Nach der Entscheidung von Leipzig

"Den Bürgern dieser Stadt verpflichtet – nicht irgendeiner Kirche!"

Eine Steilvorlage gegen die Bezuschussung des Katholikentages lieferte unverhofft die CDU-Fraktionsvorsitzende Ursula Grimm, als sie beklagte, dass bei anderen Veranstaltungen solche Debatten nicht geführt würden. “Geht es jedoch um kirchliche Angelegenheiten, da kocht scheinbar die Volksseele!” Unbewusst wies sie damit auf das Potential von Religionen jeder Art hin, eine Gesellschaft eher in Gruppen zu spalten als sie zu verbinden. Künstlerische Werke und Darbietungen hingegen haben dies allein nie vermocht – hierzu bedurfte es immer einer dienenden Religion bzw. Weltanschauung (man denke nur an die Mohammed-Karikaturen). Um den Religionsfrieden nicht zu stören, sollte der Staat daher gar keine Religion finanziell unterstützen. Auch dieses Argument blieb jedoch leider unerwähnt.

Mehrmals wurde den Kritikern der öffentlichen Bezuschussung in den Redebeiträgen Scheinheiligkeit attestiert, da die Ablehnung des Katholizismus mit dem Gerangel um den finanziellen Nutzen des Katholikentages verknüpft werde. Die Aktivisten vom “11. Gebot” entgegnen dem, dass der Staat sich gerade weltanschaulich neutral verhalten müsse und Leipzig daher eine Geldzahlung gar nicht von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Christentum abhängig machen darf. Genau deshalb habe man insbesondere im zweiten öffentlichen Brief und auch in der Pressemitteilung vom 16.09.2014 weitgehend ideologiefreie Argumente angeführt. Es sollte gezeigt werden, dass sich nicht nur “erbitterte Kirchenfeinde” gegen die Subventionierung aussprechen, sondern dass auch viele objektive Argumente vorliegen.

Es fällt schwer, den Spitzenreiter auf der (nach oben scheinbar offenen) Skala des unzutreffendsten Arguments auszumachen. Ein heißer Kandidat hierfür wäre jedoch Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender der SPD. Seine Einstellung, den Katholikentag, wie auch einen evangelischen Kirchentag zu unterstützen, begründete er wie folgt: “Keine andere gesellschaftliche Kraft – und die hier im Rat vertretenen Parteien schon gar nicht –, ist aktuell in der Lage, in solch gebündelter Form, Breite und thematischer Vielfalt die uns alle drängenden Fragen des Zusammenlebens der Menschen in Deutschland und darüber hinaus streitbar zu diskutieren.” Dies ist nicht weniger als eine Bankrotterklärung gegenüber der pluralistischen und demokratischen Republik!

Axel Dyck bringt damit zum Ausdruck, dass gesellschaftliche Debatten ohne kirchliche Leitung demnach nicht funktionieren würden und Diskussionen in den Parlamenten nicht die notwendige Qualität hätten.

Während der fehlende Tiefgang parlamentarischer Debatten gerade an der Diskussion über die Bezuschussung des Katholikentages noch nachvollzogen werden kann – muss doch dringend davor gewarnt werden, die Kirche als vermeintliche moralische Instanz vom Bock zum Gärtner zu machen: Die Kirche ist selbst Ziel breitgefächerter Kritik. Warum sollten die Steuerzahler gerade bei den “drängenden Fragen des Zusammenlebens der Menschen” eine Partei des Konflikts zum Moderator bestimmen? Warum sollten sie einen Blankoscheck erteilen und ohne Kontroll- und Sanktionsmöglichkeit auf einen fairen Dialog vertrauen? Warum sollten die wissenschaftlichen Institutionen solche Debatten nicht viel besser führen können – war es doch gerade die Wissenschaften, die unserer Gesellschaft in den letzten Jahrhunderten den Schub nach vorn gegeben haben?

Als nicht weniger zynisch kann es bezeichnet werden, dass die SPD wenige Stunden vor der Abstimmung den Änderungsantrag einbrachte, dass nach Ende des 100. Katholikentages dem Stadtrat eine Aufstellung der direkt an die Stadt (inklusive der städtischen Unternehmen) zurückgeflossenen Mittel vorgelegt werde.

Hier muss gefragt werden, weshalb die Stadt überhaupt erst Geld an die Veranstalter auszahlen soll, um es später wieder abzurechnen. Weshalb gewährt die Stadt – wenn überhaupt – nicht erst die Sachleistung und gewährt dann den Veranstaltern eine großzügige Zahlungsfrist?

Eine Stadt ohne Barreserven kann es sich nicht leisten, Geld zu verteilen und damit anderen einen Kredit zu verschaffen. Auch dies ist ein vollkommen ideologiefreies Argument, dass die Stadträte schon allein aufgrund des kommunalrechtlichen Sparsamkeitsgebots hätten berücksichtigen müssen, doch man machte sich gar nicht Mühe, die geltenden Bestimmungen zur Vergabe von Fördermitteln für Kultur- bzw. Sportveranstaltungen einmal zu Rate zu ziehen.

Nur weil mehr Teilnehmer als sonst erwartet werden, tut man nun so als wären die existierenden Regelungen nicht anwendbar und die FDP geriert sich als weiser Vermittler, indem sie vorschlägt, für die Zukunft eine Richtlinie über die Förderung von Großveranstaltungen zu erarbeiten. Solange ein solcher Kriterienkatalog nicht existiert, hätte man sich wenigstens an den bestehenden Richtlinien orientieren können. Stattdessen tauschte die FDP ihre Zustimmung gegen das Versprechen ein, eine solche Richtlinie für die Zukunft zu erarbeiten. Die Bürger Leipzigs können also beruhigt sein: In Zukunft wird die Missachtung der Verfassung wenigstens durch eine städtische Richtlinie “gedeckt” sein.

Das Abstimmungsverhalten der FDP kann somit nur enttäuschen: Eine liberale Partei, die den Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche nicht beherzigt, verdient dieses Attribut nicht. Während der Landesverband der FDP beschlossen hatte, die Staatsleistungen an die christlichen Kirchen sowie weitere Privilegien zu beenden, verkommt die FDP im Leipziger Stadtrat zum Fähnchen im Wind: Ursprünglich tendierte die Fraktion genauso zu einem “nein”, wie ihre FDP-Kollegen im Stadtrat von Münster. Die sprachen sich deutlich gegen die Bezuschussung des für 2018 in Münster geplanten Katholikentages aus.

Die Erwiderung der Leipziger FDP, man sei nicht das “Stimmvieh des Oberbürgermeisters”, wirkt angesichts ihres lauen Kampfes für klassische liberale Werte wie der Freiheit von Religion wenig überzeugend. Es bleibt zu hoffen, dass die FDP in Münster mehr Standhaftigkeit beweist. Die Aktiven vom 11. Gebot werden sie jedenfalls wieder gemeinsam mit “Moses” unterstützen.