MIZ 2/21 erschienen: Neutralität am Zug

Wie kann eine moderne Religionspolitik aussehen und könnten Neutralitätsgesetze dabei eine Rolle spielen? Diese Frage stellte sich die MIZ-Redaktion und der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) stellte sie angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl den im Parlament vertretenen Parteien. Die Antworten schlagen sich im Schwerpunkt von Heft 2/21 der Zeitschrift nieder.

Frank Welker befürwortet im Editorial ein Neutralitätsgesetz (bzw. ein entsprechendes Rahmengesetz, da einige Regelungen auf Länderebene getroffen werden müssten). Er sieht darin eine Möglichkeit, die Spaltung der Gesellschaft in nebeneinander existierende Parallelwelten zu verhindern.

Im Juli hatte der IBKA die Geschäftsstellen der Parteien sowie die Bundestagsfraktionen angeschrieben, für die Idee eines Neutralitätsgesetzes geworben und darauf hingewiesen, dass in einer weltanschaulich ausdifferenzierten Gesellschaft ein Modell aus dem 19. Jahrhundert wie der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unvermeidbar zu Diskriminierung führen müsse. Indem Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften diesen Status und die damit verbundenen Privilegien erreichen können, andere zivilgesellschaftliche Gruppen hingegen nicht, stelle dies eine strukturelle Privilegierung dar, was angesichts der Tatsache, dass nur noch etwa zwei Drittel der Bevölkerung sich zu einer Religion bekennen, grundsätzlich ungerecht sei.

Die Fragen brachten die Parteien offenbar ins Grübeln, denn bis Redaktionsschluss lagen nur Antworten der Union vor. Diese waren erwartungsgemäß ablehnend, die Partei mit dem C im Namen setzt voll auf das bisherige Kooperationsmodell. Eine grundsätzlich positive Haltung zur Idee eines Neutralitätsgesetzes nehmen hingegen Hannah Wettig und Roman Grabowski ein, die von der Redaktion befragt wurden. Sie ist aktiv bei den Säkularen Grünen, er in der LAG Säkulare Linke in Berlin, und bei aller Übereinstimmung in der Grundsatzfrage zeigen sich doch einige interessante Unterschiede in den Details.

Bundestagswahlprogramme

Passend zum Schwerpunkt wirft Gunnar Schedel einen Blick in die Wahlprogramme der sechs im Bundestag vertretenen Parteien und die darin enthaltenen Aussagen zum Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften. Er sieht dabei so viel Veränderungspotential wie selten. Lediglich die Union möchte alles beim Alten belassen und die AfD möchte zurück zum Zustand vor 30 Jahren (als es Privilegien nur für die Kirche im eigenen Dorf gab). Auch die SPD zeigt sich eher konservativ, indem sie sich zu dem Themenkomplex Staat und Kirche kaum äußert, also (abgesehen vom kirchlichen Arbeitsrecht) keinen Veränderungsbedarf sieht. Die Linke, die Grünen und die Liberalen hingegen haben längere Passagen in ihren Wahlprogrammen, in denen verhandelt wird, wie ein "Religionsverfassungsrecht" von morgen aussehen könnte. Da finden sich viele Punkte, die seit langem auf der Wunschliste der säkularen Verbände stehen – aber nicht nur.

Nicole Thies hat sich die Aussagen zu den Paragraphen 218 und 219 genauer angesehen und stellt fest, dass das Thema reproduktive Selbstbestimmung wieder auf der politischen Agenda steht – und die Positionen sehr weit auseinander liegen.

Frank Welker stellt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach vor, welche die Haltung der Bevölkerung zum radikalen Islam untersucht hat. Sein Fazit: Angesichts einer grundlegend kritischen, aber nicht undifferenzierten Einstellung der Bevölkerung war es ein Fehler der Parteien, dieses Feld nicht zu besetzen.

Serie: Aufklärung

In der Aufklärungsserie reflektiert Alex Demirović die Aufklärung aus der Perspektive der Kritischen Theorie. Er kommt zu dem Schluss, dass Vernunft durchaus einen Maßstab für die Beurteilung gesellschaftlichen Handelns darstellt, aber nicht den einzigen. Die Aufklärung sei für den Alltag in der bürgerlichen Gesellschaft nicht verbindlich geworden, es werde nur selektiv auf Vernunft zurückgegriffen.

Frauenrechte und Rassismus

Vor 150 Jahren fand der Paragraph 218 seinen Weg ins Strafgesetzbuch und dort steht er noch immer. Viola Schubert-Lehnhardt erinnert daran, dass Frauen schon immer versucht haben, dem Zwang, ein Kind zu bekommen, auszuweichen. Sie vergleicht die Entwicklungen in BRD und DDR und macht klar, dass Frauen bis heute nicht das Recht auf volle reproduktive Selbstbestimmung haben, und es starke Kräfte gibt, das Erreichte zurückzudrehen.

Darf jemandem, der die systematische Diskriminierung von Frauen, wie sie in der katholischen Kirche zu finden ist, legitimiert, "Rassismus" vorgeworfen werden? Diese Frage erörtert Agnes Imhof anlässlich der Auseinandersetzung um die Äußerungen der Tübinger Dogmatik-Professorin Johanna Rahner.

Evolution und Intelligenz

Thomas Waschke setzt seine in MIZ 1/21 begonnene Überlegungen zur Leistungsfähigkeit der Evolutionstheorie fort. Um 1900 hatte sich die Deszendenztheorie in der Biologie allgemein durchgesetzt (mit allen weltanschaulichen Folgen), aber es herrschte große Uneinigkeit, nach welchen Mechanismen die Evolution abläuft.

Rüdiger Vaas orientiert uns über den derzeitigen Stand der Suche nach intelligentem Leben irgendwo "da draußen". Noch wurde nichts gefunden – aber der bislang untersuchte Teil des Alls ist winzig und der sich abzeichnende technologische Fortschritt riesig...

Daneben gibt es die üblichen Rubriken "Neulich... an der Wahlurne", "Netzreport", eine Buchbesprechung sowie die "Internationale Rundschau".

Weitere Informationen zur aktuellen MIZ auf der Webseite der Zeitschrift.

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