Christliche Werbung nicht nur bei der baden-württembergischen Polizei

Weitere Fälle von Bibel-Verteilungen

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Polizei

KONSTANZ. (hpd) Nach der Eingabe an den Petitionsausschuss des Landtages von Baden-Württemberg in Bezug auf ein Verbot religiöser Werbung und für Neutralität im öffentlichen Dienst des Landes haben sich bei der "Humanistischen Alternative Bodensee" (HABO) mehrere Personen gemeldet, die von ähnlichen Aktionen berichteten, wie sie die Petenten Jürgen Sterk und Dennis Riehle als Grundlage für ihr Schreiben an das Parlament aufgezeigt hatten.

Anstoß war die die genehmigte Auslage von Bibeln in der Dienststelle der Kriminalpolizeidirektion Friedrichshafen, ein christliches Werbebanner im dortigen Intranet sowie geplante Verteilungen des "Neuen Testaments" in anderen Einrichtungen des Polizeipräsidiums Konstanz. Das Innenministerium Baden-Württemberg hatte in einer ersten Stellungnahme mitgeteilt, dass es die von der Vorgängerregierung im Jahr 2007 erlassene Gestattung zur Bibel-Verteilung aufgehoben habe.

Nun scheint sich herauszustellen, dass das Angebot von christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften zur Verbreitung von Schriften in Institutionen der Polizei ein strukturelleres Problem sein könnte: Wie Informanten mitteilten, habe es mindestens in 2012 und 2013 an der Hochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen Stände von "christlichen Fundamentalisten" gegeben, die massiv für ihre Lehre geworben hätten. Wie berichtet wurde, hätten die Dozenten diese Aktion gelobt und in Aussicht gestellt, diese regelmäßig in kommenden Semestern wieder anzubieten.

Offenkundig scheinen selbst hochrangige Verantwortliche keinerlei Gespür dafür zu haben, dass einseitig weltanschauliche Werbung keinen Platz im öffentlichen Dienst hat. Diese offenkundig selbstverständliche Zusammenarbeit mit christlichen Vereinen und Sondergemeinschaften untergräbt die Trennung von Staat und Kirche massiv!

Und nicht nur die Polizei scheint betroffen: Die HABO erreichten auch Mitteilungen, wonach an staatlichen Kindertagesstätten neben täglichen Gebeten, Andachtsstunden und Kruzifixen auch Missionsseminare – bereits für die Kleinsten – angeboten würden. Die Meldungen kamen aus dem nordwürttembergischen Teil des Landes und dürften aufgrund übereinstimmender Ortsangaben glaubhaft sein. Aus der Region Oberschwaben berichtete ein Augenzeuge von wiederholten Verteilungen des "Neuen Testaments" auf dem Schulhof einer staatlichen Realschule. Von dort kam auch ein Hinweis über Morgenandachten außerhalb des Religionsunterrichts an einer ebenfalls öffentlichen Grundschule. Man könnte nun sagen, dass solche Prozeduren ja bereits zur Tradition gehörten und deshalb für niemanden anstößig seien sollten. Doch wer sein Kind einer staatlichen Einrichtung in Obhut gibt, der muss Sicherheit haben, dass dort auch religiöse Neutralität herrscht. Was bringt es, einen Schüler in den Ethik-Unterricht zu schicken, wenn er auf dem Pausenhof dann doch die Bibel in die Hand gedrückt bekommt?

Kirchen und Religionsgemeinschaften haben in ihren eigenen Privatschulen sowie in dem ihnen zugestandenen Religionsunterricht an staatlichen Schulen ausreichend Möglichkeit, um sich zu präsentieren. In einem aufgeklärten Land müssen wir uns darauf verlassen können, dass die Glaubensfreiheit aller Menschen respektiert wird – eben auch derjenigen, die ohne Religion leben möchten oder einer anderen Überzeugung als dem Christentum angehören. Im öffentlichen Raum kann diese Gleichberechtigung nur durch Neutralität und Zurückhaltung gewährleistet werden. Man könnte noch Verständnis dafür haben, dass in besonders belastenden Berufen – wie dem der Polizei –, aber auch für Schüler der Alltag eine immer größere Herausforderung darstellt und hier entsprechende Hilfestellung nötig ist. Doch für eine Unterstützung wäre es allerdings sinnvoller, die Präsenz von Psychologen und Vertrauenslehrern zu verstärken. Wer darüber hinaus seelsorgerlichen Beistand wünscht, kann diesen auf privater Ebene suchen.

Entsprechend wird die HABO nun an das zuständige Kultusministerium, aber auch an das Wissenschaftsministerium herantreten, um dort zu erfragen, welche Praxis im Umgang mit religiöser Werbung an (Hoch-)Schulen und Kindergärten gepflegt wird.