JENA. (hpd) Die gbs-Hochschulgruppe Jena hatte einen Tag nach dem schrecklichen Attentat von Paris zu einer Gedenkminute aufgerufen. Die in einer Rede des Autors vorgetragene Islamkritik verbrämten manche Zuhörer als “Pegida soft” – Nach einem kurzen Veranstaltungsbericht soll hierzu Stellung bezogen werden.
Der Terroranschlag von Paris war zu allererst ein Angriff auf das Leben und die Gesundheit der Redaktionsmitglieder von Charlie Hebdo. Aber eben nicht nur. Er war vielmehr auch ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Kunstfreiheit! Diese Rechte wurden in einem Jahrhunderte währenden Kampf unter großen Opfern – auch gegen die christlichen Kirchen – erstritten. Sie müssen nun erneut verteidigt werden und dürfen in einem säkularen Staat nicht zugunsten religiöser Gefühle geopfert werden.
Mit diesen Worten eröffnete ich als Sprecher der gbs-Hochschulgruppe Jena die Gedenkveranstaltung zugunsten der Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags vom 7. Januar 2015. Sie geben auch die Motivation der Gruppe wieder, zu dieser Versammlung einzuladen.
Kurz nach Mitternacht wurde die Facebook-Veranstaltung erstellt und binnen weniger als 18 Stunden erklärten über 250 Personen ihre Teilnahme. Noch in der Nacht wurden Einladungen verschickt, u.a. an den Jenaer Oberbürgermeister, den Präsidenten der Universität sowie die Rektorin der Fachhochschule, und bewusst auch an die Medien, Parteien und Gewerkschaften – sprich alle Institutionen, die Pegida als Lügner ablehnt. Schon deshalb weisen wir den Vorwurf strickt von uns.
Jenaer Muslime haben Angst
Darüber hinaus haben wir auch explizit das Islamische Zentrum Jena e.V. sowie den Islamischen Kulturverein Jena e.V. eingeladen. Eine Reaktion hierauf haben wir leider nicht erhalten. Doch im Interview mit der TLZ verurteilten mehrere Mitglieder des Islamischen Zentrums, in dem regelmäßig etwa 150 Muslime beten, den Anschlag. Gegenüber der Zeitung bekundeten sie ihre “Angst vor der Reaktion der Gesellschaft, Angst davor, dass in den nächsten Tagen und Wochen die Pegida-Bewegung viel Zulauf erfahren wird.” Omar Nassimi, der stellvertretende Vorsitzende des Islamischen Kulturvereins in Jena, erklärte: “Diese Furcht ist das beherrschende Gefühl. Ich weiß, dass ich in erster Linie Mitleid mit den Opfern des Anschlags empfinden sollte, doch die Angst vor dem, was jetzt kommt, ist stärker.” Die gbs-Hochschulgruppe Jena bedauert dies sehr und hofft, durch ihr Wirken vor Ort und die Differenzierung zwischen Muslimen und der Ideologiekritik am Islam zur Entschärfung der Situation einen Beitrag leisten zu können.
Die Flamme der Aufklärung muss in uns allen brennen
Gegen 18 Uhr hatten sich auf dem Universitätscampus zwischen 150 und 200 Menschen versammelt, um mit Kerzen und einer Schweigeminute ihre Anteilnahme zu erklären. Darunter war auch der Jenaer Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter (SPD). Gegenüber dem MDR drückte er seine tiefe Anteilnahme aus und sprach von einem “Angriff auf die Demokratie und Europa”.
Mit Kerzen hatte die gbs Jena den Schriftzug “Charlie” nachgebildet. Doch Regen und ein aufziehender Sturm machten uns einen Strich durch die Rechnung. “Auch wenn die Kerzen nicht brennen: Die Flamme der Aufklärung muss in uns allen brennen um Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit weiter zu verteidigen.” Stein des Anstoßes waren dann meine sich hieran anschließenden Worte: So wie es falsch ist, alle Muslime über einen Kamm zu scheren – genauso falsch ist es zu behaupten, dies alles hätte mit dem Islam nichts zu tun. Nach den Medienberichten schrieen die Mörder nach Ihrer Tat “Allahu Akbar” (Gott ist groß) und es wird von einem islamistischen Hintergrund ausgegangen. In der Debatte wird nun stets zwischen Islam und Islamismus unterschieden. Doch dies ist nicht ausreichend. Auch der Islam muss endlich durch die Schule der Aufklärung gehen, die das Christentum bereits absolvieren musste.
“Gut gegen Böse”-Denken hilft nicht weiter
“Sind wir hier bei Pegida, oder was?” fragte daraufhin eine Teilnehmerin, die auch durch spätere Facebook-Kommentare Unterstützung fand.
Mein Versuch, dies abzuwehren, empörte manche scheinbar nur noch mehr: “Wir sind weder hier, um gegen Muslime zu hetzen, noch um Pegida als gut oder böse zu bewerten. Diskutiert werden muss weniger über die Bewegung, sondern mehr über die dort angesprochenen Themen.” Dies wurde uns als eine nicht hinreichende Abgrenzung von Pegida ausgelegt.
Die gleichen Kritiker, denen die Gedenkveranstaltung zu politisch war, fordern also andererseits eine intensivere politische Auseinandersetzung.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass auch einige Mitglieder unserer Gruppe hinterher meinten, wir hätten uns deutlicher von Pegida und ihren kruden populistischen Parolen distanzieren sollen – dies sei hiermit ausdrücklich nachgeholt. Nichtsdestotrotz stimmt die Gruppe mit dem Redner überein, dass die bloße Ablehnung von Pegida nicht weiterhilft. Da die gesellschaftliche Debatte diesbezüglich weitgehend in einer “Gut gegen Böse”-Dämonisierung verhaftet bleibt, war es dem Redner ein Anliegen, die Notwendigkeit der Suche nach Lösungen zu betonen. Mit dieser Forderung stehen wir auch keineswegs alleine da: Ralf Leifer, Geschäftsführer des Landesverbandes Thüringen des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV), fordert in einem zweiten MDR-Bericht über unsere Gedenkveranstaltung von der Presse ein Umdenken: “Wir müssen auf ihre Themen eingehen, die sie bewegen, und wir müssen in unserer Berichterstattung das entsprechend aufgreifen und Lösungen aufzeigen und auch Prozesse, die zu Lösungen führen.”
In unserer offiziellen Stellungnahme haben wir weitere Argumente gegen den Pegida-Vorwurf zusammengetragen. Für die Zwecke dieses Berichts soll der Hinweis genügen, dass eine sinnvolle Debatte nicht möglich ist, wenn man seinen eigentlichen Aussagen stets vorausschicken soll, was man nicht meint. Auch die Mitarbeiter von Charlie Hebdo würden uns sicherlich zustimmen, wenn wir sagen: humanistische Islamkritik muss möglich sein, ohne in die rassistische Ecke gedrängt zu werden. Bedauerlicher Weise hat das Jenaer CampusTV “bewusst auf das Veröffentlichen der Ansprache verzichtet“, da sie „solchen Meinungsäußerungen keine Plattform bieten wollen.”
Kritik am politischen Islam ist jetzt notwendiger denn je!
Die inhaltliche Ablehnung der Rede zeigt unseres Erachtens nur umso deutlicher, dass eine solche Ansprache notwendig war, da unsere Kritiker scheinbar glauben, eine bloße Differenzierung zwischen (gewaltbereitem) Islamismus und (gemäßigtem) Islam sei ausreichend. Natürlich besteht zwischen beiden ein qualitativer Unterschied. Doch das Fundament für den islamischen Fundamentalismus steckt eben schon im Islam. Solange eine “friedliche Pflanze” sich nicht von ihren giftigen Dornen befreit, wird sie immer wieder die Gedanken wenigstens einzelner Konsumenten vergiften.
Diese Dornen des Islam liegen u. a. in der Bestrafung der Apostasie (“Abfall vom Glauben”), der fehlenden Gleichberechtigung von Männern und Frauen, dem Absolutheitsanspruch und der damit einhergehenden fehlenden Toleranz. Sie mündet in die Vorstellung, dass religiösen Dogmen Vorrang gegenüber weltlichen Gesetzen zukommt.
Nicht umsonst erkennen zahlreiche islamisch geprägte Mitgliedstaaten der UNO deren Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht an. Stattdessen haben sie mit der “Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam” eine eigene Erklärung verfasst. In Bezug auf das brutale Attentat auf die Mitarbeiter der Satirezeitschrift Charlie Hebdo ist dabei besonders Artikel 22 herauszustellen, wonach das Recht auf freie Meinungsäußerung drastisch eingeschränkt wird: Es ist verboten dieses Recht dafür zu nutzen, die Grundsätze der Scharia in Frage zu stellen und die “die Heiligkeit und Würde der Propheten” zu verletzen. Diese Feststellung “islamophob” zu nennen verhindert jede vernünftige Auseinandersetzung mit dem Problem und jeden Dialog.
Kein Teil der islamischen Welt
Wer hierauf erwidert, dass die Muslime in westlichen Staaten doch zum ganz überwiegenden Teil unsere Werteordnung beachten würden, der bestätigt gerade den Befund, dass diese Werte offenbar nicht Teil der islamischen Welt selbst sind, denn anderenfalls würden Werte wie Meinungsfreiheit und Demokratie nicht nur “bei uns”, sondern auch in islamisch geprägten Staaten geachtet werden. Ausgerechnet die Worte eines syrischen Flüchtlings in dem oben erwähnten Artikel der TLZ über unsere Gedenkveranstaltung bestätigen dies: “Wer nach Europa kommt, der weiß, dass es hier die Pressefreiheit gibt, jeder hat das zu akzeptieren. Doch man muss vorsichtig sein und den Glauben der Menschen respektieren, um keine Herzen zu brechen.” Es ist also nicht der Islam selbst, der seinen Gläubigen vorschreibt, die Freiheit der Presse zu achten, sondern man akzeptiert nur das fremde weltliche Gesetz. Nun wollen wir nicht die Formulierung dieses einen Moslem auf die Goldwaage legen – da dieser unsere Werteordnung respektiert, ist er natürlich nicht mit islamistischen Terroristen über einen Kamm zu scheren (was wir in anderem Zusammenhang auch in unserer Rede betonten!).
Doch dies ändert nichts an der Notwendigkeit der Ideologiekritik am politischen Islam! Wenn Religionen eine adäquate Morallehre für das 21. Jahrhundert sein wollen, dann sollten sie ihren Gläubigen nicht nur auftragen, Demokratie, Toleranz, Religionsfreiheit und weltliche Gesetze in säkularen Staaten zu achten – sondern sie müssen diese universellen Werte zu einem Kern ihrer selbst machen! Und genau dafür ist Aufklärung bitter nötig. So wenig Staatsgrenzen für Ideologien und Terrorismus gelten, so wenig sollten sie für die Menschenrechte gelten.
Noch trägt der (politische) Islam aber die Dornen der Intoleranz. Dies zeigte sich gerade einmal zwei Tage nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Das Attentat verurteilte Saudi-Arabien zwar als “feigen Terrorakt, der gegen den wahren Islam verstößt”. Doch 24 Stunden später erhielt der liberale Internet-Aktivist und Blogger Raif Badawi (der hpd berichtete mehrfach) die ersten 50 der eintausend (!) Peitschenhiebe, zu denen er wegen Beleidigung des Islams verurteilt wurde und die nun in den nächsten 20 Wochen alle 8 Tage vollstreckt werden sollen. ZEIT Online spricht zu recht von einem “Todesurteil auf Raten”.
Angesichts solcher Heuchelei muss unbedingt Kritik geübt werden! Radikalisieren lassen sich nur Vorstellungen, die in ihren Ursprüngen bereits vorhanden sind. Genau deshalb fordern wir, dass auch der Islam endlich durch die Schule der Aufklärung geht und so seine Dornen gestutzt bekommt. Diese Forderung nach einer Reformation wird längst nicht nur von den religionskritischen Verbänden wie der Giordano-Bruno-Stiftung erhoben, sondern auch von liberalen Muslimen selbst!
Wer dieses Streben nach einem aufgeklärten Islam als “Pegida soft” attackiert, erweist nicht nur den nach Wegen der Integration suchenden westlichen Staaten einen Bärendienst, sondern auch allen Muslimen, die vor den theokratischen Systemen hierher zu uns fliehen und man wird damit auch ganz gewiss nicht Charlie Hebdo gerecht!
“Je suis Charlie” verlangt es, den Mund aufzumachen!
Unabhängig von den Pegida-Vorwürfen hätten es einige Teilnehmer bevorzugt, wenn die Gedenkveranstaltung “frei von jeglichen Ansichten” geblieben und keine Rede gehalten worden wäre. Doch unseres Erachtens sprachen gewichtige Gründe dafür, das Wort zu ergreifen: Vermutlich würde jeder der Teilnehmer den folgenden, der taz entliehenen, Satz unterschreiben: “Die ermordeten Zeichner und Journalisten von Charlie Hebdo sind – man muss das so pathetisch formulieren – Helden. Nicht durch die Umstände ihres Todes sind sie dazu geworden, sie waren es vorher schon. Weil sie, im wahrsten und im schrecklichsten Sinne des Wortes, unerschrocken für liberté, égalité, fraternité gekämpft haben.”
Wer diesen Satz für richtig hält, der muss konsequenter Weise auch darauf eingehen, gegen wen diese Helden denn gekämpft haben – und dies war eben auch die Intoleranz in Teilen des Islam! Es ist daher schlicht nicht zutreffend, wenn eine Facebooknutzerin schreibt: “Ach man hätte das ganze einfach unkommentiert lassen können, dann wären ich und viele andere jetzt nicht so wütend auf etwas, was eigentlich voll am Thema vorbeigeht!”
Die Kritik am politischen Islam geht alles andere als am Thema vorbei, sondern sie trifft vielmehr aus oben genannten Gründen genau den Kern.
Wer meint, dass wir den Anschlag auf Charlie Hebdo instrumentalisiert hätten, um unsere politischen Ansichten verbreiten zu können, der verkennt, dass dieses Magazin selbst ein äußerst politisches Medium war und ist, denn es bedient sich des künstlerischen Mittels der Satire um politische Inhalte zu kommunizieren. Als solches Instrument wurde es von den Attentätern miss(!)braucht um der Welt zu zeigen, dass niemand ungestraft den Propheten beleidigen dürfe.
Die angemessene Reaktion hierauf war es unseres Erachtens, stellvertretend für Charlie Hebdo den Finger in die Wunde zu legen. Anders gewendet: Eine Gedenkveranstaltung zugunsten von Charlie Hebdo, die nicht offen die Probleme und Ursachen des Islamismus anspricht, wird dem Charakter des Magazins nicht gerecht.
Nicht umsonst sagte der Chefredakteur des Magazins, Stéphane Charbonnier, er wolle lieber stehend sterben als auf den Knien leben.
Bei manchen Gedenkveranstaltungen mag die Mehrheit Schweigen bevorzugen, doch dieses eindeutig politische Massaker, das die Freiheit des Wortes begrenzen sollte, schrie geradezu nach einer Wortmeldung! Eine Gedenkveranstaltung zugunsten von Charlie Hebdo, die sich in einer bloßen Schweigeminute erschöpft, ist wie eine Satirezeitung ohne Satire.
Die Erwartungshaltung, bei einer Veranstaltung zum Gedenken an die Mitarbeiter von Charlie Hebdo nichts über den Islam zu sagen, ist nicht die Lösung, sondern vielmehr Teil des Problems. Ayaan Hirsi Ali, eine international bekannte Islamkritikerin und Frauenrechtlerin, schreibt: “Die drei Täter schrien ‘Allahu Akbar’ (Gott ist groß!). Sie schrien ‘Der Prophet ist gerächt. Charlie Hebdo ist tot.’ Unsere Pflicht ist es, Charlie Hebdo am Leben zu halten.”
Charlie Hebdo lebte aber davon, eine Stimme zu haben und Kritik zu üben. Wann, wenn nicht nach einem solchen Massaker, hätten die getöteten Mitarbeiter des Magazins zu ihren Stiften gegriffen? Da sie dies nun nicht mehr können, müssen dies andere für die Opfer übernehmen. Genau das sollte es bedeuten, wenn man ein Schild mit der Aufschrift “Je suis Charlie” vor sich herträgt. Wer hingegen Schweigen fordert, weil er Kritik missbilligt, der ist im Grunde gleichermaßen der Intoleranz verfallen. Die Freiheit der Rede darf gerade nicht gebunden sein an die Qualität der Rede.
6 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Alle sind Charlie, doch wo bleibt: „Ich bin Palästina“, „Ich bin Ukraine“, „Ich bin Syrien“?
Willie am Permanenter Link
schade dass sie die Aussage eines so langen Textes nicht verstanden haben.
Mit einem "Ich bin Palästina", "Ich bin Syrien" oder auch einem "jesuisjuif" kann ich nichts anfangen, da es zu speziell ist und ich die damit transportierten Aussagen (egal ob positiv oder negativ) nicht mittragen kann. Ich bin ein Allerweltsmensch der sich solidarisch mit all den Charlies auf der Welt erklärt, der für eine andere, friedvollere Zukunft streitet und aufsteht.
Nicht jeder mag diese Art der Metapher, aber auch das kann ich ertragen, solange ich auch Charlie sein darf.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ein sehr guter und wichtiger Kommentar.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Steinhaus, mit dieser Erklärung können Sie nicht mehr aus der Welt schaffen, dass eine Trauerveranstaltung so kurz nach dem Tod der Betrauerten der falsche Ort zum falschen Zeitpunkt ist, dem Islam
Nein, das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo ist nicht Teil eines "Kampfes der Kulturen", es war die Tat von 2 Brüdern, welche einer menschen- und lebensverachtenden, politischen Ideologie mit religiöser Verbrämung verfallen waren. Es ging ihnen sehr wahrscheinlich um die "gerechte" Bestrafung der Blasphemiker. Aktive Jugendarbeit durch Sozialarbeiter, bessere Schulen, gute Arbeitsplätze halte ich für das beste Mittel gegen den djihadistischen Terrorismus. Leider wurden und werden immer noch die schon immer knappen Mittel hierfür noch weiter zusammengestrichen im Namen der "Sparpolitik". Sicherheitspolitik geschieht eben nicht nur durch Militär, Geheimdienst und Polizei. Mit dieser Meinung stehe ich und die meisten meiner Freunde und Bekannten nicht allein.
Maximilian Steinhaus am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Linnhoff,
sie schreiben, es sei so kurz nach dem Tod der Betrauerten der falsche Ort zum falschen Zeitpunkt, dem Islam die Verantwortung für diese Mordtaten zu zuschieben. Wenn Sie nur Zeit und Ort der Islamkritik für unangebracht halten, dann widerspreche ich Ihnen und verweise auf den Teil am Ende des Artikels: Wann will man Islamkritik üben, wenn nicht nach so einem Terrorakt?
Aber ich vermute, Sie wollten eher sagen, dass diese Morde überhaupt nicht dem Islam "in die Schuhe zu schieben" seien. Dann verweise ich auf das, was ich in einem Interview gegenüber dem MDR bereits sagte (wurde aber, glaube ich, herausgeschnitten): Natürlich führt nicht der Islam allein zur Radikalisierung. Hierbei spielen viele andere Faktoren (Bildung, Umfeld, Armut, Ausgrenzung, Hoffnungslosigkeit, etc.) auch eine Rolle. Doch solange wie sich der Islam nicht von den Dornen der Intoleranz befreit, wird er für radikalisierungsgefährdete Menschen einen Nährboden zur Gewalt bieten.
Ein schlichter Verweis auf das Zahlenverhältnis von gemäßigten und gewaltbereiten Muslimen ist da zu oberflächlich. Wenn Sie darauf entgegen möchten, dass ja bei allen Religionen die Gefahr des Missbrauchs / der Radikalisierung bestünde, dann will ich Ihnen gar nicht widersprechen – aber genau deshalb wäre es gut, wenn die menschliche Gesellschaft ihre Regeln für ein gemeinsames Miteinander nicht mehr versucht aus überholten "heiligen Büchern" abzuleiten, sondern sich selbst eine humanistische Ethik gibt, die hinter das Recht auf Meinungsfreiheit etc. nicht immer ein interpretationsbedürftiges „aber“ setzt.
Schauen Sie sich doch mal auf unserem Blog am Ende der Seite die Zusammenstellung von Artikeln an, die ebenfalls eine Reform des Islams fordern. Insbesondere das Interview mit Ahmad Mansour in der Berner Zeitung möchte ich empfehlen:
"Leider haben die etablierten muslimischen Verbände keine Antwort auf diese Entwicklung. Sie bieten keine Jugendarbeit an, die die Jugendlichen erreicht. Wir brauchen aber muslimische Jugendliche, die aufstehen und sagen: Ich bin religiös, aber das rechtfertigt nie, meine Schwester einzusperren, Menschen umzubringen oder sich einer Terrorgruppe anzuschliessen. Es gibt kaum muslimische Verbände und Vertreter, die hinstehen und sagen: Es kann nicht sein, dass das normale Islamverständnis eine Basis schafft für Radikalismus. Es darf nicht sein, dass Junge mit einem strafenden Gott aufwachsen, der klar sagt, was richtig und was falsch ist. Wenn nun eine Organisation wie die Salafisten solche Prinzipien verficht, beissen 5 Prozent der Jugendlichen an. Das sind 5 Prozent zu viel."
Olaf Sander am Permanenter Link
Darf man eine Trauerveranstaltung nutzen und sich kritisch mit den Ursachen für die Trauerveranstaltung auseinandersetzen?
-
Wenn ich mir diese ganze Diskussion, vor allem auch bei Facebook, durchlese, dann frage ich mich, ob sich die Kritiker dieser Trauerveranstaltung für "Charlie Hebdo" im Klaren darüber sind, was das für Menschen waren, die sie da betrauern wollten?
-
Diese Leute waren Karikaturisten, die mit viel Kritik und noch mehr Enthusiasmus mehr schlecht als recht ihre Brötchen verdienten. Bis zum Terroranschlag war "Charlie Hebdo" ein bettelarmes Satiremagazin mit einer Auflage von 60.000 und ohne Reklame. Die Ermordeten haben nicht gezeichnet, weil das so gut bezahlt war, sondern weil sie mit ihren Zeichnungen ihre Kritik ausdrücken und die von unseren Ahnen hart erkämpften Freiheiten verteidigen wollten.
-
Auch das die wenigen Überlebenden von "Charlie Hebdo" nur eine Woche später eine (endlich) viel beachtete Ausgabe mit eben jenen kritischen Karikaturen in Millionenauflage heraus brachte, spricht dafür, sich kritisch mit dem Tod der Karikaturisten, und deshalb auch mit den Ursachen dafür, auseinanderzusetzen. (Auch wenn das zum Zeitpunkt der Veranstaltung noch keiner wissen konnte)
-
Dennoch - so einen Bias muss man sich erstmal zulegen können; dass man kritische Gedanken auf einer Gedenkfeier für die wegen ihrer Kritik ermordeten Kritiker als unzulässig empfindet.
-
Aber was, außer dem Unverständnis für die Ermordeten und ihr Erbe, sind denn nun die Ursachen für die Kritik an der Kritik?
-
Mutmaßlich ist es nicht nur eine merkwürdige und vom Betroffenheitsjournalismus angeheizte Pietät, sondern auch noch falsch verstandene Solidarität mit den hier lebenden Muslimen, die jetzt wieder generalisiert dem Terrorverdacht ausgesetzt sind - was im Übrigen die andere Seite dieser irrationalen Medaille ist.
-
Solidarisch zu sein heisst nicht, nicht zu hinterfragen und zu kritisieren, egal wie erschüttert, angetan oder sonst wie berührt man von jemanden oder etwas ist. Wenn keine Kritik am Islam (und jeder anderen Religion auch) geübt werden darf und somit auch die Sorgen, Nöte und Zwänge, die man mit diesen Religionen hat, unausgesprochen bleiben, ist ein Fortschritt beim Ausbau der Beziehungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen, und natürlich auch jenen, die nicht glauben, nicht möglich. Den Redner der "gbs" wegen einer kritischen Rede auf der Gedenkfeier mit PEGIDA gleichzusetzen, oder ihn gar dort einzuordnen, ist unredlich, feige und wird dem Ansinnen der "gbs" und dem der ermordeten Karikaturisten nicht gerecht.
-
So ist das nunmal in einer freiheitlichen Gesellschaft. Da muss man Kritik aushalten, weil es sonst vorbei ist mit der Freiheit. Das sollten gerade auch wir Bürger aus Neufünfland wissen. Unsere Zeit mit dem Verbot zur Kritik, ist doch noch gar nicht so lange her.