WIEN. (hpd) In Österreich soll es ein neues Islamgesetz geben. Was es bringen soll, weiß offenbar niemand so recht. Außer, dass es eine neue Spielwiese für Populisten ist.
Franz Kafka hätte seine helle Freude an den Plänen zum neuen Islamgesetz. Selten hat die heimische Politik so sehr ihre Ahnungslosigkeit und Feigheit bewiesen wie hier. Verborgen wird das hinter nahezu byzantinischer Geheimhaltung, die nur wenige Erlauchte durchbrechen. Die beweisen bei diesen Gelegenheiten in der Regel auch nur, dass sie sich am liebsten weder mit Wissen bekleckern wollen noch mit Problemlösungskompetenz. Aber wollen täten sie schon.
Das Sprichwort, dass der Wille fürs Werk zähle, ist selten so sehr in seiner Phrasenhaftigkeit bloßgestellt worden wie hier.
Wenig schmeichelhaftes Urteil
Rühmliche Ausnahme ist der Nationalratsabgeordnete Niko Alm von den Neos, der auf seinem Blog eine Analyse des ersten Gesetzesentwurfes veröffentlicht hat. Wenig überraschend kommt er zu einem wenig schmeichelhaften Urteil. Der Entwurf dürfte von Generalverdachten und sonstigen Seltsamkeiten nur so strotzen.
Es ist auch nicht klar, für wen das neue Gesetz überhaupt gelten soll. Es erscheint zweifelhaft, dass es sich auf alle Muslime oder alle Konfessionen des Islam in Österreich auswirkt. Die Aleviten und die Shiiten haben sich hochoffiziell aus dem Geltungsbereich des aktuellen Islamgesetzes verabschiedet.
Ihre Kultusgemeinden gehen auf Basis des so genannten Anerkennungsgesetzes (von 1874) und des Bekenntnisgemeinschaftengesetzes eigene - islamische – Wege. Ihnen die bisherigen Anerkennungen wegzunehmen und sie zwangsweise in den Geltungsbereich des neuen Islamgesetzes einzugliedern, wird eine mittelschwere juristische Herausforderung, um es höflich zu formulieren.
Was soll jetzt gelten?
Der vorliegende Entwurf probiert das nichtsdestotrotz mit nahezu bewundernswerter Unverdrossenheit, um sich gleichzeitig selbst einzuschränken. Im Gegensatz zu jetzt sieht er mehrere islamische Religionsgesellschaften vor. Und definiert nicht, wie jetzt, eine zentrale Körperschaft zur Vertretung aller Muslime. Diese ist nach eigenem Selbstverständnis die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), der freilich – siehe oben – schon einige Schäfchen abhandengekommen sind.
Gleichzeitig spricht der Entwurf davon, dass bei den Religionsgesellschaften “keine gesetzeswidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften” bestehen dürfe. Was bedeuten würde, dass das neue Gesetz zumindest die Aleviten nichts angeht, wenn sie’s nicht wollen.
Ganz abgesehen von dem Punkt, dass in diesem Land niemand eine gesetzeswidrige Störung zu irgendeiner bestehenden gesetzlich anerkannten Kirche und Religionsgemeinschaft betreiben darf. Streng genommen: Auf gesetzeswidrige Art darf überhaupt niemand in diesem Land irgendjemanden stören.
Man sieht, das ist alles ein wenig kompliziert und verworren und es würde nicht einfacher, würde man weiter ins Detail gehen. Bleibt die Frage, was das aktuelle Islamgesetz mehr tun soll, als bestenfalls die bestehenden innerislamischen Auffassungsunterschiede in ein österreichisches Gesetz zu gießen. Was wiederum die Frage aufwirft, was das die Republik Österreich überhaupt angeht.
Ein Ahnungsloser mischt sich ein
Weil’s eh schon wurscht ist, mischt sich ein übereifriger und – wie üblich – sachlich überforderter Außenminister ein. Ungeachtet der Tatsache, dass Sebastian Kurz rein rechtlich gesehen gar nichts mit der Sache zu tun hat, fordert er, dass es eine einheitliche Koran-Übersetzung für ganz Österreich geben soll.
Den Arbeitsauftrag erteilt er en passant der IGGiÖ. Als ob die alle Muslime in Österreich vertreten würde. Was sich Kurz von einer einheitlichen Koran-Übersetzung verspricht, verschwindet in einem Schwall heißer Luft. Hauptsache, die Zukunftshoffnung der ÖVP hat wieder mal gesagt, was sich der Stammtisch halt so denkt.
Pseudolösungen für Pseudoprobleme
Die Diskussion ist symptomatisch für die Lage der westlichen Politik, besonders in Österreich. Man erzeugt Pseudoprobleme, für die man Pseudolösungen anbieten kann. So täuscht man vor, irgendetwas zu tun. Alibidiskurs und Alibihandlungen verselbstständigen sich und verhindern, dass echte Probleme erkannt werden. Von Lösungen ganz zu schweigen.
Die Religionsgesetzgebung in Österreich ist ein solches Problem. Sehr vornehm formuliert besteht sie aus Kraut, Rüben und Privilegien, gemischt mit einem gerüttelt Maß an Willkür und Projektionsarbeit. Über all das schütte man einen Schuss Improvisationseifer und eine Flasche Schlamperei. Auszubaden hat das das Kultusministerium, das das Ganze umsetzen soll.
Die Willkür der österreichischen Religionsgesetzgebung
Ein alevitischer Priester muss nach den Buchstaben des Gesetzes ein österreichischer Staatsbürger sein, der mindestens Matura hat. Ein (sunnitischer) Imam muss weder noch erfüllen. Ein schiitischer Mullah braucht aktuell weder Staatsbürgerschaft noch Matura, aber möglicherweise bald – wenn die Schiiten von einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft geworden sind.
Katholische Pfarrer sollten nach Möglichkeit zumindest eine Zeit lang Theologie studiert haben, verlangt die Republik von der Kirche. Wahrscheinlich müssen sie auch österreichische Staatsbürger sein. Die entsprechende Passage im Konkordat ist wegen veränderter historischer Umstände nicht eindeutig. Die Regelungen gelten nur für Pfarrer, nicht für Pfarradministratoren und andere katholische Priester. Bei evangelischen Pfarrern ist’s der Republik egal, woher sie kommen und was sie können. Bei Rabbinern auch. Bei Buddhisten nicht.
Wenn ein Laie das Ornat eines katholischen oder evangelischen Pfarrers trägt, wird er genauso hart bestraft, als ob er unbefugterweise in einer Uniform des Bundesheeres herumstolziert wäre. Als buddhistischer Mönch darf sich jeder verkleiden.
Willkür, gemildert durch Schlamperei
Wirklich kümmern tut sich um die Vorschriften ohnehin keiner. Das macht sie nicht weniger absurd. Ein legislatives Chaos wird nicht besser, wenn es egal ist, ob schikanöse Bestimmungen wie die verpflichtende Staatsbürgerschaft für Kleriker eingehalten werden. Willkür gemildert durch Schlamperei, das hat in einem demokratischen und liberalen Rechtsstaat nichts verloren.
Es existieren Religionsrechtsvorschriften nebeneinander, von denen einige nur so vom Untertanengeist vergangener Jahrhunderte strotzen und andere signalisieren, dass es auch in Österreich so etwas wie Demokratie und Rechtsstaat gibt.
Als da wären: Das Anerkennungsgesetz, das Islamgesetz, das Konkordat von 1933, das Kirchenbeitragsgesetz von 1939, das Protestantengesetz, das Orthodoxengesetz, das orientalisch-orthodoxe Kirchengesetz, das Bekenntnisgemeinschaftengesetz, das Israelitengesetz. Um nur die wichtigsten zu nennen.
Ein Recht für alle? Eher nicht
Dieses Chaos zu beenden, wäre eine echte Aufgabe für die Politik. Die Reform des Islamgesetzes wäre ein guter Anlass für einen solchen Schritt. Einfach kein Islamgesetz neu, von dem niemand weiß, für wen es gilt, sondern ein Gesetz in die Wege leiten, das für alle Religionsgemeinschaften und Kultusgemeinden gilt.
Vom politischen und juristischen Aufwand her wäre das vergleichbar mit einer Verfassungsreform. Das würde Jahre dauern. Das sollte jedem bewusst sein, der das fordert. Allein: Dass die Lösung schwierig ist, ist keine Entschuldigung, ein Problem bestehen zu lassen.
Privilegien – nur nicht anrühren
Auf der Basis “Ein Recht für alle” ließe sich auch vernünftig ausverhandeln, welche Sonderrechte Religionsgemeinschaften in einem liberalen und demokratischen Rechtsstaat akzeptabel sind.
Vermutlich ist es das, das die Verteidiger des Status Quo verhindern wollen, die uns in Sonntagsreden einreden, der österreichische Sauhaufen in Religionsbelangen – und nur er – stelle den “religiösen Frieden” sicher. Als ob sich im wesentlich säkulareren Tschechien die Leut aus religiösem Eifer die Schädel einschlagen würden.
Ein Argument, das man hierzulande nicht so gerne hört. Wenn’s um Religion geht, hat man’s nicht so mit der Realität in dieser Republik. Da glaubt man wirklich, man habe ein modernes Religionsrecht. Und der Außenminister sei fürs Islamgesetz zuständig.