Interdisziplinäres Symposium

"Ein halbes Jahrhundert Zickzack mit Darwin"

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Symposium in Jena
Symposium in Jena

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JENA. (hpd) “Evolution ist überall!” so oder so ähnlich könnte das Fazit eines öffentlichen Symposiums lauten, das an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattgefunden hat. Anlass bot die sich zum 50. Mal jährende Pionierarbeit von Prof. Schwefel und Prof. Rechenberg aus dem Jahre 1964.

Die Wissenschaftler wandten erstmals Erkenntnisse der Evolutionsbiologie auf Problemfelder der Ingenieurstechnik an – mit durchschlagendem Erfolg! In einem Windkanal eruierten sie die optimalen Proportionen eines Flugzeugflügels mittels evolutionärer Prinzipien. Binnen Stunden errechneten sie somit eine Lösung zu einem komplexen Problem, dessen Erfolg durch systematische Forschung wohl Jahre in Anspruch genommen hätte. Eine Strategie, die weitreichende Wirkung entfalten sollte.

Heute im Jahre 2014 können wir auf eine Vielzahl von weiteren Anwendungsmöglichkeiten zurückblicken, die dieser revolutionäre Denkansatz seither gezeitigt hat. Doch nicht nur in den Ingenieurswissenschaften, auch darüber hinaus fand das kreative wie Erkenntnis versprechende Paradigma aus Zufall, Mutation und Auslese seine Interpreten. Die interdisziplinäre Vielfalt der Referentinnen und Referenten des Symposiums bezeugte dies und reichte, neben der Ausgangsdisziplin Biologie, von Informatik und Robotik über Philosophie bis hin sogar zur Literaturwissenschaft. - Evolution ist fürwahr einfach überall!

Fröhliche Wissenschaft

Die Wissenschaftskonferenz wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Informatik und dem Instituts für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik - Ernst-Haeckel-Haus der Universität Jena initiiert. Die Hochschulgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung wirkte tatkräftig an der Tagung mit. Alle Beteiligten freuten sich über das interessierte und auch unterschiedliche Publikum. Junge wie ältere “Semester” waren in der Hörerschaft vertreten. Die wenigsten Vorträge endeten ohne weiterführende Diskussion und präzisierende Rückfragen. Auch wenn die Veranstaltung ihren Anfang in dem obersten Stockwerk des Jentower nahm, an den sprichwörtlichen “Elfenbeinturm der Wissenschaft” war nicht zwangsläufig zu denken. Es herrschte ein reger Austausch zwischen Vortragenden und Hörerschaft.

Vor dem Hintergrund der kreationistischen Hochschultage, die im Sommersemester 2014 nicht nur mit Billigung des Universitätsrektors Prof. Dicke an der FSU Jena veranstaltet wurden, sondern für die weiterhin auch der Jenaer Oberbürgermeister Dr. Schröter die Schirmherrschaft übernahm, hatten sich die wissenschaftlich-kritisch denkenden Menschen der Region überaus darüber gefreut, ein entsprechendes Gegengewicht wahrnehmen zu dürfen. Der GBS-Beirat und streitbare Kritiker kreationistischer Agitationen auf die Evolutionsbiologie Prof. Kutschera rückte diesbezüglich manche “idée fixe” wieder gerade. Eine besondere Würdigung erfuhr die Wissenschaftskonferenz allerdings auch dadurch, dass Oberbürgermeister Dr. Schröter auf die von der Hochschulgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung an ihn herangetragene Anfrage einging und ebenfalls die Schirmherrschaft übernahm.

“Panta rhei” - Alles fließt!

Es war zu lernen, dass eine Konstante der Evolution darin besteht, dass sich alles in permanentem Wandel befindet – Panta rhei! Das Bild einer “fortwährenden Baustelle” konnte auch in dem Vortrag von Prof. Fischer, Evolutionsbiologe und u.a. mit dem Phyletische Museum Jena betraut, festgestellt werden. Er sprach über den Museumsgründer Ernst Haeckel und die Geschichte des besagten Museums. In kritischer Distanz wurden die Versuche ideologischer Vereinnahmung wissenschaftlicher Erkenntnisse dargestellt, die sich seit der Grundsteinlegung des Museums durch Haeckel im Jahre 1907 vollzogen haben. Bereits der Gründer, der auf dem Campo de’ Fiori in Rom ausgerufene “Gegenpapst”, versuchte mit dem Museum die monistische Weltanschauung voranzutreiben. Das Museum war daher bereits seit seiner Gründung mehr als ein bloßes Naturkundemuseum.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet das Museum in den Fokus nationalsozialistischer Propaganda. Glücklicherweise ist es jedoch dem individuellen Widerstand des damaligen Prof. Harms, Direktor des Museums von 1935 bis 1950, zu verdanken, dass rassistische Ideologie nicht Einzug in das Museum halten konnte, so Prof. Fischer.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden bauliche Maßnahmen an der Außenfassade vorgenommen. Der bürgerliche Jugendstil entsprach nicht dem herrschenden Denken des Politbüros der DDR. Das Museum selbst avancierte jedoch neben dem Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar zur Pflichtexkursion aller Schulklassen der DDR. Dem fatalen Denkfehler Haeckels folgend, dass die Natur- und Kulturgeschichte historisch determiniert seien und sich beide notwendig zu einem höheren Status hin entwickelten, kann diese Pflichtexkursion ohne Zweifel als ideologische Vereinnahmung angesehen werden.

Die Geschichte des Phyletischen Museums zeigt somit exemplarisch die Anfälligkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse für politische und ideologische Instrumentalisierungen. Der Vortrag wies insofern auf die Notwendigkeit eines sensiblen und kritischen Umgangs mit wissenschaftlichen Erkenntnissen hin.