Die historische Aufklärung sieht sich seit einiger Zeit Kritik ausgesetzt. Sie sei eine Angelegenheit "alter, weißer Männer" gewesen, habe andere Kulturen zerstört und ihren universalistischen Anspruch nie eingelöst. Die MIZ wird in diese Debatte einsteigen und sich 2020 in einer Serie mit Leistung und Versagen der Aufklärung auseinandersetzen.
Den Auftakt macht der Philosoph Hermann Josef Schmidt. Er geht davon aus, dass Aufklärung – verstanden als Ergebnis der Anwendung von Kritik – ein prägendes Element europäischer Identität sei. Dazu erinnert er an jenen Strang der griechischen Philosophie, der bereits vor über 2500 Jahren darum bemüht war, die Welt ohne Rückgriff auf transzendente Größen zu erklären. Denker wie Xenophanes, Prodikos oder Demokrit erkannten den Projektionscharakter von Göttergestalten, reflektierten psychologische Erklärungen der Religion und sahen "geistige Autoritäten" kritisch. "Aufklärer haben hinreißende geistige Ahnen", so Hermann Josef Schmidt, die am besten dadurch geehrt würden, indem wir ihr Projekt der Aufklärung und Kritik weiterführen.
Religionsfreiheit und Laizismus
In einem Grundsatzartikel erörtert Gerhard Rampp, warum Religionsgesellschaften gar kein Interesse an voller Religionsfreiheit haben. Dies begründet er anhand von sechs Punkten, die für ihn untrennbar zur Religionsfreiheit gehören, von den Repräsentanten christlicher und islamischer Konfessionen jedoch nicht oder nur eingeschränkt zugestanden werden.
Mit der durch die Wahl eines neuen Bundesvorstandes entstandenen Situation in der SPD setzt sich Gerhard Lein auseinander. Er sieht nun Möglichkeiten, dass auch in der Sozialdemokratie ein "säkularer" Arbeitskreis offiziell eingerichtet und offen über Laizismus diskutiert werden kann.
Missbrauch und Neutralität
Der Journalist Rolf Cantzen hat sich nicht nur in einigen Radio-Features über Demütigung, Gewalt und Missbrauch in katholischen Bildungseinrichtungen berichtet, sondern auch Betroffenen in einem Sammelband eine Stimme gegeben. Obwohl er also als Experte gelten kann, wurde eine Interviewanfrage von Bischof Heiner Wilmer, der sich in der Öffentlichkeit gerne als Missbrauchsaufklärer darstellt, abschlägig beschieden. Dabei hätte es ein spannendes Gespräch werden können, denn Rolf Cantzen verweist auf eine Lücke zwischen Sonntagsreden und alltäglichem Handeln, wenn es um den Missbrauchsskandal im Allgemeinen oder das katholische Internat in Handrup im Besonderen geht.
Während in Berlin das Neutralitätsgesetz unter Beschuss steht, ist im kanadischen Quebec ein umfassendes Neutralitätsgesetz in Kraft getreten. Naïla Chikhi zeigt, welche bizarren Allianzen sich in der Debatte bildeten, wie vermeintlich Linke mit den Conseil Catholique und dem Canadian Council of Muslim Women gegen Befürworter des Neutralitätsgesetzes wie die Vereinigung in Quebec lebender NordafrikanerInnen zusammenarbeiteten. Dass diese Querfront letztlich erfolglos blieb, sieht die Autorin als Ansporn, auch in Deutschland für Neutralitätsgesetze einzutreten.
Abgrenzung und Propaganda
Ein derzeit gerne eingesetztes Mittel der religiösen Rechten, den öffentlichen Raum zu bestimmen, ist es, in Bildungseinrichtungen Konflikte um den Speiseplan vom Zaun zu brechen. Rainer Ponitka problematisiert dieses Vorgehen und gibt einen knappen Überblick über die Speisevorschriften einiger größerer Religionen.
Das islamistische Propaganda-Magazin "Dabiq" nimmt Iria Weber unter die Lupe. Es richtet sich mit einer eigenen Kolumne "To our sisters" an insbesondere junge Frauen, verspricht ihnen Alternativen zu ihrem als unbefriedigend empfundenen Leben. Welche Mechanismen zum offensichtlichen Erfolg von "Dabiq" beigetragen haben, analysiert die Autorin in ihrem Beitrag.
Daneben gibt es noch die üblichen Rubriken Netzreport und Internationale Rundschau, die Glosse "Neulich..." (diesmal in Bangladesch) und Buchbesprechungen.
Mehr zur aktuellen MIZ findet sich auf der Webseite der Zeitschrift.
5 Kommentare
Kommentare
Roland Weber am Permanenter Link
Dem berühmten Satz Kants, der dazu auffordert, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, fehlt leider ein ganz elementarer Teil.
Ich erlaube mir deshalb mit Nachdruck einen großartigen Philososphen zu ergänzen:
Habe den Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen - und handle auch danach.
An letzterem fehlt es leider noch viel zu oft. Wenn man feststellt, dass da etwas im Kern nicht stimmt, dann hat es sich eben nicht damit, sondern dies erfordert dann auch weitere Konsequenzen. Die Aufklärung beschränkte sich von Anfang an darauf, einen Gottesglauben zu verwerfen und den Kirchen Machtmissbrauch vorzuwerfen. An die angeblichen, jedoch unhaltbaren "historischen Quellen des Christentums" trauen sich bis heute nur wenige (Drews, Kammeier, Detering etc.).
Auch bei sogenannten Christentumskritikern bleibt am Ende dann doch ein noch irgendwie historischer Jesus zurück - auch wenn Gemeindetradition, Hinzudichtungen etc. durchgängig als Fakten angesehen werden. Trotz alledem bleibt es bei einem Mantra: ein historischer Jesus - und damit eben das Ganze! - bleibt unangefochten.
Eine wahrhaftige Aufklärung kann erst dann stattfinden, wenn man seinen Verstand so weit als möglich fordert. Erst wenn mögliche Erkenntnisquellen erschöpft sind, kann ein (Mit-)Glauben anfangen - und nicht schon davor.
Wolfgang am Permanenter Link
Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder sogar vorsätzlich verschließen.
Georg Christoph Lichtenberg
Ich kenne Leute, die sind empört, wenn man ihren Glauben stört.
Ketzer! Ketzer! Kirchenhetzer!
Ich kenne auch Leute, die nichts wissen wollen über Politik, Kritik und andere unmenschliche Angelegenheiten. Mir geht es gut und damit basta!!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Wolfgang, alles richtig, solche Leute gibt es zuhauf, diese Ignoranten sind unbelehrbar bis es sie einmal selbst betrifft, dann haben sie es schon immer gesagt.
Wolfgang am Permanenter Link
Ich lege mich auch gerne mit Theologen an, schwieriges Expeditionsgebiet, man stößt immer wieder auf Überraschungen, Drohungen, Dummheit und immer wieder dieses Gejammere und inbrünftige Beten. Brunft. Ohne Hirn.
Topeka am Permanenter Link
Auch zitierenswert:
Mit den Religionen ist es wie mit den Gluehwuermchen: Sie leuchten nur in der Dunkelheit.