MOOSSEEDORF/CH. (hpd) Manche Medien wenden bei komplexen Sachverhalten ein Schwarz-Weiß-Denken an, um zu versuchen, verflochtene Umstände auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Dass die Objektivität und Relevanz unter diesen Gegebenheiten leidet, zeigt die Berichterstattung zum Bergoglio-Papst auf eindrückliche Art und Weise.
Die Berichterstattung über Religion hat einen Geruch der Unfreiheit an sich. Als Franziskus vor rund zwei Jahren die Hallen des Vatikans vom neokonservativen Mief der Benedikt-Ära befreite, schien der Jesuitenpapst nebst der Ferula auch eine Carte blanche der internationalen Presse zu erhalten. Verschwiegen wurden seine heiklen Aussagen in der Vergangenheit, kein Wort über seine konservativen Ansichten verloren. Journalistinnen und Journalisten segelten im Wind der Hoffnung, den die vielen, progressiven Katholikinnen und Katholiken säten.
Auch der Papst nutzte die Gunst der Stunde und trieb die gesungenen, oft gehaltlosen Lobeshymnen an, indem er mit oberflächlichen Veränderungen wie der Vereinfachung seiner Kleidung und dem Verzicht auf die Papstresidenz Wasser auf die Mühlen der Medien goss.
Fehlende Differenzierung
Zu Recht bezeichneten Kleriker und Laien die Wahl des Argentiniers zum Oberhaupt der katholischen Kirche als einen Schritt in eine modernere Zukunft. Die Ernennung Bergoglios war ein notwendiger Akt, der zur Teilentrümpelung obsoleter Traditionen führte. Dass die Objektivität der Berichterstattung darunter leiden wird, war abzusehen. Dass Kritik und Klagen fast in ihrer Gesamtheit ausblendet wurden, überraschte hingegen doch.
Der Pilgerweg Franziskus' hätte von Anfang an differenzierter betrachtet werden müssen, als dies viele Medienhäuser taten. Es hätte nicht darüber hinweggesehen werden dürfen, dass Jorge Maria Bergoglio zu seiner Zeit als Erzbischof und Kardinal von Buenos Aires des Öfteren mit besonders kernigen und extremen Aussagen auf sich aufmerksam machte. "Wer nicht zu Gott betet, der betet zu Satan", meinte er einst.
Kehrseite der Medaille
Mittlerweile hat sich ein erkennbares Mittelmaß in den Medien manifestiert, was die Reportage über den Papst betrifft. Anfang Februar dieses Jahres traf Franziskus delikate Aussagen in zu kurzen Abständen, dass diese hätten überspielt, abgeschwächt oder ignoriert werden können.
Als die slowakische Bewegung "Allianz für die Familie" (AZR) mit Unterstützung der katholischen Kirche über 400‘000 Stimmen für ihr "Referendum zum Schutz der Familie" sammelte, meinte der Papst bei der Generalaudienz am darauffolgenden Mittwoch: "Ich begrüße alle Pilger aus der Slowakei und möchte der slowakischen Kirche meine Anerkennung ausdrücken. Ich fordere alle auf, ihre Anstrengungen zur Verteidigung der Familie, des Kernstücks unserer Gesellschaft, fortzusetzen." Im Referendum geht es unter anderem darum, gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption und das Recht auf eine Ehe zu verwehren. Dass der Papst später Schläge gegen Kinder billigte – solange dabei deren Würde geachtet werde – brachte das Fass zum Überlaufen.
Besonnene Beobachtung
Es ist nur fair, dass die Vergangenheit eines Menschen nicht unter einem Mikroskop auf jedwede Ungereimtheiten untersucht wird. Auch dass nicht jedes Wort des Argentiniers bei Amtsantritt auf die Goldwaage gelegt wurde, zeigt ein gewisses Maß an Solidarität der englisch- und deutschsprachigen Medien mit der katholischen Kirche, die unter dem Pontifikat von Benedikt XVI. unter Dauerbeschuss stand.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die nächsten Handlungen des Papstes ausgewogener und neutraler beobachtet und analysiert werden. So wäre vielen Laien die Frage, woher der plötzliche Wandel des Papstes komme, erspart geblieben. Denn einen gewissen Gestank kann und wird man in den heiligen Hallen des Vatikans immer vernehmen können. Nur vermischt sich dieser nicht mehr mit dem Mief der Benediktpolitik.