Ein Gottkönig hat Geburtstag

Beispielbild
Grafik: Stefan Klinkigt            Alles spezifisch Weibliche ist verdächtig

Alles spezifisch Weibliche war dem Buddhismus von Anbeginn verdächtig - Menstruation, weibliche Sexualität, Empfängnis, Schwangerschaft, Gebärakt -, selbst das Lächeln einer Frau wusste die buddhistische Lehre zu dämonisieren. Buddha selbst werden abgründig frauenverachtende Sentenzen zugeschrieben: einer Gruppe junger Frauen soll er entgegengeschleudert haben, ihr Körper - vermutlich wieder einmal die Vagina - sei ein "Sumpf aus Unrat, ein krankmachender Haufen von Fäkaldreck. Wie soll man sich an solchen wandelnden Latrinen erfreuen?"

Dennoch sei, wie Milarepa und seine Nachfolger betonen, eine sexuelle Beziehung zu einer Frau für den männlichen Adepten - und nur um den geht es - absolut unverzichtbar. Zugleich mit der radikalen Abwertung des Weiblichen wird dieses in idealisierter und überhöhter Form vorgestellt, so dass es für die religiöse Praxis der Männer nutzbar gemacht werden kann. Der tibetische Mönchsnachwuchs entwickelt notwendigerweise ein heillos verzerrtes Frauenbild. Ohne je mit einer realen Frau Kontakt zu haben, erfahren die Jungmönche in den auswendig zu lernenden Lehrtexten und in den Unterweisungen ihrer Lamas diese zugleich als größtes und abstoßendstes Hindernis wie auch als unabdingbare Notwendigkeit auf dem Wege zur Erleuchtung.

Nur über rituellen Sexualkontakt zu Frauen lasse sich die zur Erlangung der Buddhaschaft erforderliche „weibliche Energie“ – gewähnt in Menstruationsblut und vaginalen Lubrikationssekreten – aneignen. In der Gelbmützensekte des Dalai Lama wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob dieser Sexualkontakt nun nur „visualisiert“, also in meditativer Versenkung bildlich vorgestellt werden müsse, oder ob dazu, wie in den anderen Sekten des tibetischen Buddhismus, tatsächlich eigens rekrutierte „Sexgefährtinnen“ heranzuziehen seien. Der Dalai Lama lässt es offen, welcher Gruppe er selbst zugehört. Entscheidend, wie er sagt, sei es, sich vor dem Fehler des Samenergusses zu hüten. Dann ist das Ganze „in Wahrheit kein Sex, auch wenn es so aussieht". Das Zölibatsgelübde der Gelbmützen jedenfalls bleibe gewahrt.

Teufel, Monster, Dämonen, Totengeister und Höllen

Wesentlichen Anteil an der bis heute auffälligen mentalen Retardierung des tibetischen „Gottkönigs“ – er ist nicht nur überzeugt von Karma und Wiedergeburt, auch glaubt er unbeirrbar an Astrologie, Hellseherei, Psychokinese und jedweden sonstigen Esoterikunsinn, einschließlich der Fähigkeit tibetischer Mönche, frei durch die Luft zu fliegen - hatte die hirnvernebelnde Indoktrination mit all den Okkultismen und Wahnvorstellungen, den blutrünstigen Teufeln, Monstern und Dämonen, von denen der tibetische Buddhismus wie kein anderes Religionssystem durchzogen ist. Allein sechzehn Höllen warteten auf den, der die Gebote der Lamas missachtet. In einer davon werde man „mit einem brennenden, spitzen Pfahl vom Anus her durchstoßen, bis dieser wieder am Scheitel austritt". In einer anderen falle man in einen "wie ein Leichnam stinkenden Sumpf" aus Exkrementen, um bis zum Hals darin zu versinken; zugleich werde man "von den scharfen Schnäbeln der in diesem Sumpf lebenden Insekten bis aufs Mark zerfressen und zerpickt". Die Qualen seien indes keineswegs beendet, wenn Haut und Fleisch verbrannt, zerschlagen, zerschnitten oder von Insekten aufgefressen seien, vielmehr wachse alles wieder nach, und die Tortur vollziehe sich aufs neue. Ein Leben in einer der Höllen währe das „Zwanzigfache der Zeit, die man benötigt, um einen großen Speicher voll mit achtzig Viertelzentnern Sesam zu leeren, indem man alle hundert Jahre ein Sesamkorn daraus entnimmt". Bis heute erklärt der Dalai Lama unmissverständlich - und wie immer mit infantil-kicherndem Unterton -, dass die in den buddhistischen Texten mit sadistischem Detailreichtum beschriebenen Orte der Qual keineswegs metaphorisch zu verstehen seien, sondern dass „die verschiedenen Höllen wirklich existieren“. Er selbst wurde umfänglich in der Beschwörung von Teufeln, Dämonen und Totengeistern unterwiesen.

Tod im Jahre 2048 - Wiedergeburt bereits beschlossene Sache

Selbstredend kann der große Meister aller Geheimwissenschaft auch in die Zukunft blicken. Seinen Traumgesichten zufolge werde er im Alter von einhundertdreizehn Jahren, also im Jahre 2048, von der weltlichen Bühne abtreten. Indes sei auch seine Wiedergeburt bereits beschlossene Sache. Er werde definitiv als 15. Dalai Lama wiederkehren, ob nun in traditioneller Manier, sprich: reinkarniert als Kind einer tibetischen Familie, oder in modernisierter Form, das heißt: unmittelbar nach seinem Tode remanifestiert in einem hochrangigen Mönch seines engsten Umfeldes, der nach „vatikanischem Modell“ aus diesem Umfeld heraus „gewählt“ bzw. „erkannt“ werden könnte, stehe allerdings noch nicht fest. In letzterer Option, so die Überlegung, ließe sich das zwanzigjährige Interregnum bis zur Machtübernahme einer als Kleinkind entdeckten Wiedergeburt umgehen, was die Hoffnung der Chinesen durchkreuze, mit seinem Tod gebe es über längere Zeit hinweg keinen amtierenden Dalai Lama mehr.

Egal indes, ob er nun sofort wiederkehrt oder erst später: in jedem Falle werde er in vierhundert Jahren bereitstehen: dann nämlich sei die "große Schlacht von Shambhala" angesagt, der totale Krieg um die buddhokratische Weltherrschaft - vielleicht sogar auf anderen Planeten und unter Beteiligung außerirdischer Mächte -, und er, er werde als oberster Feldherr dabeisein.

Irgendwie kann er einem auch Leid tun, der ältere Herr in seiner roten Kutte: ein Leben nach dem anderen gefangen in der paranoid-surrealen Wahnwelt eines tibetischen Gottkönigs.


Erstveröffentlichung in:
DIE GAZETTE Nr 26 / Sommer 2010