Kims Tante vergiftet und Verteidigungsminister mit Flakgeschützen hingerichtet?
Ein Flüchtling aus Nordkorea, angeblich der höchstrangige in den vergangenen Jahren, erweckte kürzlich weltweit Aufmerksamkeit, als er in einem Interview mit CNN behauptete, dass Kim Jong Un seine Tante Kim Kyong Hui im Mai 2014 vergiften ließ. Sie war die Schwester des ehemaligen Machthabers Kim Jong Il und Ehefrau von Jang Song Thaek, der Ende 2013 wahrscheinlich aufgrund eines verlorenen Machtkampfes exekutiert wurde. Noch diesen Februar ging der südkoreanische Geheimdienst jedoch davon aus, dass Frau Kim noch am Leben sei. Sie soll im letzten Herbst von einem Herzchirurgen aus den USA operiert worden sein.
Auch mehrere Quellen von "Daily NK" in Nordkorea widersprachen der Darstellung des Flüchtlings, der sich gegenüber CNN als "Park" vorstellte. Kim Kyong Hui werde zwar immer noch wegen diverser Krankheiten behandelt, aber sie sei sehr wohl am Leben. Die Herausgeber des Portals "New Focus", das sehr eng mit hochrangigen Flüchtlingen zusammenarbeitet, kommentierte die Meldung damit, dass ihnen kein Funktionär "Park" bekannt sei, der über solch ein Wissen verfügen könnte.
Kim Kyong Hui wurde seit September 2013 nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen und seitdem wird über ihren Zustand gerätselt. Die Spekulationen reichen von Selbstmord über einen tödlichen Schlaganfall oder Herzinfarkt bis zu einem Hirntumor, durch den sie sich in einem vegetativen Zustand befindet. Sie soll unter einer Nervenkrankheit, Alkoholismus und/oder Depressionen leiden. Die aus vermeintlich sicheren Quellen stammende aktuelle Nachricht von ihrer Vergiftung bestätigt daher, dass bei Informationen aus Nordkorea immer ein gesundes Misstrauen angebracht ist.
Einen höheren Wahrheitsgehalt scheinen Meldungen über weitere Säuberungsaktionen innerhalb des nordkoreanischen Machtapparats zu haben, obwohl auch diese noch nicht bestätigt werden konnten.
Erst Ende April wurde aus südkoreanischen Geheimdienstkreisen bekannt, dass allein in diesem Jahr bereits fünfzehn Funktionäre und Künstler hingerichtet worden sein sollen, unter anderem wegen Kritik an der Führung des Landes. Der stellvertretenden Direktor des Forschungsinstituts für nationale Wiedervereinigung in Nordkorea, Pak Yong Chol, widersprach in einem Interview mit CNN diesen Meldungen und bezeichnete sie als "bösartige Verleumdung". Allerdings leugnete er nicht die Existenz von Hinrichtungen: "Es ist ziemlich normal für Staaten, dass sie feindselige Elemente bestrafen und exekutieren."
Jetzt kamen in der vergangenen Woche Meldungen darüber auf, dass der nordkoreanische Verteidigungsminister Hyon Yong Chol entlassen und/oder hingerichtet worden sein soll. Der südkoreanische Geheimdienst NIS soll Abgeordnete darüber informiert haben, dass Hyon dem Führer Kim Jong Un widersprochen habe und außerdem bei einer Veranstaltung, bei der Kim zugegen war, eingedöst sei. Möglicherweise weil etwa zur gleichen Zeit bekannt wurde, dass auf einem militärischen Trainingsgelände nahe Pjöngjang Flugabwehrgeschütze so ausgerichtet wurden, dass öffentliche Hinrichtungen mit diesen Waffen möglich seien, wurde gemutmaßt, Hyon sei damit geradezu pulverisiert worden. Berichten zufolge wurden 30 Meter gegenüber den Waffen Ziele aufgestellt, was auf Satellitenbildern zu erkennen ist. Aufgrund der wesentlich höheren Reichweite der Projektile seien Schüsse auf diese Distanz zu Trainingszwecken sinnlos und es wird daher angenommen, dass auf diesem Gelände öffentliche Hinrichtungen mithilfe dieser Waffen stattfinden.
Mitte April nahm Hyon noch an einer internationalen Sicherheitskonferenz in Moskau teil. Am 30. April soll er dann Meldungen zufolge verhaftet und möglicherweise direkt im Anschluss ohne Prozess hingerichtet worden sein. Sicher ist nur, dass Hyon in diesem Monat an keiner der öffentlichen Veranstaltungen teilgenommen hat, denen er normalerweise wahrscheinlich beigewohnt hätte. Das letzte Mal in einem Artikel der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA erwähnt wurde Hyon am 29. April. Allerdings wurde er bisher nicht aus älteren Fernsehbeiträgen wegretuschiert, was das übliche Vorgehen des Regimes ist, wenn ein Funktionär hingerichtet wurde.
Inzwischen gaben Quellen aus Nordkorea an, dass Anfang Mai in einer politischen Schulung für Militärangehörige auf Hyon Yong Chol Bezug genommen wurde. Dort sei er als "autokratischer Kriegsherr, der Befehle vom Obersten Führer (Kim Jong Un) verweigert" habe, bezeichnet worden. Sein Verhalten wurde mit einem Vorfall in den sechziger Jahren verglichen, als der damalige Minister für Nationale Sicherheit aufgrund von Kritik am monolithischen Führungssystem hingerichtet wurde. Eine Quelle gibt auch eine Erklärung dafür, warum Hyon nicht aus den Staatsmedien verschwunden ist: Als 2012 der damalige Generalstabschef Ri Yong Ho von der Bildfläche verschwand, galt dies als Bestätigung für eine Säuberungsaktion. Nordkorea wurde dafür international kritisiert. Diese Bestätigung wolle man dem Ausland nun nicht geben.
Wie zuverlässig die Angaben vom südkoreanischen Geheimdienst NIS sind, lässt sich nur schwer beurteilen. Einerseits werden die Informationen durch den Umstand verzerrt, dass Geheimdienstmitarbeiter hinter verschlossenen Türen mit südkoreanischen Abgeordneten sprechen, die sich dann wiederum an die Medien wenden. So soll es der NIS noch Ende April für "hoch wahrscheinlich" gehalten haben, dass Kim Jong Un an den Feierlichkeiten zum siebzigsten Jahrestag des Kriegsendes in Moskau teilnehmen würde, was er offensichtlich nicht tat. Allerdings gab der NIS wohl auch an, dass man im Vorfeld keinerlei Hotelreservierungen von Nordkorea hatte beobachten können, was Zweifel an der Teilnahme Kims zulassen würde. Je nachdem, welcher Abgeordnete dann mit welchem Medium spricht, können zwei grundverschiedene Aussagen des NIS veröffentlicht werden. So ist in diesem Fall auch unklar, ob der NIS wirklich zurückruderte, als die Angaben zur Exekution Hyons relativiert wurden. Trotzdem lag der Geheimdienst in der Vergangenheit mit einigen Einschätzungen auch falsch. Andererseits hat der NIS Ende 2013 als allererster Dienst die für viele Beobachter überraschende Entmachtung von Kim Jong Uns Onkel Jang Song Thaek veröffentlicht, die wenig später durch ausführliche Berichte von nordkoreanischer Seite bestätigt wurde.
Kurznachrichten
Immer mehr Haushalte in Nordkorea scheinen sich der Literatur von und über Kim Il Sung und Kim Jong Il entledigen zu wollen. Wie Daily NK berichtet, war es früher üblich, sehr viele dieser Bände zu besitzen, aber sie werden zunehmend als Last wahrgenommen. Zur Zeit käme es häufig zu Kontrollen, in denen nach ausländischer Literatur gesucht, aber auch der Zustand der Kim-Werke überprüft werde. Von den Bürgern wird verlangt, dass die Bücher und insbesondere die dort enthaltenden Bilder der beiden ehemaligen Führer in tadellosem Zustand sind. Wenn ein Bild versehentlich verschmutzt oder beschädigt wurde, kann der oder die Verantwortliche beim Parteikomitee vorgeladen und bestraft werden. Im schlimmsten Falle wird man als "Abtrünniger" gebrandmarkt. Deshalb versuchen viele, die Bücher loszuwerden. Aber auf Märkten können sie nicht verkauft werden. Da viele Haushalte mit Öfen heizen und kochen, werden Buchseiten als Anzünder benutzt. Bei den Kim-Werken hingegen ist die Gefahr zu groß, dass beschädigte Bücher von den Behörden gefunden werden. Also werden sie besser gleich vollständig verbrannt.
Nach einem Bericht von Radio Free Asia wurden Strafen für die Abwesenheit von der Arbeit erhöht. Diese sind, wie schon oben erwähnt, üblich, wenn Angestellte wegen Krankheit oder aus anderen Gründen nicht erscheinen. Die Strafe entspricht dabei meist dem vielfachen eines Monatslohns. Inzwischen sollen die Arbeiter als Kompensation teilweise nicht mehr Geld, sondern drei Kilogramm Benzin (in Nordkorea wird Benzin in Gewichtseinheiten gemessen) aufbringen, die gut 17.000 Won kosten (umgerechnet etwa 2,10 US-Dollar). Der Kraftstoff ist in dem Land stark rationiert. Wer aber die Möglichkeit hat, kauft sich von der Arbeitspflicht frei. Denn auf den Märkten lässt sich viel mehr Geld verdienen. Mit dem staatlichen Lohn allein kann sich keine Familie versorgen.
SARAM e.V.
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