Zeitschrift

Zweiteiliger MIZ-Schwerpunkt "Macht Glaube gesund?"

Wie die Empfehlungen des Deutschen Wissenschaftsrates ins Leere laufen, das beschreiben Vera Muth und Gunnar Schedel in ihrem Artikel "Theologie statt Religionswissenschaft". Nichts Neues also in der Bundesrepublik: Der Politik ist eine Religionswissenschaft, die unvoreingenommen Glaubensphänomene aller Religionen untersucht und auch die Schattenseiten derselben nicht ausklammert, unwillkommen. Und nun werde sogar noch "Islamische Theologie" an den staatlichen Universitäten etabliert. Angeblich diene das der Integration Zugewanderter, "die heute zumeist nur noch als Muslime wahrgenommen werden". (S. 30) – Und nicht als Menschen anderer Nationalitäten, Ethnien oder Kulturen.

Die Autoren bringen auf den Punkt, worum es wirklich geht: "Die Privilegien der christlichen Kirchen werden mit fragwürdigen Argumente sukzessive auf ”den Islam“ (…) ausgeweitet." (S. 20) Denn mit dieser "Ausweitung" kann man die eigenen Privilegien umso besser erhalten!

Im Heft kommt Gunnar Schedel nochmals zu Wort mit einem Text "Im Netz der Steuerfischer", der einem aufgeklärten Menschen wie eine Geschichte aus dem finsteren Mittelalter vorkommt. Dabei behandelt er das Hier und Heute in Deutschlands Hauptstadt. Hier, wie auch zusätzlich in einer Seitenspalte "Behördenwillkür in Worms" geschildert, spiele sich Tag für Tag eine Posse kafkaesker Art ab: Staatliche Stellen geben permanent persönliche Daten von religionsfreien Menschen, auch von Ausländern (Fall des Franzosen Thomas Bores), an kirchliche Stellen ab. Es geht um den vom Klerus verlangten Nachweis eines Kirchenaustritts, andernfalls seien jene grundsätzlich Menschen kirchensteuerpflichtig. Warum gerade gebürtige DDR-Bürger und Ausländer dies einfach nicht können, das erläutert Schedel sehr konkret. Die Nachfolger der Jesus-Jünger seien eben keine Menschen-Fischer, sondern schlicht und ergreifend Steuer-Fischer, denen es nur um eines gehe: "Dass die Kirchen von diesen Menschen Kirchensteuern einfordern, macht nur allzu deutlich, dass es den geistlichen Unternehmen (sic!) letztlich in erster Linie eben doch nur ums Geld geht. Nicht ihres Glaubens, sondern einiger Hundert oder Tausend Euro wegen reklamiert die Kirche sie als ihre Mitglieder." (S. 32)

Im Prisma

Besonders informativ sind sicherlich für jeden Leser zwei der vier Artikel dieses Schwerpunktes. Und zwar das Interview "Kein Atheist wird mehr allein sein" mit Onur Romano vom türkischen Verein für Atheismus Ateizm Derneği, offiziell gegründet am 16. April 2014. Im Interview heißt es dazu, der Verein "ist nicht nur in der Republik Türkei, sondern für alle Länder in denen eine überwiegend muslimische Bevölkerung lebt, der erste atheistische Verein in Form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts." (S. 38) Für die Gründer überraschend, wurde der Verein sogar problemlos zugelassen. Dennoch ließen staatliche Schikanen nicht lange auf sich warten; so wurde jüngst erst die Webseite des Vereins gesperrt.

Vorgestellt wird in einem weiteren Beitrag von Paul Tobin Singapurs "Humanistische Gesellschaft" und der Kampf nichtreligiöser Menschen in diesem südostasiatischen Stadtstaat. Mehr als 17 Prozent der Singapurer seien derzeit nichtreligiös – mit steigender Tendenz. Bislang aber ist die Humanistische Gesellschaft noch die einzige Organisation für diese Bevölkerungsgruppe.

Ins Prisma fügt sich auch Daniela Wakoniggs Glosse "Neulich … bei Papa Francesco" ein, ausnahmsweise heuer zwei Seiten lang. Sie beginnt mit diesen Sätzen: "Bei meinem jüngsten Bahnhofskiosk konnte ich der Versuchung nicht widerstehen. Ich habe sie gekauft: Die deutsche Erstausgabe der Zeitschrift 'Mein Papst' – das Privatleben von Jorge Bergoglio auf Hochglanzpapier. Warum? Weil ich es endlich verstehen will, dieses Phänomen 'Franziskus'. Warum jubeln die Menschen diesem Mann zu? Ist es wirklich genug, als freundliches Großväterchen aufzutreten? Hört denn niemand zu, wenn dieser Mann spricht?" (S. 42)

Daniela Wakonigg ihrerseits hat ihm genau zugehört und bringt das hier dezidiert zur Sprache. Und des Papstes Sprüche lassen erschaudern: Nach wie vor nur uralter katholischer Wein in vorgeblich neuen Schläuchen.

Im letzten Beitrag dieses Abschnittes "Kritik der Schöpfung" schreiben Marvin Chlada und Andreas Gwisdalla über den Gottesbegriff des Frühsozialisten Charles Fourier (1772 – 1837), der bei all seinen antiklerikalen Attacken keinesfalls ein Atheist gewesen ist.

Blätterwald, Rezension, Rundschau, Termine

Zwei Meldungen sind im "Blätterwald", der säkularen Medienauswertung, zu finden: "Homöopathie für Skeptiker" und sehr ausführlich "Ein Demagoge bei REMID". Chefredakteur Christoph Lammers hat Thomas Großböltings Buch "Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945" rezensiert. Nach der Lektüre kommt er zu diesem Urteil, dass "Großbölting immer wieder ein sehr verklärendes Bild des Staat-Kirchen-Verhältnisses entwirft. [Das] Buch ist, trotz eines überaus interessanten Ansatzes, ein typisches Beispiel der deutschen Zeitgeschichte, deren bekannteste Vertreter (…) ihre hochschulpolitische Karriere auch ihrer Kirchentreue verdanken. (…) Für Konfessionslose ist dies einmal mehr ein Beleg für die kirchennahe Zeitgeschichtsschreibung, zumal die größte Schwachstelle des Buches die Rolle der Konfessionslosen in Deutschland ist. Auf eine sachlich neutrale und zugleich aufgeklärt-kritische Darstellung muss weiter gewartet werden." (S. 51)

Die "Internationale Rundschau" bringt Nachrichten aus Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Liechtenstein, Österreich, Polen, der Schweiz, Spanien, dem Vatikan, den USA, aus Chile, Ägypten, Kenia, Bangladesh, Israel, Pakistan und den Philippinen. Zur Meldung über das Auftreten des erzbischöflichen Vatikan-Botschafters auf einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtssitzung hat die MIZ-Redaktion angemerkt: "Die Praxis zeigt, dass die ebenso regelmäßigen wie allgemein gehaltenen Friedensappelle der Religionsführer scheinheilige Rhetorik sind, mit denen sie sich lediglich zu moralischen Schiedsrichtern in weltlichen Fragen aufschwingen wollen." (S. 59) – Was ihnen leider noch viel zu oft gelingt…

Diverse säkulare Veranstaltungstermine aus mehreren Bundesländern runden auch die neue MIZ wieder ab.
 


MIZ - das bedeutet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann über den Alibri-Verlag Aschaffenburg bezogen werden.