MOOSSEEDORF/CH. (hpd) Vor 22 Jahren machten sich Homosexuelle im katholischen Irland noch strafbar, heute leuchtet die grüne Insel bunt: 62,1 Prozent aller Wähler votierten Ende Mai für eine Verfassungsänderung, die gleichgeschlechtliche Ehen ermöglicht. Trotz dieses richtungsweisenden Resultats zeigen sich die Befürworter der Homo-Ehe in Mitteleuropa zögerlich und lassen der Gegenpartei freie Hand bei der Meinungsbildung.
Dass die Katholiken-Hochburg Irland die Homo-Ehe erlaubt, ist die bisher greifbarste Versinnbildlichung davon, dass katholische Kleriker und konservative Kreise bei der Homo-Ehen-Frage den Kontakt zur Basis verloren haben. Von einem "substanziellen Riss zwischen der katholischen Kirche und der Gesellschaft" sprach der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, und bewertete den Ausgang des Referendums im Interview mit der Internetplattform Vatican Insider als "Zeichen einer Kulturrevolution".
"Schwulenrechte greifen Familien an"
Ein Grossteil der Schweizerinnen und Schweizer zeigt sich bisher noch nicht beflügelt vom irischen Revolutionsgeist. Am 10. Juni wurde ein neues Komitee gegründet, das die Homo-Ehe in der Schweiz verhindern und das traditionelle Familienbild stärken will. "Es ist an der Zeit, die Demontage der traditionellen Familie zu stoppen", sagt Co-Präsident und EDU-Politiker Marco Giglio, "die Ausdehnung der Schwulenrechte ist ein Angriff auf die Familie." Geplant ist bereits ein Referendum gegen die Pläne des Bundesrats, homosexuellen Paaren die Adoption zu erlauben.
Der bisher einzige, verhaltene Kommentar zur Gründung des Komitees kommt vom Schwulen-Verband Pink Cross: Geschäftsleiter Bastian Baumann bezeichnet den Verein im Interview mit der Schweizer Tageszeitung 20 Minuten als "verschlossene Gruppe, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat."
Unbiegsame Befangenheit
Trotz oder gerade wegen den steilen Behauptungen des EDU-Politikers Marco Giglio neigen Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe und des Adoptionsrechts für homosexuelle Paare dazu, sämtliche Gegenparteien als eine Desavouierung des Zeitgeistes abzuwinken und verhindern damit wichtige Diskussionen, die zu einer Einlenkung und Annäherung führen könnten. Zwar sind in der Schweiz ähnliche Forderungen wie in Irland pendent – die Grünliberalen fordern eine parlamentarische Initiative, die die Ehe und die eingetragene Partnerschaft für alle öffnet – doch die Meinungen beider Lager sind derart festgefahren, dass auch die Strahlkraft des irischen Votums niemanden zu erweichen scheint.
Politische Zerrissenheit
Die Öffnung der Homo-Ehe ist eine ethische und moralische Grundsatzfrage, die die Geister scheidet und bis in den Kern des traditionellen, christlichen Familien- und Gesellschaftsbilds bohrt. Gerade deswegen stehen vor allem Politiker im Zwiespalt. So auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die als CDU-Politikerin um die Haltung des traditionellen Teils ihrer Partei weiss, aber auch die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland kennt. Nicht nur sie wird deshalb vor die Frage gestellt, ob sie bei der Ehe-Frage gegen die Mehrheit des Bundestags, des Bundesrats und der Bevölkerung regieren möchte: Laut einer aktuellen Umfrage des deutschen Wochenmagazins Stern sind 74 Prozent dafür, dass Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Partnern vollkommen der traditionellen Ehe gleichgestellt werden.
Mehr Mut zur Meinung
Unabhängig der Denkweise ist es für Volksvertreter unabdinglich, sich auch bei derart heiklen Gesellschaftsfragen zu äussern; was noch keine klare Positionierung an einer der polarisierenden Fronten zur Folge haben muss. Im Zentrum steht, wie bei jeder Debatte, die Suche nach Integration gesellschaftlicher Gegensätze, geleitet von den Mechanismen der demokratischen Auseinandersetzung.
Parallelveröffentlichung mit think.ch.
11 Kommentare
Kommentare
valtental am Permanenter Link
"62,1 Prozent aller Wähler votierten Ende Mai für eine Verfassungsänderung"
Duden, Konrad am Permanenter Link
Wenn man schon verbessert, sollte man wenigstens Recht haben.
Desweiteren können sie keine Deduktion anwenden, da sie im Umkehrschluss behaupten würden, dass die anderen 2/3 anders entschieden hätten.
MfG Konrad
Martin am Permanenter Link
"Aller Wähler" ist vollkommen korrekt. Nicht korrekt wäre "aller Wahlberechtigten" gewesen. Nichtwählende Wahlberechtigte sind Nichtwähler.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"...Nicht "aller Wähler", sondern 'der Wähler'..."
Selbstverständlich aller Wähler(innen), denn jene, die nicht Wählen, nennt man gemeinhin Nicht-Wähler(innen), weil sie nicht wählen, obwohl sie dies rechtlich dürften. Als Wähler(innen) aufgerufen sind alle, die wahlberechtigt sind. An der Wahlurne trennt sich die Gruppe der Wahlberechtigen oder zur Wahl Aufgerufenen in "Wähler(innen)" (jene, die gewählt haben) und "Nicht-Wähler(innen)" (jene, die nicht gewählt haben).
Die Gruppe der Wähler ist also mit jener der "Abstimmenden" identisch. Wer gegen etwas ist, was zur Wahl steht, darf in einer Demokratie an die Wahlurne gehen und seiner Meinung eine Stimme verleihen. Schweigt er/sie jedoch und zieht vor Nicht-Wähler(in) zu sein - was sein/ihr legitimes Rechte ist, sofern nicht Wahlpflicht besteht - dann fällt diese nicht wirksame Stimme unter den Tisch.
Bei Wahlen für Parlamente mag der Mangel an brauchbaren Parteialternativen viele zu Nichtwählern machen. Doch dies ist im Fall "Irland und Homo-Ehe" recht einfach: Entweder man ist für oder gegen die Homo-Ehe. Entschließt man sich in Anbetracht dieser Fragestellung zur Stimmenthaltung, dann ist man entweder unentschlossen oder die Frage ist dem Betroffenen nicht wichtig genug.
Wer jedoch dafür stimmt, ist dafür und die Gruppe, die dagegen gestimmt hat, ist die einzige legitime Gruppe, die dagegen gestimmt hat. Insofern stimmt das im Bericht angegebene Wahlverhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern der Homo-Ehe perfekt. Das Verhältnis zwischen Wählern und Nicht-Wählern ist hingegen völlig irrelevant.
valtental am Permanenter Link
@Konrad, Martin und Herr Kammermeier
Es sind überflüssige Hinweise, weil darin kein wirklicher Dissens besteht. Der Punkt ist einfach, dass entgegen Ihren Erläuterungen im allg. Sprachgebrauch eben selten zwischen Wählern und Wahlberechtigten unterschieden wird! Unter "alle Wähler" werden m.E. bei den meisten Lesern alle Wahlberechtigten verstanden. Und deshalb dürfte diese Formulierung in vielen Fällen irreführend sein, weil vom Sprachgebrauch her eben nicht eindeutig klar ist, was genau gemeint ist. Bei "alle Jogger" ist auch nicht klar, ob nur die gemeint sind, welche gerade joggen oder alle die es könnten. Deshalb hatte ich auch geschrieben, dass es unmissverständlicher 'die Abstimmenden' heißen sollte, schon allein um den Aspekt der direkten Demokratie im Gegensatz zu einer Parlamentswahl zu verdeutlichen. Eine Volksabstimmung heißt nun mal nicht Volkswahl. Ich gebe zu, in dieser Frage pedantisch zu sein, muss man aber auch, weil hier oft die Begrifflichkeiten beliebig gewählt werden, was leider die prinzipiellen Aspekt verwässert.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich bin jetzt auch mal pedantisch:
Alle Teetrinker... = alle, die Tee trinken oder alle, die theoretisch Tee trinken können? Etc.
Hier wird jeder Durchschnittsbürger aufgrund seiner Lebenserfahrung sofort erkennen, dass nur solche, die wirklich mit der Bahn reisen wollten, unter dem Streik litten oder nur die, die wirklich Tee regelmäßig trinken auch Teetrinker sind, auch wenn dies theoretisch jeder, der nicht an einer Tein/Coffein-Allergie leidet, tun könnte.
Ich vermute also mal, dass die weitaus meisten Leser - vor allem die des hpd - den Begriff "Wähler" durchaus richtig einordnen können. Und zwar WEIL wir auch im Sprachgebrauch den Begriff "Nicht-Wähler" haben. Bei jeder Bundes- oder Landtagswahl wird dies endlos in den Medien rauf und runter dekliniert.
Mathematisch gesehen gibt es Wahlberechtigte, von denen ein gewisser Prozentsatz zur Wahl geht. Von diesen entscheidet sich ein gewisser Prozentsatz für eine der zur Wahl stehenden Optionen. Und schon haben wir ein legitimes Proportionsverhältnis zwischen den einzelnen wählbaren Optionen. Die Nichtwähler fallen einfach unter den Tisch, weil sie sich ja beteiligt haben KÖNNTEN.
Ich bin mir sicher, dass dies der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung auch so sieht und aufgrund medialer Erfahrung so sehen kann. So, jetzt war ich auch mal pedantisch.
valtental am Permanenter Link
"Ich vermute also mal, dass die weitaus meisten Leser - vor allem die des hpd - den Begriff "Wähler" durchaus richtig einordnen können." Von mir wurde die missverstehbare Formulierung "aller(!
Selbst viele Journalisten titeln sachlich falsch: "62 Prozent der Iren stimmten in dem Referendum mit Ja, knapp 38 Prozent mit Nein" steht im Artikel in einem Artikel der Zeit; "Mit deutlicher Mehrheit von 62,1 Prozent haben die Iren..." meldet die tagesschau. "Mehrheit in Irland ist für die Homo-Ehe" titelt die Mittelbayerische. „Per Volksabstimmung sprechen sich 62 Prozent der Iren für eine Gleichstellung der Ehe...“ schreibt n-tv.de, wie dort auch in einem längeren Artikel: „Gut 62 Prozent der Iren votierten nach amtlichen Angaben für die Gleichstellung Homosexueller“, ohne ein einziges Mal die Abstimmungsbeteiligung zu erwähnen (Hier müsste es exakt „der votierenden Iren“ heißen). Passend zu unserer Diskussion schreibt pi-news.net: "Allerdings, bei näherer Betrachtung ist es mit der „großen Mehrheit der Iren“, wie die Stromlinien-Medien jubelnd melden, nicht weit her. 39 Prozent der Abstimmungsberechtigten stimmten für die Homo-Ehe, rund 24 Prozent dagegen. Das ist weit weniger als „die große Mehrheit“. Denn wenn man „die Iren“ schreibt, meint man doch wohl die irischen Bürger als Volk – und nicht nur die Iren, die zur Abstimmung gelaufen sind."
Und hier erlaube ich mir hinzuzufügen, dass man unter "alle Wähler" auch leicht alle Wahlberechtigten verstehen kann. Nur gut, dass der hpd kein Stromlinien-Medium ist, und nach Ihrer Vermutung all dessen Leser auf Anhieb zwischen „alle Wähler“ und Wahlberechtigten unterscheiden können. Ein Blick auf manche Journalisten, die es eigentlich wissen müssten, lässt daran zweifeln.
Es geht mir nicht darum, das Irland-Votum kleinzureden, sondern das ein Abstimmungergebnis als erstes in Bezug zu allen Abstimmungsberechtigten gewichtet wird. Besonders gilt dies auch für Wahlen. Eine Parlamentmehrheit von 55% beträgt aber in Sachsen, Thüringen und Bremen nicht mehr als ein gutes Viertel bis ein Drittel der Wahlberechtigten. Ersteres ist zwar ein "legitimes Proportionsverhältnis". Dass aber "die Nichtwähler einfach unter den Tisch fallen" (bei den veröffentlichten Prozentzahlen der Parteien) verschleiert die wahre Akzeptanz/Identifikation mit dieser Demokratie. (Eine CDU mit 38% im Parlament, haben bei 50% Wahlbeteiligung nur 19% tatsächlich gewählt. Und 10% Grüne, sind eben nur noch 5%)
Letzlich noch zum Begriff Wähler bzgl. Volksabstimmungen. Bei VA wird nichts ausgewählt (außer dem selten Fall mehrerer Vorlagen), sondern entschieden. Ja/Nein ist keine Wahl sachlicher Alternativen, sondern schlicht eine Entscheidung. Gesetze im Parlament werden lt. Sprachgebrauch ja auch durch eine Parlamentsabstimmung und nicht -wahl beschlossen. Und i.S. dieser sprachlichen Klahrheit, sollte bei VA überhaupt nicht von Wählern, sondern Abstimmenden bzw. Abstimmungsberechtigten gesprochen werden.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber valtental. Sie negieren mit Ihren Ausführung ein demokratisches Grundprinzip.
In Ländern, in denen Wahlrecht und keine Wahlpflicht besteht, obliegt es jedem Bürger, seiner Meinung eine Stimme zu verleihen. Wenn dies nicht erzwungen wird und der Wahlberechtigte sich verweigert, dann mag er dafür seine Gründe haben. Dies haben wir nicht zu erforschen - außer Wahlforscher eventuell. Dieser Mensch hätte ja wählen gehen können. Dabei - um bei meinem Bild zu bleiben - schmeißt der Wahlberechtigte seine Stimme selbst unter den Tisch. Es ist eine freiwillige Entscheidung.
Jedem Wahlberechtigten ist auch klar, dass seine Stimme nicht gezählt wird, wenn er sie nicht abgibt. Das ist so einfach zu verstehen, dass ich hier von 100%iger Bekanntheit ausgehe. Und da die Gründe für die Wahlverweigerung höchst individuell und privater Natur sind, sollte man sich mit Zuweisungen dieser unter den Tisch gefallenen Stimmen zu bestimmten zur Wahl gestellten Alternativen nicht weiter zu beschäftigen. Es ist schlicht unbekannt und die Zuweisung undemokratisch.
Wer Frau Merkel nicht will, kann eine der Oppositionsparteien wählen. Durch sein Nichtwählen stärkt oder schwächt er aber nicht Frau Merkel, sondern zu gleichen Teilen alle Parteien oder Spitzenpolitiker, da sich an den Proportionen nichts ändert.
Lediglich bei der 5%-Hürde gibt es das Problem, dass bei geringer Wahlbeteiligung kleine Parteien bevorzugt werden könnten, doch auch das ist letztlich eine Milchmädchenrechnung, da bei verringerter Wahlbeteiligung ja alle Parteien proportional mehr Prozente pro Stimme bekommen, die in summa aber nie 100% übersteigen können. Und da die Proportionalität gewahrt bleibt, wird eine kleine Partei auch weiterhin unter der 5%-Hürde bleiben - es sei denn, ausgerechnet dieser Splitterpartei gelingt es, ihre potentiellen Wähler überproportional zu motivieren, sie zu wählen.
Aber auch in diesem Fall kann man nicht die Nichtwähler quasi als schweigende Opposition dieser Splitterpartei gegenüber werten, da deren Willen - bis auf die Tatsache, dass sie nicht gewählt haben - nicht verbindlich festgestellt werden kann (sonst bräuchte ja man überhaupt keine Wahlen mehr).
Zum Fall Irland: "Ja/Nein ist keine Wahl sachlicher Alternativen, sondern schlicht eine Entscheidung."
Die Frage "Homo-Ehe ja?" oder "Homo-Ehe nein?" ist keine Wahl zwischen zwei sachlichen Alternativen? Was bitte kann denn eine noch sachlichere Alternative sein?
Die Wahl zwischen zwei Parteien ist oft genug die Wahl zwischen Cholera oder Pest. Was ist daran "sachlicher"? Aber ist Irland votierte das Volk ganz klar für oder gegen die Ehe homosexueller Menschen. Wer sich an dieser Entscheidung nicht beteiligt hat, ist - ich wiederhole mich - entweder unentschlossen, wohin er tendiert, oder schlicht an der Frage desinteressiert, weil es vielen heterosexuellen Menschen schlicht egal ist, ob Homosexuelle heiraten dürfen oder nicht.
Diese "wahlnegative" Entscheidung sollen Sie auch respektieren und keine Spitzfindigkeiten produzieren (nicht zum ersten Mal), die das klare Votum der Iren FÜR die Homo-Ehe relativieren wollen.
Oder Sie wollen tatsächlich - wie von mir eingangs vermutet - ein Grundprinzip demokratischer Wahlen negieren...
valtental am Permanenter Link
Danke für Ihre Zeilen. Ich hatte eigentlich erwähnt, dass es mir um keine Relativierung des Irland-Votums geht, sondern um die fehlende korrekte Unterscheidung zw. Proporz- und absoluten Abstimmungsergebnissen (s.
Dort meldet sich gegen eine Senkung der Hürden der CDU-Innenexperten Hartmann zu Wort: "Ziel kann doch nicht sein, dass eine Minderheit ein Thema formuliert, eine Minderheit über das Thema entscheidet und eine Mehrheit mit der Entscheidung umgehen muss." Der Innenexperte unterschlägt allerdings (bzw. ist sich dessen gar nicht bewusst?), dass die sächs. Regierungskoalition zwar über 51,8 Proporzprozente im Parlament, aber bei 49,1% Wahlbeteiligung nur über rund 26% aller Wahlberechtigten verfügt - also selbst eine deutliche Minderheit darstellt. Allen Ihren Argumenten, dass dies verfahrensmäßig erst mal nicht deren Legitimität infrage stellt, stimme ich vollkommen zu. Wer nicht wählt, bleibt unberücksichtigt. Das ausschließliche Hantieren mit Proporzprozenten verdeckt jedoch den entscheidenden Fakt, dass Entscheidungen durch Minderheiten der Wahlberechtigten den Regelfall darstellen. Wenn durch eine bevorzugte Benutzung von absoluten Zahlen dieser Umstand stärker ins allgemeine Bewusstsein dringen könnte, würde eine Argumentation wie von Herrn Hartmann als das Erscheinen, was sie ist: eine Irreführung, welche bei VA Mehrheiten einfordert, die bei Wahlen nicht erreicht werden.
Herrn Hartmanns Argumentation auf Irland angewendet, wäre in der Tat ein Versuch, das dortige Votum zu relativieren. Während ich zwar die Zuweisung 'Minderheit aller Abstimmungsberechtigten' im Fall Irland mit Herrn Hartmann teile, sage ich aber, es handelt sich um den Normalfall eines (auch parlament.) Gesetzgebungsprozesses und respektiere diesen damit auch. Nicht nur im Vergleich mit der 26%-Regierungskoalition in Sachsen sind 38% Ja-Stimmen aller abstimmungsberechtigten Iren ein deutliches Ergebnis.
Mein pedantischer Verweis darauf, absolute Zahlen vorrangig und Proporzzahlen nachrangig (nur die Abstimmung präzisierend) zu verwenden, soll die Minderheitsentscheidung als Normalfall ins Bewusstsein rücken, und damit den Minderheitenvorwurf der Gegner von VA entkräften. Denn dieser Minderheitenvorwurf ist deren Standardargument (s. Hartmann) und er wird noch keck als Verteidigung demokratischer Grundregeln ausgegeben (i.S.v.: Mehrheit entscheidet).
Zum Ja/Nein als bloße Entscheidung:
"Die Wahl zwischen zwei Parteien ist oft genug die Wahl zwischen Cholera oder Pest. Was ist daran "sachlicher"?"
Mit sachlichen Alternativen meine ich keine Inhalte, sondern nur die prinzipielle (Aus-)Wahlmöglichkeit zw. verschiedenen Materien (Sachen). EINE Gesetzesvorlage (ohne konkurrierende Vorschläge) wird nicht gewählt, über sie wird abgestimmt. Der Status quo steht bei der Abstimmung selbst nicht direkt zur Auswahl, denn der ist ja schon gültig und man kann ihm daher keine Stimme geben, sondern nur dem Änderungsvorschlag. Sollte dies nicht ganz nachvollziehbar sein, könnte ich anders fragen, ob eine „Wahl“, bei der nur eine Partei zugelassen ist, als (Aus-)Wahl oder nur als Abstimmung bezeichnet werden müsste? Ich tendiere stark zu Letzterem. Dasselbe trifft m.E. auf VA mit nur einer Abstimmungsvorlage zu (was der Regelfall ist).
Meine Hinweise berühren das Irland-Votum in keiner Weise inhaltlich und nehmen auch keine Wertung von diesem vor. Es geht lediglich um den korrekten Gebrauch und Deutung der Begriffe Mehrheit/ Minderheit bei Wahlen und Abstimmungen. Dasselbe würde ich schreiben, wenn die Abstimmung ein entgegengesetztes Ergebnis gehabt hätte.
Philipp am Permanenter Link
Kleine Korrektur: Unten steht: "Parallelveröffentlichung mit think.ch."; die Website heißt aber tink.ch, nicht think.ch.
Noncredist am Permanenter Link
>> die Ausdehnung der Schwulenrechte ist ein Angriff auf die Familie. <<
Umgekehrt wird ein Schuh drauss: Der Familienbegriff und dessen priviligierte Stellung unterdrücken mögliche Rechte der Homosexuellen.
Die Homosexuellen wollen ja nicht "die Familie" angreifen. Sie wollen sich EBENFALLS als eine "anerkannte" Familie - mit ALLEN RECHTEN UND PFLICHTEN ansehen. Im Augenblick zieht man es lieber vor, den Begriff "Familie" nur dann "komplett" zu benutzen, wenn Geschlechtsteile kompatibel sind und damit Kinder gezeugt werden können.
Konsequenterweise würde ein solcher konservativer Familienbegriff zur Folge ziehen, dass zur Zeugung unfähige Personen, etwa durch Krankheit oder Geburtsfehler, keine "Familie" gründen können und dürfen, obwohl sie das passende Geschlechtsteil besitzen.
Der Gesetzgeber hat in einem solchen Fall dafür Sorge zu tragen, dass solchen Personen der "priviligierte Status" mit sofortiger Wirkung aberkannt wird. Dazu ist es notwendig, dass die Krankheitsakte vom Staat ausgewertet wird und man dann demnach "krankheitsbedingt" oder "fehlgeburtsbedingt" diskrimini... äh ... ich meine natürlich familienbegriffsgerecht Handeln kann.
Seien wir mal ehrlich: sowas wollen wir *nicht* (besser: *nie*!) hier haben.
Eine mögliche und IMHO humanere Alternative: Den Familienbegriff einfach neu überdenken. Es nicht an das passende Geschlechtsteil oder der Fähigkeit der Zeugung von Kindern festmachen. Eine "standesamtliche Paarbindung" ("Ehevertrag") als Kriterium reicht doch vollkommen aus. Unabhängig davon, wie andere Institutionen sich die Definition von Mann und Frau ausmalen. Die z.Bsp. Religösen können sich in ihren Vereinen gerne weitere "Zusatzprivilegien" zugestehen, die sie auch bitte gefälligst selbst zu tragen haben. Zum Beispiel könnten Kirchensteuerbezahler, welche das richtige Geschlechtsteil besitzen und mind. 20% der Bibel fehlerfrei rezitieren können, eine zusätzliche Extrarente aus dem Kirchensteuertopf bekommen. Wenn sie Spaß daran haben ... wieso nicht?!
Für den Staat bleibt es ingegen irrelevant. Ein "standesamtliches Paar" bekommt die selben Rechten und Pflichten, unabhängig ihres Geschlechtsteils, ihrer Kleinwüchsichkeit oder ihrer Haarfarbe. Wir sollten lieber nicht anhand von körperlichen Merkmalen Differenzieren, wenn es keinen klaren vernünftigen Grund dazu gibt. Steuervergünstigungen, weil man z.Bsp. "das Potenzial der Kindererzeugung" besitzt, wäre demnach lächerlich. Obwohl ich eindeutig "das Potenzial eines Nobelpreises" besitze, bekomme ich doch nicht automatisch steuerliche Vorteile, oder? :)