Zuständigkeitsschizophrenie beim Katholikentag

"Dann sollen sie auch furchtbar engagiert Geld zusammen suchen!"

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"Ich will es wissen" - Stadtgespräch in Münster im LWL-Museum für Kunst und Kultur (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
"Ich will es wissen" - Stadtgespräch in Münster im LWL-Museum für Kunst und Kultur (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)

WEIMAR. (hpd) Von mal zu mal unlogischer werden die Versuche der Kirchenfunktionäre, die Subventionen für den Katholikentag 2018 in Münster zu erbetteln. In Ergänzung zum Bericht von Freitag sollen noch einmal die schönsten Floskeln belacht werden. Von Katholiken als Klimakämpfern und nicht messbarer Wohltätigkeit von Atheisten.

Inzwischen wurde die bereits am Tag zuvor aufgezeichnete Diskussionsrunde "Noch mehr Knete für Gebete – Wer bezahlt den Deutschen Katholikentag?" über den Radiosender WDR5 in den postkarnevalistischen Äther entlassen. Wer sich nicht aufgeregt hat, fand einiges zum Lachen.

Auf die üblicher Weise angeführte Caritas-Legende entgegnete eine Kommentatorin aus dem Publikum trocken: "Auf dem Podium wurde gesagt, dass die Katholiken so furchtbar engagiert sind in der Stadt. Dann sollen sie auch furchtbar engagiert Geld zusammen suchen!" Damit kritisierte sie einen Argumentationsversuch der Kirchenfunktionäre, der bereits beim SPD-BürgerInnen-Dialog vergangenen November sauer aufstieß: Einerseits wird die Nächstenliebe als Motivation für Caritas und Diakonie betont. Diese soll den einzelnen freiwilligen Helfern auch gar nicht abgesprochen werden. Aber andererseits wird hieraus ein Anspruchsdenken abgeleitet, das die altruistischen Beweggründe nahezu verblassen lässt: Da die Stadt in den letzten Jahren ja so viel Geld gespart habe, sei es doch nur gerecht, wenn sie jetzt den Katholikentag bezuschusse. Nach dieser Argumentation müsste die Stadt auch den nichtkonfessionellen Sozialstationen, den Sportvereinen, ja jeder Suppenküche das Sommerfest finanzieren.

Zuständigkeitsschizophrenie inbegriffen

Bemerkenswert ist auch, wie die Subventionierungsbefürworter in der Diskussion mit den Zuständigkeiten spielen: Einerseits sei es ja das arme Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (und nicht die reiche Kirche selbst), die den Katholikentag ausrichte. Andererseits beruft man sich aber auf die vermeintlichen Wohltaten des großen Bruders. Ein Facebook-Kommentator bemerkte zu recht: "Diese Zuständigkeits-Schizophrenie hat dann auch den Moderator dazu verführt, Herrn Winterkamp vom Bistum wiederholt als eigentlichen Organisator zu bezeichnen." Auch bei der Bedeutung des Christentums werden Katholiken und Protestanten flink addiert, um noch die 50-Prozent-Hürde zu knacken.

Da hilft es auch nicht zu betonen, dass der Katholikentag ja eine öffentliche Veranstaltung sei, die sich "ausdrücklich auch an Nicht-Christen" wende. Angesichts der Zahlen kann man da nur sagen "Mission(ierung) verfehlt", denn nur 1,4 Prozent der Besucher des letzten Katholikentags in Regensburg waren weder katholisch (90 Prozent) noch evangelisch (8,6 Prozent). Vermutlich, weil sie besser wissen, welche Themen wirklich auf der Agenda stehen.

Münsteraner Katholiken als Weltenretter

Als der Moderator den Generalsekretär des ZdK (sozusagen den Fanclub der katholischen Kirche) fragte, was die "Oppositionsthemen" seien, die man der Kirche in Münster als ach so unabhängige Laienorganisation präsentieren wolle, druckste Cheflobbyist Stefan Vesper mächtig herum: Auch die Laien litten ja manchmal "an" (oder meinte er eher "unter") ihrer Kirche. Und auch er begrüße die jüngste Transparenzinitiative des Bistums Köln hinsichtlich seiner Finanzen.

Interessanter Weise hat er damit gerade nicht gefordert, dass auch das Bistum Münster endlich sein Vermögen komplett offen legt. Dieses veröffentlicht bisher weiterhin nur Jahreshaushalte und ließ nur einmal über seinen Pressesprecher die Deckung fallen und benannte rund 410 Mio. Euro an Rücklagen.

Es ist auch vollkommen abwegig, dass das ZdK der Kirche in dieser Frage Druck machen könnte, da die angebliche "Laienorganisation" zu 83,7 Prozent von den deutschen Diözesen finanziert wird und sie stets darauf angewiesen ist, aus irgend einem Teil der Kirchenrepublik überhaupt eine Einladung zu erhalten.

Doch bereiten wir nach diesen Nebelkerzen den karnevalistischen Tusch vor für die eigentliche Sensation des Abends. Man erinnere sich an die Frage des Moderators: Das "Oppositionsthema", das man der Kirche präsentieren wolle auf dem Katholikentag, lautet – Trommelwirbel – "Klimawandel, Energiewende, Hilfe an die Armen in der Welt"! Tätä, tätä! Die wissenschaftsfeindlichste Organisation der Welt soll also zwischen Gebet und Missionierungsveranstaltung auf einem 5-tägigen Sommerfest Lösungsvorschläge erarbeiten, an denen weltweit tausende Wissenschaftler sich abkämpfen. Das kann wirklich nur mit Gottes Segen gelingen. Im Vergleich zu den weltweiten Multi-Millionen-Dollar-Forschungsprojekten wären die beantragten 1,5 Mio. Euro der Stadt Münster tatsächlich Peanuts. Um in der Sprache des Karnevals zu bleiben: "Wolle merse reinlasse?"

Logik ist das erste Opfer der Diskussion

Doch wer meint, es ginge nicht noch närrischer, der lese weiter: Einer der drei Befürworter auf dem Podium fragte in die Runde, weshalb Münster weltweit so positiv wahrgenommen werde, laut einer Auszeichnung aus dem Jahr 2004 ja sogar als weltweit lebenswerteste Stadt. Dies sei so wegen der Universität und dem Engagement der Bürger. – Und weil ein Hort des Wissens für das positive Image verantwortlich ist, soll nun ein Fest des Glaubens gefördert werden? Natürlich, denn anderenfalls drohe der "Rückfall in die Provinzialität" und Münster müsse aufpassen, sich mit der Diskussion über 1,5 Mio Euro nicht lächerlich zu machen! Aha.

Seit 1930 kam Münster ohne Katholikentag aus und jetzt auf einmal droht die Provinzialität? Und bei rund 800 Mio. Euro Schulden sind 1,5 Mio. Euro zusätzliche Ausgaben eine Lächerlichkeit? Vermutlich ist auch Logik etwas, für das es ganz verschiedene Glaubensinterpretationen gibt… Tatsächlich waren es vor allem eine nachhaltige Planung und ein ressortübergreifendes Arbeiten, das die internationale Jury damals zur Preisverleihung bewogen. Bewertet wurden laut Spiegel Kategorien wie Umwelt und Landschaft, Bürgerbeteiligung, Bewahrung des historischen Erbes und eine nachhaltige Zukunftsplanung – die Unterstützung religiöser Massenveranstaltungen stand nicht auf dem Punktezettel. Im Gegenteil wurde der Preis gerade trotz des katholisch-spießigen Images an die Stadt vergeben. Und für ein Image, das man bereits hat, muss man nicht noch zahlen.