Streit um Zuschüsse für den Kirchentag

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MÜNSTER. (hpd) Vergangenen Montag lud die SPD-Ratsfraktion in Münster zum Bürgerdialog um über die beantrage Förderung der Stadt i.H.v. 1,5 Mio. Euro zu diskutieren. Als Referenten geladen waren Dr. Stefan Vesper, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Daniela Wakonigg, Aktive beim 11. Gebot und Regionalbeauftragte für das Münsterland des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA).

Bereits in seiner Eröffnung versuchte Vesper, das ZdK als unabhängige Organisation der katholischen Laien darzustellen, die nicht gleichzusetzen sei mit der katholischen Kirche. Unerwähnt ließ er jedoch, dass das ZdK nach eigenen Angaben zu 83,7 Prozent vom Verband der Diözesen Deutschlands bezahlt wird. Dieser ist der Rechtsträger der Deutschen Bischofskonferenz, sprich: der deutschen katholischen Kirche. Darüber hinaus führte Wakonigg in ihrer Erwiderung aus, dass “Laienkatholizismus” sich “so schön nach Basisdemokratie und Klampfe am Lagerfeuer anhöre”. Doch in Wirklichkeit kann die katholische Oma von nebenan eben nicht einfach Mitglied werden beim ZdK und einen Politikwechsel innerhalb der Kirche herbeiführen. Stattdessen besteht das ZdK aus gerade einmal rund 230 Mitgliedern. “Kirchenfunktionäre wählen Kirchenfunktionäre – wie unabhängig kann eine solche Institution sein?” so Wakonigg.

Vesper versuchte damit zu kontern, dass fast 90 Prozent der Arbeit beim Katholikentag von Ehrenamtlichen geleistet werde und man in ganz Deutschland Spenden zur Durchführung des ZdK sammle. Doch dies vermag kaum zu überzeugen, da auch bei vielen anderen Kultur- und Sportveranstaltungen hauptsächlich Ehrenamtliche wirken, ohne dass diese eine entsprechende Millionenförderung erhielten. Der Lobbyist “im Dienste des Herrn” erinnerte die SPD daran, dass christliches Engagement auch für die SPD konstitutiv sei. Man fragt sich, was August Bebel hierzu gesagt hätte. Als einer der Begründer der deutschen Sozialdemokratie sagte dieser einst: “Die Religion der Liebe, die christliche, ist seit mehr als achtzehn Jahrhunderten gegen alle Andersdenkenden eine Religion des Hasses, der Verfolgung, der Unterdrückung gewesen. Keine Religion der Welt hat der Menschheit mehr Blut und Tränen gekostet als die christliche, keine hat mehr zu Verbrechen der scheußlichsten Art Veranlassung gegeben; und wenn es sich um Krieg und Massenmord handelt, sind die Priester aller christlichen Konfessionen noch heute bereit, ihren Segen zu geben, und hebt die Priesterschaft der einen Nation gegen die feindlich ihr gegenüberstehende Nation flehend die Hände um Vernichtung des Gegners zu einem und demselben Gott, dem Gott der Liebe, empor.”

Die Westfälischen Nachrichten urteilten über die Debatte: “Eines dürfte Michael Jung [Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion] – unbeschadet aller Argumente Pro und Contra – sicherlich mitgenommen haben: Es ist unmöglich, über den Zuschuss eine emotionsfreie Debatte zu führen. Dafür sind die Stichworte Kirche und Geld zu emotionsbeladen.” Einen erheblichen Anteil hieran hatte der Generalsekretär des ZdK, indem er immer wieder versuchte die Diskussion weg zu führen vom eigentlichen Thema des Abends: der Finanzierung dieser Missionierungsfeiern durch den Staat.

Diskussion in Münster

Während eine kirchentreue Debattenteilnehmerin sich wünschte, dass es in der Diskussion “nicht nur um Geld” ging, verlangte eine andere zu Recht, dass endlich über die “formelle Legitimation des Förderantrags” gesprochen werde. Immerhin leiste der Verband der deutschen Kinderärzte auch einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft und beantrage dennoch keine Fördermittel bei der Stadt. Ein weiterer Bürger empörte sich, was es für ein Unsinn sei, überhaupt über die Subventionierung zu sprechen, wenn das Bistum bis heute noch nicht zu erkennen gegeben habe, wie viel es selbst zur Finanzierung des Katholikentags beitragen wollen.

Vesper hingegen hob er hervor, dass es sich bei den Katholikentagen um “große diskursive Ereignisse” handle und dass unsere Gesellschaft Werte benötige. Dies zeige insbesondere die Diskussion zur Sterbehilfe. Letzteres war jedoch eine willkommene Einladung zur Kritik: Anders als Sportereignisse (mit denen die Kirche immer wieder gleichbehandelt werden möchte) sind Religionen nicht ergebnisoffen. Wenn sich eine Mehrheit der Katholikentagsteilnehmer für die rechtliche Zulässigkeit der Sterbehilfe aussprechen würde (wie es Umfragen bestätigen), würde dies keinesfalls zu einer Richtungsänderung bei der katholischen Kirche führen.

Schon der Theologe Hans Küng lehnte seine Einladung durch das ZdK zur “Konzilsgala” am Katholikentag 2012 in Mannheim mit den folgenden Worten ab: “Reden dürfen die Teilnehmer über (fast) alles, entscheiden aber nichts. Das Kirchenvolk soll beruhigt statt ernstgenommen, die Reformverweigerung in Mannheim mit Aufbruchsgerede überspielt werden.”

Ein weiteres Eigentor schoss Vesper, als er darauf hinwies, dass der Katholikentag das letzte Mal 1930 in Münster gewesen sei und auch aus diesem Anlass damals der Hauptbahnhof umfangreich modernisiert worden sei. “Und wer hat’s bezahlt? Der Staat!” schallte es ihm gleich mehrfach aus dem Publikum entgegen.

Anschließend nutzte Daniela Wakonigg die Gelegenheit, um statt emotionaler Appelle einen nüchternen Blick auf die Zahlen zu werfen: Die Stadt Münster sitzt auf einem Schuldenberg von knapp 800 Mio. Euro und muss Flutschäden i.H.v. rund 30 Mio. Euro kompensieren. Ein ausgeglichener Haushalt wird erst wieder für 2020 erwartet. Das Bistum hingegen besitzt 410 Mio. Euro an Rücklagen und erhielt allein im letzten Jahr 7 Mio. Euro mehr an Kirchensteuereinnahmen. Hiervon hätte das Bistum leicht Rücklagen bilden können. Münster habe erst vor kurzem die Zuschüsse für das Tierheim i.H.v. 300.000 Euro gestrichen, da dies zu teuer gewesen sei. Von den nun beantragten 1,5 Mio. Euro für den Katholikentag könnte das Tierheim mithin 5 Jahre (statt 5 Tagen) unterhalten werden.

Diskussion in Münster

Die ehemalige Ratsfrau Beanka Ganser warnte “als Sozialdemokratin und Protestantin” vor einer “Klein-Klein-Debatte”. Wer einen städtischen Zuschuss für eine so wichtige Veranstaltung wie den Katholikentag ablehne, “der kann auch gleich die Skulpturen-Ausstellung 2017 in Frage stellen”. Damit offenbarte sie, wie wenig die Kosten-Nutzenbilanz kirchlicher Glaubenspartys hinterfragt wird: Das Gemeinschaftsprojekt “Skulptur.Projekte Münster 07” besuchten 575.000 Menschen. Mit einer Förderquote von rund 10,78 Euro/Besucher war dieses Projekt nur etwa halb so teuer wie der Katholikentag, zog aber 7 mal so viele Gäste an.

Notburga Heveling, die sich zunächst nur als Katholikin vorstellte, aber von Wakonigg als Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster und ZdK-Mitglied entlarvt wurde, gab ihre Begründung für die Berechtigung der Subventionen: “Ich wäre als Katholikin total enttäuscht und ich würde mich wirklich fragen: Warum soll ich dieser Stadt was geben [ihr ehrenamtliches Engagement in der Kirche]? Ich würde das geben, weil ich es den Menschen gebe und nicht der Stadt als Stadt.” Man fragt sich dabei: Wenn sie sich wirklich um der Menschen Willen engagiert – warum will sie dann von der hochverschuldeten Stadt 1,5 Mio. Euro für ihre private Glaubensfeier erpressen?

Zum Abschluss betonte der Fraktionsvorsitzende, dass die SPD sich noch nicht entschieden habe und man sich die Entscheidung nicht einfach machen werde. Insbesondere warte man immer noch auf die Erklärung des Bistums, welchen Eigenbeitrag man leisten werde.

Diskussion in Münster