BERLIN. (hpd/hu) Am 16. Oktober hat der Bundestag über die Gesetzesnovelle zur Änderung der Gesetze zur Anti-Terror-Datei (ATD) und zur Rechtsextremismus-Datei (RED) abgestimmt. Die Humanistische Union kommt in ihrer Bewertung des Regierungsentwurfs sowie des Änderungsantrags der Großen Koalition zu dem Schluss, dass das Gesetz den vom Bundesverfassungsgericht an die gemeinsamen Dateien gestellten Maßstäben nicht gerecht wird. Die neue Möglichkeit polizeilicher Recherchen mit Spionagedaten unterläuft das Urteil des obersten Gerichts sogar erheblich.
Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anti-Terror-Datei-Gesetz (ATDG) vom 24.4.2013 leiteten die Richter aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein informationelles Trennungsprinzip ab: “Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden. Einschränkungen der Datentrennung sind nur ausnahmsweise zulässig.” (ATDG-Urteil, Randnummer 123)
Anfang Oktober hatte Rosemarie Will, Professorin für öffentliches Recht und ehemalige Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, in einem Brief an die Abgeordneten des Innenausschusses die Verfassungswidrigkeit des ATDG erläutert: “Das neue Anti-Terror-Datei-Gesetz lässt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung leerlaufen und hebelt die rechtsstaatliche Kompetenzordnung des Grundgesetzes aus.”
Rosemarie Will weiter: “Der Gesetzgeber erweitert die Nutzung von Personendaten, die Polizeien und Geheimdienste in gemeinsamen Dateien speichern. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon die Inverssuche ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt. Es hat darüber hinaus das ATDG nur deswegen für grundsätzlich verfassungsmäßig gehalten, weil die Datei nur als ein Instrument der Informationsanbahnung wirken soll. Mit der Erweiterung der Recherchemöglichkeiten auf bis zu vierjährige Projekte wird diese rote Linie überschritten.”
In zwei weiteren Punkten wird die Gesetzesnovelle dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht: Die Übermittlungsvorschriften, die die Einspeisung der Daten in die gemeinsame Datei regeln, entsprechen nicht den Anforderungen, die sich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ergeben. Außerdem besitzt der Bundesgesetzgeber keine Gesetzgebungskompetenz dafür, die Verwendung der Daten von BND, MAD und Zollkriminalamt durch die Landesbehörden des Verfassungsschutzes und der Polizei zu regeln.
Astrid Goltz, Leiterin der Kampagne “ausgeschnüffelt: Verfassung schützen – Geheimdienst abschaffen!” der Humanistischen Union, meint: “Die Polizei soll mit Spionagedateien der Geheimdienste arbeiten. Mit diesem Beschluss öffnet der Bundestag Tür und Tor für den Überwachungsstaat. Trotz der Snowden-Enthüllungen tun unsere Volksvertreter nichts, um die Macht der Geheimdienste zu beschränken. Das ist beschämend.”
Brief vom 06. Oktober 2014mit Begründung der Verfassungswidrigkeit des ATDG
Pressemitteilung vom 17. Oktober 2014