Der Zoo Ost-Berlin soll mit fast 100 Millionen modernisiert werden

Disneyland auf Abraumhalde

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Elefanten im vorsintflutlichen "Dickhäuterhaus", an den Füßen angekettet
Elefanten im vorsintflutlichen "Dickhäuterhaus"

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Großkatze im verkachelten 60er-Jahre-Betonbunkern des "Alfred-Brehm-Hauses"
Großkatze im verkachelten 60er-Jahre-Betonbunkern des "Alfred-Brehm-Hauses"

BERLIN. (hpd) Der seit einem guten Jahr in Berlin amtierende Zoodirektor Andreas Knieriem (49) hat Großes vor mit den beiden unter seiner Regie stehenden Hauptstadtzoos. Während sein Vorgänger Bernhard Blaszkiewitz sich über Jahre und Jahrzehnte gegen jede Neuerung gesperrt hatte, will Knieriem nun alles umkrempeln. Und dabei klotzen statt kleckern.

92,36 Millionen Euro hat er eben beim Senat beantragt, um vor allem den Ostberliner Tierpark Friedrichsfelde auf Vordermann zu bringen. Von Verbesserungen in der Tierhaltung ist allerdings nur wenig die Rede. Obgleich etwa die Unterbringung der Elefanten im vorsintflutlichen "Dickhäuterhaus" zum Himmel stinkt, desgleichen die der Großkatzen in den verkachelten 60er-Jahre-Betonbunkern des "Alfred-Brehm-Hauses", und insofern dringlichster Handlungsbedarf bestünde, schwebt Knieriem ganz anderes vor: nämlich eine konsequente Disneylandisierung des Tierparks, wie er sie schon als stellvertretender Direktor des Zoos Hannover umgesetzt hatte, in dessen Umgestaltung zum "Erlebniszoo" er seit Mitte der 1990er satte 112 Millionen Euro versenkte. Bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts sollen weitere 72 Mio verbaut werden.

Auch wenn die Irrsinnsinvestitionen in Hannover sich trotz erheblich gestiegener Eintrittspreise niemals amortisieren werden - der Zoo wies, ungeachtet aller Amusementparkattraktionen im letzten Jahr fast 20 Prozent weniger Besucher auf als noch 2010 - will Knieriem in Berlin erneut zig Millionen Euro an Steuergeldern in den Sand setzen. Apropos: Die von Blaszkiewitz hinterlassenen 30.000 Tonnen an quecksilber- und bleiverseuchtem Sand - manche sprechen gar von 100.000 Tonnen -, für deren sachgemäße Entsorgung vor Kurzem noch Kosten von bis zu 2,4 Mio Euro im Raume standen, werden von Knieriem einfach in sein Disneyland-Konzept integriert: die auf dem Wirtschaftshof des Zoos lagernden gigantischen Giftsandberge sollen umgestaltet werden zum "Erlebnisraum Himalaya", einschließlich einer Gondelbahn, die die Besucher auf die Blaszkiewitzschen Abraumhalden hinaufbefördern soll. Auch ein Erlebniscafé im Friedrichsfeldener Schloß ist vorgesehen, dazu eine Bimmelbahn, ein Abenteuerspielplatz und vieles mehr. Die Pläne hingegen, ein Spaßbad auf dem Zoogelände zu errichten, wurden vorläufig auf Eis gelegt.

Dubiose Berechnungen

Zeitgleich mit seiner 92,36-Mio-Forderung an den Senat legte Knieriem den Geschäftsbericht 2014 für den Westberliner Zoo vor, der eindrucksvoll unterstreichen sollte, welch enorme gesellschaftliche Bedeutung denn einem Zoo - oder wie in Berlin gar zwei davon - zukommt. Wortreich ist die Rede von 3,25 Millionen Besuchern, die der Zoo samt dazugehörigem Aquarium im letzten Jahr habe begrüßen dürfen, sogar steigende Besucherzahlen seien zu verzeichnen gewesen.

Bei genauerer Hinsicht allerdings stellen sich merkwürdige Widersprüche heraus: Laut Geschäftsbericht sei "die Hälfte der Gäste mit Kindern unterwegs", zugleich aber sollen "50 Prozent der Zoobesucher einen (Fach-)Hochschulabschluss, 21 Prozent ein Abitur und 23 Prozent einen Realschulabschluss" besitzen, sprich: 94 Prozent (!!!) der Besucher sollen Erwachsene und zudem höhergebildet sein.

Zudem soll das Durchschnittsalter der Zoo-Besucher bei 44 Jahren liegen, was angesichts des Umstandes, dass ja "die Hälfte der Gäste mit Kindern unterwegs" sei, reichlich grotesk anmutet. Aber jetzt kommt’s: Wie, so fragt man sich, sollen bei 1,27 Millionen Gästen, die laut Bericht im letzten Jahr ein Tagesticket für den Zoo und 545.000 eines für das Aquarium lösten sowie exakt 38.179 verkauften Jahreskarten, deren Besitzer im Laufe des Jahres jeweils angenommene 20mal einen Zoo- bzw. Aquariumsbesuch abgestattet haben, insgesamt 3,25 Mio Besucher zustande gekommen sein, wie der Zoo angibt? Nach Adam Riese sind das allenfalls 2,58 Mio Besuche und aufgrund der Jahreskarten allenfalls 1,82 Mio BesucheR. Geht man davon aus, dass Zoo und Aquarium vielfach "in einem Aufwasch" besucht werden, verringert sich die Zahl der BesucheR nochmals ganz erheblich und wird auch nicht ausgeglichen durch Familienkarten, über die mehrere Personen auf einem Ticket eingelassen werden.

Tatsächlich hat das vorsätzliche Nach-oben-Fälschen von Besucherzahlen in den Zoos System. Wie der Verband der Zoologischen Gärten e.V. (VdZ) fortgesetzt behauptet, zögen allein die deutschen Zoos Jahr für Jahr rund 65 Millionen Besucher an. Die VdZ-Berechnungen aber haben einen geflissentlich übersehenen Haken: viele Menschen besuchen ein und denselben Zoo per Dauerkarte mehrfach pro Jahr, manche kommen regelmäßig jede Woche (oder gar täglich!) und/oder suchen reihum verschiedene Zoos auf, so dass die Zahl zoobesuchender Menschen tatsächlich nur einen Bruchteil der Zahl registrierter Zoobesuche ausmacht: Statten von den behaupteten 65 Millionen Besuchern pro Jahr nur fünf Prozent monatlich einen Zoobesuch ab - eine konservative Schätzung -, verringert sich die Zahl der Menschen, die jährlich Zoos besuchen, schlagartig um mehr als die Hälfte.

Dass die Besucherzahlen der einzelnen Zoos gnadenlos nach oben manipuliert werden, stellte Knieriems Ex-Zoo Hannover schon vor Jahren - unfreiwillig - unter Beweis. Im Jahresbericht für 2010 wurde das neueingerichtete elektronische Zugangssystem hervorgehoben, das die Zahl der Zoobesucher exakt zu erfassen erlaubt. Bis dahin waren die Zahlen aus den verkauften Tages- und Jahrestickets über einen vom VdZ vorgegebenen Multiplikationsfaktor hochgerechnet worden. Nach dieser dubiosen, seit Jahren aber in VdZ-Zoos üblichen Berechnung hätte der Zoo Hannover im Geschäftsjahr 2010 genau 3.486.612 Besucher ausgewiesen, was in ebendieser Höhe in die VdZ-Statistik eingeflossen wäre. Tatsächlich aber zählte das elektronische Zugangssystem nur 1.602.257 Besucher, weit weniger als die Hälfte der hochgerechneten Zahl. Der VdZ, der bis heute an dem untauglichen Hochrechnungssystem festhält, hat allein für den Zoo Hannover für das Jahr 2010 mehr als 1,8 Millionen Jahreskartenbesucher dazuhalluziniert. Ganz so wie Knieriem das aktuell und unter ausdrücklicher Berufung auf die VdZ-Hochrechnungsvorgaben für den Berliner Zoo machte.

Im Übrigen ist die immer wieder vorgetragene Behauptung, Zoos seien wichtige Attraktionsfaktoren für eine Stadt oder Region, die über Umwegrentabilität – Stärkung von Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe - die ihnen zuteil werdende Subventionierung rechtfertigten, nachweislich falsch: Aus tourismuspolitischer Sicht machen Zoos, selbst wenn die halluzinierten Besucherzahlen Knieriems oder des VdZ zugrunde gelegt werden, keinen Sinn. Gleichwohl werden sie von Kommunal- und Landespolitikern über das Argument der Umwegrentabilität mit zig Millionenbeträgen aus Steuergeldern gefördert.