Österreich

Phrasen, Pleiten, Populismus

Die Willkür der österreichischen Religionsgesetzgebung

Ein alevitischer Priester muss nach den Buchstaben des Gesetzes ein österreichischer Staatsbürger sein, der mindestens Matura hat. Ein (sunnitischer) Imam muss weder noch erfüllen. Ein schiitischer Mullah braucht aktuell weder Staatsbürgerschaft noch Matura, aber möglicherweise bald – wenn die Schiiten von einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft geworden sind.

Katholische Pfarrer sollten nach Möglichkeit zumindest eine Zeit lang Theologie studiert haben, verlangt die Republik von der Kirche. Wahrscheinlich müssen sie auch österreichische Staatsbürger sein. Die entsprechende Passage im Konkordat ist wegen veränderter historischer Umstände nicht eindeutig. Die Regelungen gelten nur für Pfarrer, nicht für Pfarradministratoren und andere katholische Priester. Bei evangelischen Pfarrern ist’s der Republik egal, woher sie kommen und was sie können. Bei Rabbinern auch. Bei Buddhisten nicht.

Wenn ein Laie das Ornat eines katholischen oder evangelischen Pfarrers trägt, wird er genauso hart bestraft, als ob er unbefugterweise in einer Uniform des Bundesheeres herumstolziert wäre. Als buddhistischer Mönch darf sich jeder verkleiden.

Willkür, gemildert durch Schlamperei

Wirklich kümmern tut sich um die Vorschriften ohnehin keiner. Das macht sie nicht weniger absurd. Ein legislatives Chaos wird nicht besser, wenn es egal ist, ob schikanöse Bestimmungen wie die verpflichtende Staatsbürgerschaft für Kleriker eingehalten werden. Willkür gemildert durch Schlamperei, das hat in einem demokratischen und liberalen Rechtsstaat nichts verloren.

Es existieren Religionsrechtsvorschriften nebeneinander, von denen einige nur so vom Untertanengeist vergangener Jahrhunderte strotzen und andere signalisieren, dass es auch in Österreich so etwas wie Demokratie und Rechtsstaat gibt.

Als da wären: Das Anerkennungsgesetz, das Islamgesetz, das Konkordat von 1933, das Kirchenbeitragsgesetz von 1939, das Protestantengesetz, das Orthodoxengesetz, das orientalisch-orthodoxe Kirchengesetz, das Bekenntnisgemeinschaftengesetz, das Israelitengesetz. Um nur die wichtigsten zu nennen.

Ein Recht für alle? Eher nicht

Dieses Chaos zu beenden, wäre eine echte Aufgabe für die Politik. Die Reform des Islamgesetzes wäre ein guter Anlass für einen solchen Schritt. Einfach kein Islamgesetz neu, von dem niemand weiß, für wen es gilt, sondern ein Gesetz in die Wege leiten, das für alle Religionsgemeinschaften und Kultusgemeinden gilt.

Vom politischen und juristischen Aufwand her wäre das vergleichbar mit einer Verfassungsreform. Das würde Jahre dauern. Das sollte jedem bewusst sein, der das fordert. Allein: Dass die Lösung schwierig ist, ist keine Entschuldigung, ein Problem bestehen zu lassen.

Privilegien – nur nicht anrühren

Auf der Basis “Ein Recht für alle” ließe sich auch vernünftig ausverhandeln, welche Sonderrechte Religionsgemeinschaften in einem liberalen und demokratischen Rechtsstaat akzeptabel sind.

Vermutlich ist es das, das die Verteidiger des Status Quo verhindern wollen, die uns in Sonntagsreden einreden, der österreichische Sauhaufen in Religionsbelangen – und nur er – stelle den “religiösen Frieden” sicher. Als ob sich im wesentlich säkulareren Tschechien die Leut aus religiösem Eifer die Schädel einschlagen würden.

Ein Argument, das man hierzulande nicht so gerne hört. Wenn’s um Religion geht, hat man’s nicht so mit der Realität in dieser Republik. Da glaubt man wirklich, man habe ein modernes Religionsrecht. Und der Außenminister sei fürs Islamgesetz zuständig.