Islamischer Religionsunterricht oder Islamkunde-Unterricht?

Da die religiösen Überzeugungen eine höchstpersönliche Angelegenheit sind, muss eine RelG sich auf natürliche Personen beziehen. Das gilt insbesondere für RelG, die an die Gestaltung des RelU als ordentliches Lehrfach mitwirken wollen. Sie benötigen eine eindeutige Mitgliederstruktur, damit sich feststellen lässt, welche Schulkinder zum Besuch des entsprechenden RelU verpflichtet sind. Schließlich wird das Gemeinschaftsleben in der Gesamtorganisation dadurch verwirklicht, dass alle von ihr erfassten Menschen vom einfachen Gemeindemitglied bis zum Vorsitzenden des höchsten Dachverbandes sich der gemeinsamen religiösen Sache verpflichtet fühlen und auf dieser Grundlage die ihnen gesetzten Aufgaben erfüllen.

Zu diesen Voraussetzungen kommen zwei Bedingungen hinzu, erstens die RelGen müssen durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Ein solches Erfordernis ist wegen des mit der Einführung von Religionsunterricht für den Staat verbundenen Planungs- und Kostenaufwands unverzichtbar.

Zweitens darf der Staat nicht hinnehmen, dass zur inhaltlichen Gestaltung eines werteorientierten und wertevermittelnden Unterrichts an seinen Schulen eine Religionsgemeinschaft zugelassen wird, welche die elementaren Prinzipien in Frage stellt, auf denen dieser Staat beruht. So müssen RelGen, die die Einführung von Religionsunterricht begehren, Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.

Es sind dies die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze, die Art. 79 Abs. 3 GG jeglicher Änderung entzieht

Bezüglich des RelU gelten die oben gemachten Ausführungen auch für RelGen, die den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechtes nach Art. 137.5. WRV erlangt haben. Die letzten genießen zusätzliche Privilegien.

Die islamischen Verbände

Abgesehen von den Aleviten und der Ahmadiyya, sind die islamischen Verbände weit davon entfernt, die Voraussetzungen für die Erteilung des RelU zu erfüllen. Sie haben es noch nicht geschafft, ihre Lehrpläne den Erziehungszielen des Staates anzupassen. Durch eine verschönende Quellenauswahl beabsichtigen sie bewusst zu täuschen, um eine theologische Auseinandersetzung mit ihrer Religion zu vermeiden. Wenn jemand wie Professor Khorchide eine theologische Arbeit leistet, dann wird er von den Verbänden angegriffen und mit Vertrauensentzug bedroht.

Die islamischen Verbänden haben den Erfordernisse für ihre Anerkennung als RelG noch nicht befriedigend entsprochen. Sie berufen sich auf Koran und Sunna, das tun aber alle Muslime in der Welt und trotzdem führen sie religiös bedingte Kriege gegeneinander. Dieser allgemeine Bezug reicht nicht allein, um die real existierende Diversität zu erklären.

Sie haben immer noch unklare Mitgliederstrukturen sowie unklare Lehrautoritäten und vor allem ist ihre Verfassungstreue in keinem Fall bewiesen. Für alle ohne Ausnahme kommt an erster Stelle das Gottesrecht, die Scharia, und nicht das Grundgesetz. Keiner von ihnen hat bis heute die Menschenrechte ohne Vorbehalt anerkannt. Die Menschenrechte werden nur im Rahmen der Scharia akzeptiert.

Der Staat

Der Staat hat im Rahmen seiner Verantwortung als obere Aufsicht über das Schulwesen Initiativen ergriffen, um den religiösen Bedarf des muslimischen Teils der Bevölkerung zu befriedigen. So ist der Islamkunde-Unterricht in vielen Bundesländern entstanden. Im letzten Jahrzehnt zeigt der Staat allerdings großen Eifer für die Erschaffung eines muslimischen Ansprechpartners. Eine Islamkonferenz wurde einberufen, Staatsverträge mit s.g. RelGen wurden abgeschlossen und eine Beteiligung an den Beiräten der neu errichteten Professuren für islamische Theologie wurde garantiert. Dabei verletzt der Staat nicht nur seine Neutralitätspflicht, sondern hintergeht alle oben erwähnten Gesetze und Vorschriften

Um den Islam zu integrieren bzw. einen deutschen Islam zu fördern, kooperiert der Staat gerade mit den Verbänden, die durch ihre implizite Ablehnung der Grundprinzipien unserer demokratischen Grundordnung ein Haupthindernis für die Integration der Muslime darstellen.

Vorschläge

Ziel ist es, einen deutschen Islam zu erschaffen, der wie alle andere Religionen in Deutschland die Vorgaben der Verfassung akzeptiert und verinnerlicht. Bis die islamischen Verbände unsere Verfassung akzeptieren und dies durch eine theologische moderne Interpretation ihrer Religion unter Beweis stellen, ist es sinnvoll, den Islamkunde-Unterricht zu behalten und zu entwickeln.

Der Islamkunde-Unterricht vermittelt Wissen über den Islam und macht die SchülerInnen mit dem Koran und seiner Botschaft vertraut. Er verkündigt keinen Glauben und ist nicht bekenntnisgebunden. Er hat sich bis jetzt als wichtiges Experimentierfeld für die Entwicklung einer Infrastruktur, bestehend aus Lehrplänen, Lehrmaterial und Lehrkräften erwiesen, die von künftig anerkannten Religionsgemeinschaften übernommen werden kann.

Der Ausbau der Ausbildung des Lehrpersonals an den Hochschulen soll fortgesetzt werden. Die Professurstellen sollen mit liberalen Muslimen besetzt werden und die Verbände, die nicht verfassungskonform sind, dürfen kein Mitspracherecht bei der Ernennung der Professoren haben. Was für den RelU gilt, gilt umso mehr für die Universität: Religionsgemeinschaften dürfen nicht zugelassen werden, welche die elementaren Prinzipien, auf denen dieser Staat beruht, in Frage stellen.

Auf dieser Weise wird garantiert, dass im Bildungswesen ein liberaler Islam gedeiht. In den Moscheen hat der Staat nichts zu suchen. Die Modernisierung der religiösen Welt unterliegt der allgemeinen sozialen Entwicklung und wird langfristig von einem im Bildungswesen sich entwickelnden modernen Islam nicht unbeeinflusst bleiben. Dabei ist es wichtig, die Islamkonferenz, die die Beziehung zwischen Staat und Islamverbänden zementiert, abzuschaffen. Für die soziale Entwicklung ist der Integrationsgipfel ausreichend.

Für die Entwicklung eines deutschen Islam ist die Unterbindung einer Fernsteuerung durch eine Fremdfinanzierung von großer Bedeutung. Man kann nicht erwarten, dass eine Finanzierung durch die Golfstaaten einem liberalen Islam dienlich ist. Und der Versand von Hunderten von Imamen nach Deutschland ist nicht nur wegen des traditionellen Islam, der sich unter Erdogan immer mehr radikalisiert, problematisch, sondern auch wegen der Aufgabe von Hoheitsrechten von seiten der Bundesregierung.

 

Ausgewählte Literatur
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Februar 2005. BVerwG 6 C 2.04
Hasselberger, Dieter, Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung. Bonn 2003
Kotioth, Stefan, Der Begriff der Religion und der Religionsgemeinschaften im deutschen Rechtssystem.
Fachkonferenz „Wege zur Harmonie im Umgang mit den Religionen“, 31. MÄRZ 2009, PEKING. KAS Veranstaltungsbeitrag
Mohr, Irka-Christin und Kiefer, Michael (Hg.), Islamunterricht. Islamischer Religionsunterricht. Islamkunde. Viele Titel – ein Fach? Bielefeld 2009
Mohr, Irka-Christin, Islamischer Religionsunterricht in Europa. Lehrtexte als Instrumente muslimischer Selbstverortung im Vergleich. Bielefeld 2006
Rohe, Mathias, Möglichkeiten und Grenzen der Bildung islamischer Religionsgemeinschaften in Deutschland. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Der Bürger im Staat - Islam in Deutschland 2001, S. 233–240

 


Die Veröffentlichung des Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Dr. Ralph Ghadban und dem Bundesweiten Arbeitskreis Säkularer Grüner.