche Gleichberechtigung für andere Religionen und Weltanschauungen."

Friedman machte sich auf diese Weise ungewollt und unbewusst zum Wortführer der ebenfalls im Publikum sitzenden Mitglieder von HVD, GBS und DFV. Diese bemängelten in Pausengesprächen, dass bei den LINKEN säkulare Weltanschauungen, die Konfessionsfreien einfach nicht vorkommen würden. Nicht nur, weil Konfessionsfreie mehr als 70 Prozent der Thüringer Bürger ausmachten. Nein, denn zum Geist von Gotha würde auch die freigeistige Tradition gehören: So sei hier 1859 der Bund freireligiöser Gemeinden gegründet worden, hier hätten auch bedeutende Persönlichkeiten des bürgerlichen Deutschen Freidenkerbundes gewirkt. Und in den 1920er Jahren sei Gotha eines der Zentren des proletarischen Deutschen Freidenkerverbandes gewesen.

Weitere Podiumsrunden gingen diesen Fragen nach: "Was muss das Recht garantieren?" - "Was müssen die Medien vermitteln?" (Hier gehörte Friedman selbst du den Diskutanten.) - "Was müssen die Künste aufzeigen?" (Hier plädierte der Intendant des Senftenberger Theaters, Sewan Latchinian, dass das Theater sich gegen den "kriegerischen" Mainstream stellen müsse und Aufklärung zu leisten habe.)

Bemerkenswert gestaltete sich die Podiumsrunde "Was müssen die Wissenschaften klären?" Da bemängelte, auch mit Seitenhieb auf einige LINKE-Politiker, zunächst Rüdiger Schmidt-Grépály (Direktor des Nietzsche Kollegs innerhalb der Klassik Stiftung Weimar), dass man sich eigentlich immer nur mit dem "Überbau" beschäftigen würde. Zu den Hauptursachen von sozialen Konflikten, von Krieg und Bürgerkrieg würde aber die Spaltung von Gesellschaften in Klassen gehören. Und wir würden trotz aller schönen Worte immer noch im Kapitalismus leben. "Und Kapitalismus ist NICHT friedensfähig!", so der Nietzsche-Forscher wörtlich.

Sein Mitdiskutant Peter Strutynski von der Uni Kassel erinnerte daran, dass zum Geist von Gotha nicht nur die einstigen Herzöge gehören würden. Zu Gotha gehöre untrennbar auch der 1875er Vereinigungsparteitag der damals noch revolutionären deutschen Sozialdemokraten. Im Punkt 2 des damaligen Parteiprogramms habe als Forderung gestanden, dass die Entscheidung über Krieg und Frieden ausschließlich beim Volk zu liegen habe und nicht bei Monarchen und deren Regierungen.

Erste Schlussfolgerungen "Was bedeutet das für die Politik?" zog in der abschließenden Podiumsrunde u. a. Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag.

SRK