Wissenschaftliches Gutachten weist eklatante Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht aus

Qualhaltung von Schimpansen im Zoo Krefeld

schimpanse.jpg

Die Schimpansen Bally und Limbo
Die Schimpansen Bally und Limbo

In der Silvesternacht 2019/20 kam es zu einer Brandkatastrophe im Krefelder Zoo, bei der mehr als fünfzig im sogenannten "Tropenhaus" eingesperrte Tiere, darunter acht Menschenaffen, auf grauenhafte Weise zu Tode kamen: sie verbrannten bei lebendigem Leibe. Es war die schlimmste Katastrophe in einem deutschen Zoo seit dem Zweiten Weltkrieg.

Nur zwei Schimpansen überlebten das Inferno. Schwer traumatisiert wurden sie in einen Absperrraum eines von dem Brand nicht betroffenen anderen Tierhauses verbracht, in dem sie seither – seit nunmehr über zweieinhalb Jahren! – auf engstem Raum und ohne Zugang zu einem Außengehege verwahrt werden.

Massiver öffentlicher Protest, mithin über eine von mehr als 40.000 Personen unterzeichnete Online-Petition, bewirkte nichts; ebensowenig scharfe öffentliche Kritik des Jane Goodall Instituts – auch von Dr. Goodall selbst – und anderer Tierschutzorganisationen. Nach wie vor sitzen die beiden Schimpansen Bally (49) und Limbo (29) rund um die Uhr in dem "hinter den Kulissen" gelegenen Absperrraum (27,5 qm plus 2 je 7 qm große Schlafboxen); sie haben diesen für dauerhafte Tierhaltung völlig ungeeigneten Raum seit der Brandnacht nicht mehr verlassen. Bundesministeriellen Vorgaben entsprechend müssten ihnen 200 Quadratmeter Innen- plus 200 Quadratmeter Außengehege zur Verfügung stehen.

Während der Zoo die Haltung der beiden Schimpansen in dem Absperrraum mit Verweis auf zwei von ihm selbst in Auftrag gegebene "Gutachten" des holländischen Unternehmensberaters Patrick van Veen (JGI Global) sowie eine Bewertung durch das örtliche Veterinäramt für vorgabengerecht und tierschutzkonform hält, weist ein unabhängig erstelltes wissenschaftliches Gutachten, gezeichnet von sieben international renommierten Primatolog:innen – ausgewiesene Expert:innen für Schimpansen –, klare Verstöße gegen bundesministerielle Vorgaben sowie geltendes Tierschutzrecht aus.

"Die nun seit über zweieinhalb Jahren andauernde Haltung der beiden durch das Feuer traumatisierten Schimpansen steht in Widerspruch zu den Vorgaben des bundesministeriellen Säugetiergutachtens (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2014) und stellt zudem einen klaren Verstoß gegen das geltende Tierschutzrecht dar (Verstoß u.a. gegen § 2 Abs. 1. u. 2 TierSchG). (…) Der Zoo Krefeld sollte beide Schimpansen nicht behalten und sie stattdessen umgehend an ein Sanctuary oder einen anderen Zoo abgeben, damit sie dort in eine soziale Gruppe integriert werden können." (Siehe Anlage)

Die beiden "Gutachten" des vom Zoo beauftragten Unternehmensberaters werden – umgangssprachlich – "in der Luft zerrissen". Während Herr van Veen keinerlei Verhaltensauffälligkeiten (Stereotypien, Koprophagie o. Ä.) bei den beiden Schimpansen festzustellen vermochte, dokumentiert das unabhängig erstellte wissenschaftliche Gutachten eine ganze Reihe davon. Das Gleiche gilt für die Bewertung der Haltungsbedingungen der beiden Schimpansen durch das örtliche Veterinäramt, das lediglich "geringgradige" Fellveränderungen bei einem der Tiere festhielt, sonst aber keine Auffälligkeiten bemerkte.

Bemerkenswert dabei ist, dass die mittlerweile fünf (!) gegen den Krefelder Zoo wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstatteten Strafanzeigen von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt beziehungsweise gar nicht erst zur Ermittlung angenommen wurden, mithin unter Bezugnahme auf Stellungnahmen des Zoos selbst, die ihrerseits auf besagte "Gutachten" des holländischen Unternehmensberaters sowie die Bewertung durch das örtliche Veterinäramt abstellten. Eine vor über einem Jahr schon getroffene Feststellung der Krefelder Staatsanwaltschaft, dass die derzeit genutzten Räumlichkeiten "nicht dem national vorgegebenen Standard entsprechen und im Rahmen einer dauerhaften Haltung nicht genutzt werden dürften" (3Js879/20), blieb ohne jede Konsequenz.

Strafanzeige gegen Zoo und Veterinäramt

Vor dem Hintergrund des nunmehr vorliegenden wissenschaftlichen Gutachtens, das klare Rechtsverstöße (im Sinne nachweislicher Qualhaltung der Tiere) ausweist, hat eine renommierte Münsteraner Strafrechtskanzlei bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Krefeld erneut Strafanzeige gegen den Zoo beziehungsweise dessen Geschäftsführer, die Stadt Krefeld als Mehrheitseignerin des Zoos sowie das zuständige Veterinäramt wegen fortgesetzten Verstoßes gegen das Tierschutzrecht erstattet (Verstoß gegen die §§ 1, 2 Nr. 1, 2 TierSchG, strafbar nach § 17 Nr. 2 b TierSchG).

Das Gutachten des internationalen Expertengremiums wendet sich explizit auch gegen die Pläne des Krefelder Zoos, ein neues Menschenaffenhaus zu errichten:

"Im Sinne des Tier- und Artenschutzes sollte die Haltung von Menschenaffen in Zoos aus wirtschaftlichen Gründen und zur Unterhaltung von Menschen langfristig auslaufen und auf keinen Fall durch Neubauten ausgebaut werden."

Nach Einschätzung von Experten könnte der Fall "Bally und Limbo" das Ende der Haltung und Zurschaustellung zumindest von Menschenaffen in deutschen Zoos einläuten.

Unterstützen Sie uns bei Steady!