Die Maske fällt – Islamismus made in Germany

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Erstmals gibt es eine deutschlandweite Studie, die die Studierenden der islamischen Theologie und der islamischen Religionspädagogik systematisch untersucht hat. Ein Ergebnis: circa ein Viertel der Untersuchungsteilnehmenden vertritt eine fundamental islamistische Weltsicht und befürwortet die Islamisierung der Politik. Die Ergebnisse der Studie sollten bei aller Deutlichkeit der Befunde dennoch mit Bedacht interpretiert werden.

Vor ca. 13 Jahren wurde an deutschen Universitäten die Fächer "Islamische Theologie" und "Islamische Religionspädagogik" eingeführt. Die Hoffnungen waren groß, das in Verruf geratene Image des Islam zu verbessern und sich von der Türkei in der Imamausbildung emanzipieren zu können. Man erhoffte sich darüber hinaus einen positiven Effekt auf die Integration muslimischer Mitbürger und versprach sich vom Ausland unabhängige Theologen, die einen liberalen Islam predigen. Gleichzeitig sah man sich mit Schwierigkeiten konfrontiert. Einerseits gab es Unklarheiten bezüglich der Exegese der Quelltexte und andererseits bestand das Problem, dass die Inhalte der Studiengänge durch Beiräte festgelegt wurden, die vor allem aus den großen orthodoxen und islamistischen Verbänden wie der DITIB etc. kamen. Allerdings gab es auch viel Kritik. Der Zentralrat der Konfessionsfreien sieht die Säkularität gefährdet, da religiöse Bedürfnisse auf dem Rücken der Allgemeinheit finanziert werden. Moritz Pieczewski-Freimuth formulierte in einem umfangreichen Artikel seine Bedenken bezüglich der vom Bundesinnenministerium unterstützen Imamausbildung in Deutschland. Pieczewski-Freimuth sah die Gefahr, dass dem politischen Islam damit eine "Hintertür" aufgemacht werde. Handelt es sich dabei um ein realistisches Szenario, oder ist das doch eher Ausdruck einer religiösen Paranoia?

Islamische Theologie und Religionspädagogik ist für universitäre Verhältnisse in Deutschland noch recht jung, weshalb es noch keine belastbaren Evaluationen dazu gab, die eine evidenzbasierte Aussage zum Nutzen oder Schaden zulassen würden. Bis jetzt.

Erste deutschlandweite Studie

Abdulkerim Şenel und Dr. Sarah Demmrich von der Universität Münster haben im März 2024 die erste deutschlandweite Studie1 veröffentlicht, die die Studierenden der islamischen Theologie und der islamischen Religionspädagogik systematisch untersucht hat. An allen elf deutschen Universitäten, wo diese Studiengänge angeboten werden, wurden insgesamt 252 der muslimischen Studierenden (etwa 11 Prozent der Gesamtpopulation) der genannten Fächer anonymisiert mittels Fragebögen befragt. Die Forschenden interessierten sich vor allem für deren Werteorientierung in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit, Demokratie und Feindbilder. Zudem erhoben sie Daten zu den religiösen, fundamentalistischen, islamistischen und reformorientierten Tendenzen sowie der wahrgenommenen Repräsentation durch die islamischen Verbände. Von den Studienteilnehmenden waren 75 Prozent Frauen, was repräsentativ für die Studiengänge ist. 70 Prozent studierten islamische Religionspädagogik (30 % islamische Theologie) und insgesamt 63 Prozent befanden sich im Bachelorstudium. Der Großteil der Studierenden wurde in Deutschland geboren (90 Prozent), 95 Prozent hatten einen Migrationshintergrund, wobei der Großteil von ihnen einen türkischen Migrationshintergrund (68 Prozent) aufweist.

Im Folgenden wird auf ausgewählte Ergebnisse der Studie eingegangen. Allgemein konnte gezeigt werden, dass "Reformorientierung" positiv mit Geschlechtergerechtigkeit und demokratischen Werten einhergeht und negativ mit sozialer Segregation, Stereotypen, Islamismus/Fundamentalismus und der Repräsentation durch die Islamverbände DITIB und IGMG (Millî Görüş) assoziiert ist. "Islamismus" hingegen ist positiv assoziiert mit der Motivation, andere zum Islam zu bekehren, sozialer Segregation, Feindbildern, Fundamentalismus und der Repräsentation durch IGMG und ist negativ assoziiert mit Reformorientierung, Geschlechtergerechtigkeit und demokratischen Werten.

Soweit, so intuitiv plausibel, allerdings bleibt immer noch die Frage offen, wie viele der Studierenden welche Positionen vertreten? Über die Hälfte stimmt dem Motiv zu, andere bekehren zu wollen (52 Prozent) und noch mehr lehnen einen an Europa angelehnten Islam ab (68 Prozent). Darüber hinaus fühlen sich die meisten durch DITIB (68 Prozent) und/oder IGMG (59 Prozent) repräsentiert. Des Weiteren berichten 57 Prozent, fast ausschließlich muslimische Freunde zu haben (Segregation). 20 Prozent stimmen zu, dass Frauen sich um den Haushalt kümmern sollten, während Männer arbeiten gehen. Fast zwei Drittel (61 Prozent) sehen den Mann als Verantwortlichen für den finanziellen Unterhalt der Familie. Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) würde es vermeiden, dem anderen Geschlecht die Hand zu schütteln. Feindbilder sind ebenfalls weit verbreitet: 56 bis 60 Prozent vertreten antiwestliche Vorstellungen, zum Beispiel, dass der Westen verantwortlich für schlechte Bedingungen in islamischen Ländern sei, oder dass er alles dafür tun würde, dass der Islam keine Hochkultur werden könne. Ebenfalls finden antisemitische Vorstellungen breite Zustimmung. Knapp die Hälfte (47 Prozent) spricht Israel das Existenzrecht ab und etwas mehr als ein Drittel (37 Prozent) sieht einen zu großen jüdischen Einfluss in der Welt. Aber auch andere Muslime können zum Feindbild werden: 12 Prozent nehmen assimilierte Muslime als Feinde wahr. Die Autoren fassen zusammen, dass circa ein Viertel der Untersuchungsteilnehmenden eine fundamental islamistische Weltsicht vertritt und die Islamisierung der Politik befürwortet. 10 Prozent befürworten "reaktive" Gewalt, während 6 Prozent aktive Gewalt an Ungläubigen befürworten. Positiv hervorzuheben ist, dass 98 Prozent Gewalt an Frauen zurückweisen und demokratischen Werten im Allgemeinen zustimmen.

Vertreter des Politischen Islam dürften nach Veröffentlichung der Studie beruhigt aufatmen.

Die Ergebnisse der Studie sollten bei aller Deutlichkeit der Befunde dennoch mit Bedacht interpretiert werden. Forschung ist fehleranfällig. Beispielsweise wurden hier "nur" 11 Prozent der muslimischen Population untersucht, die die entsprechenden Fächer gegenwärtig studieren. Eine Übergeneralisierung auf andere Studienfächer oder muslimischen Gruppen ist daher aus methodische Gründen nur bedingt möglich. Zudem benötigt es immer eine größere Zahl an Studien, die dann einen Gesamteindruck geben können. Dennoch sind diese Befunde besorgniserregend, da es eine Vielzahl an Personen zu geben scheint, die reaktionäre Weltbilder vertreten. Vertreter des Politischen Islam dürften nach Veröffentlichung der Studie beruhigt aufatmen.

Islamunterricht in NRW

Die FDP-Fraktion forderte im Anschluss an die Studie die Beendigung des islamischen Religionsunterrichts (IRU) in Nordrhein-Westfalen, da sie "erhebliche Gefahren für Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens" sehe (der hpd berichtete). Die Uni Münster führt derzeit eine Folgestudie an Schulen in NRW durch, in welcher Schülerinnen und Schüler den IRU besuchen. Folgerichtig interessieren sich die Forschenden für ähnliche Themen wie die aus der Befragung der Studierenden zuvor. Als Reaktion darauf formulierten das Elternnetzwerk NRW und der Verband Muslimischer Lehrkräfte eine gemeinsame Stellungnahme, in welcher "erhebliche Mängel" der Studie reklamiert wurden, da "tendenziöse" Fragen gestellt würden und forderten die sofortige Beendigung.

Bevor solcherlei Studien durchgeführt werden, müssen diese erst einmal durch die Ethikkommission der Universität genehmigt werden. Hierbei handelt es sich um ein sehr sensibles Gremium, dass den Nutzen einer Studie gegen seinen möglichen Schaden abwägt. Hier reichen Kleinigkeiten aus, um ein Studienvorhaben zu canceln. Die Vorwürfe der "tendenziösen und suggestiven Befragung" oder des "Gesinnungstests", wie es auf einer anderen Seite heißt, sind damit gegenstandslos.

In der damaligen wissenschaftlichen Begleitung des IRU durch die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Nordrhein-Westfalen, die in drei Wellen durchgeführt wurde, wurde nahezu ausschließlich nach der Akzeptanz des IRU durch muslimische Schüler, deren Eltern und Lehrer gefragt. Wenig überraschend ist, dass der IRU von allen beteiligten gut angenommen worden ist. Neben der Moschee gab es jetzt einen weiteren Ort des religiösen Bekenntnisses. Die Eltern- und Muslimverbände formulierten damals natürlich keine Stellungnahme, in der sie kritisiert hätten, dass die Studie zu unkritisch ist.

Auch wenn wenig beachtet, gibt es allerdings einen Punkt in der IRU-Begleitstudie, der einen misstrauisch werden lassen sollte: Es wurden Daten zur Akkulturation – also wie sehr Personen an Integration, Assimilation oder Separation interessiert sind – erhoben. Über alle Befragungswellen hinweg gab es große Ablehnung bei den Schülern, dass die eigene Familie "wie Deutsche" leben solle (Assimilation) und eine große Zustimmung, dass die eigene Familie so leben solle wie im Herkunftsland (Separation). Das Annehmen der "deutschen" Lebensweise und das Beibehalten der Lebensweise aus dem Herkunftsland wurde mit einer zwei-Drittel-Mehrheit bejaht (Integration). Die Inhalte des IRU werden im Übrigen durch den Beirat für Islamischen Religionsunterricht in NRW festgelegt, der ebenfalls aus Mitgliedern der großen orthodoxen Islamverbände wie DITIB, Islamrat, Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und dem Zentralrat der Muslime (ZMD) besteht.

Einmal mehr wird deutlich, wie tief verwoben islamistische und orthodoxe Interessen bereits mit dem öffentlichen Leben sind. Es wird Zeit für eine politische Notbremse. Der Staat darf radikale Weltanschauungen nicht fördern und muss sich von dem romantischen Verhältnis zu den konservativen Islamverbänden lösen.

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  1. Şenel, A., & Demmrich, S. (2024). Prospective Islamic Theologians and Islamic religious teachers in Germany: between fundamentalism and reform orientation. British Journal of Religious Education, 1-19. ↩︎