KONSTANZ. (hpd) Im Februar zogen über 2000 KonstanzerInnen durch die Straßen und demonstrierten für eine bunte, tolerante und offene Stadt. Schon lange im Vorfeld hatte sich auch der Gemeinderat eindeutig gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus positioniert. Auf den Online-Seiten des Südkurier hingegen, der Tageszeitung vor Ort, dürfen sich durchweg anonyme Hassprediger seit einiger Zeit hemmungslos austoben.
Monatelang das gleiche, üble Spiel: Berichtete der Südkurier über die Situation der Flüchtlinge vor Ort, dann hagelte es auf den Online-Seiten menschenverachtende und fremdenfeindliche Kommentare. Ende Mai, es ging um die bevorstehende Abschiebung zweier Roma-Familien, konnte man lesen: "Wir hätten sehr viele Probleme nicht, wenn wir nicht zum Traumland für viele Ausländer geworden wären. Diese müssen wir jetzt mit viel Geld ruhig stellen, damit sie uns in Ruhe lassen."
Und es kam noch schlimmer: "Die Kinder sitzen bei uns in der Schule und verstehen nix. Man bringt denen zudem bei, dass man sich nur frech genug verhalten muss – es findet sich immer ein Dummer, der einen aushält." Flüchtlinge wurden fast täglich als "kosovarische Wirtschaftsreisende" oder "afrikanische Sozialtouristen" verunglimpft. "Durch massenhafte Zuwanderung", so andere Kommentare, "werden wir kontinuierlich zerstört, unsere Werte, unsere Kultur wird vernichtet." Wer sich online gegen diese rassistischen Äußerungen und Hetzparolen verwahrte, wurde umgehend auf übelste Weise attackiert und als "Meinungsterrorist" und "linker Nazi" beschimpft. Die Online-Redaktion des Südkurier schreitet nur selten ein und lässt den aggressiven Mob gewähren.
Die Formulierungen glichen teilweise denen, die einem Flugblatt zu entnehmen waren, das kurz zuvor in der Stadt verteilt wurde und für dessen Inhalt die rechtsradikale Gruppierung "Der Dritte Weg" verantwortlich zeichnete. Den Deutschen stünde der "drohende Volkstod" bevor, wenn sie weiterhin Flüchtlinge aufnehmen würden, stand da zu lesen. Auf den Flugblättern waren aber auch die Adressen von Konstanzer Flüchtlingsunterkünften angegeben, sicher nicht, um dort Hilfe und Unterstützung anzubieten. Anderntags veröffentlichte die Südkurier Online-Redaktion eine Zuschrift, in der behauptet wurde, Roma hätten sowieso nichts anderes im Sinn, als "uns auszurauben".
Nachdem die Konstanzer Internetpublikation seemoz ausführlich über die Hasstiraden berichtet hatte, protestierten mehrere Südkurier-LeserInnen bei der Redaktion, darunter Kommunalpolitiker und auch Sozialbürgermeister Andreas Osner, dessen Dezernat viel mit der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu tun hat: "Fremdenfeindliche, rassistische und diskriminierende Äußerungen in jedweder Form verurteilen wir entschieden", so Osner. Noch deutlicher wurde Grünen-Stadtrat Normen Küttner: "Diese verbale Gewalt und Herabwürdigung der schwächsten und wehrlosesten Menschen in unserer Stadt und in unserem Landkreis kotzt mich an." Viele Konstanzer beschwerten sich in ähnlicher Form und forderten die Redaktion auf, dem volksverhetzenden Treiben auf ihren Online-Seiten unverzüglich ein Ende zu setzen.
Schließlich reagierte der Südkurier und löschte zumindest die übelsten Kommentare, die gegen Flüchtlinge gerichtet waren. Andere, wie beispielsweise massive Werbung für Pegida: "Feiges, faules deutsches Volk – steht endlich auf! Es ist Euer Land, geht auf die Straße!", ebenfalls unter Pseudonym verfasst, werden indes weiterhin veröffentlicht. Dazu auch ein Link auf Politically Incorrect, einer islamophoben Hetzpostille, die hohe Zugriffszahlen aufweist und eine Scharnierfunktion tief hinein in die rechtsradikale Szene hat.
Doch diese Woche wurden erneut Kommentare frei geschaltet, darunter einer, der an Widerwärtigkeit kaum mehr zu toppen ist. Nachdem in der Printausgabe über den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte in Konstanzer seriös berichtet wurde, wurde umgehend online folgende Zuschrift veröffentlicht: "(…)Zwei Afrikaner vergewaltigen eine Frau, kriminelle 68-er Richter sperren sie nicht ein, sondern lassen sie auf die Bevölkerung wieder los und natürlich machen sie weiter und vergewaltigen wieder (…) Wenn man weiß, das in vielen Teilen Afrikas Vergewaltigung Volkssport ist, ist es Krieg gegen die eigene Bevölkerung, wenn die Regierung solche Leute auf uns los lässt (..)." In anderen Verlautbarungen ist zudem von einer "Umvolkung" der Deutschen die Rede und auch davon, dass die Aufnahme von Flüchtlingen einem "Genozid" an der deutschen Bevölkerung gleich käme.
Alles kein Ruhmesblatt für eine Tageszeitung, die regelmäßig mit stolzgeschwellter Brust auf ihre Auszeichnungen für guten Lokaljournalismus hinweist.
1 Kommentar
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich überlege, ob sich derartige Wortfäkalisten nicht selbst entlarven. Sind nicht jene gefährlicher, die sich hinter pseudosachlichen Argumenten verstecken, um ihren dumpfen Fremdenhass zu verbreiten?
Würde nicht ein halbwegs sozialisierter Leser diesen Dreck sofort als Dreck erkennen? Und solche, die die Verbalrotze geil finden, sind doch sowieso auf dem Trip in ihre geliebte, braune Masse.
Das Ganze basiert übrigens auf dem psychologischen Effekt der Übertragung, in der Bibel als "Vernichtungsweihe" bekannt und ein deuteronomistisches Gottesgebot. Es ist die göttliche Erlaubnis, alles Fremde aus der eigenen Mitte (Gesellschaft) mit Stumpf und Stiel auszurotten. Auslöser sind: anderer Glauben, andere Hautfarbe, andere Nationalität, andere Lebensweise etc.
Und dann folgt die Übertragung, die sich auch in den Hasstiraden spiegelt: Jemand, der andersgläubig, andershautfarbig ... etc. ist, ist natürlich auch: unrein, böse, verdorben, kriminell, ein Kinderschänder, Dieb, Vergewaltiger, Mörder ... etc.
Dies funktionierte in der Zeit der sogenannten Landnahme in Israel, dies wurde 1 zu 1 vom Christentum und Islam übernommen und wirkt sich bis heute in totalitären Staaten oder Köpfen aus.
Diese Übertragungen dienen letztlich der Reduktion oder gar Überwindung der eigenen angeborenen Empathie, um gegen Menschen vorzugehen, mit denen man selbst kaum Berührungspunkte hat.
Hunderte Male hat man gesehen, wenn Nachbarskinder ihr Kaugummipapier auf die Straße schmeißen. Aber wenn ein "Asylant" dies macht, ist die Aufregung groß. Selektive Wahrnehmung, um die eigene Ablehnung zu rechtfertigen.
Natürlich gibt es auch objektive Probleme mit Menschen anderer Kulturen. Als ich beruflich in Ägypten war, wunderte ich mich über den vielen Dreck, der dort in den Straßen liegt (bis auf Nobelviertel, in denen unterbezahlte Straßenreiniger im Dauereinsatz waren). Ich habe mit einem gut situierten Geschäftsmann darüber gesprochen, der eine Luxusferienanlage für Touristen gebaut hatte. Er meinte zum Dreck, dass dies niemand stören würde und er konnte nicht nachvollziehen, warum Europäer dies anders sehen. In der Tat ist dies eine Frage der persönlichen Einstellung. Denn objektiv stört der Dreck bis zu einer gewissen Grenze nicht. Außer man geht mit deutscher Gründlichkeit an die Sache und da kann auch ein zu langer Grashalm auf der Wiese stören.
Natürlich ist auch mir bekannt, dass mangels Horden schlecht bezahlter Straßenreiniger bei uns der Müll nicht in einem ewigen Strom entfernt wird, sondern sich anhäuft, was zu hygienisch zweifelhaften Situationen führen kann. Aber genau hier würde ich den Kontakt zu Menschen aus solchen Kulturkreisen suchen und mit ihnen die Situation in Deutschland diskutieren. Wenn sie verstehen, dass hier jeder am Besten seinen eigenen Dreck wegräumt - in dafür vorgesehene Behälter, streng sortiert - dann findet eine wechselseitige Annäherung statt, die auch dazu führt, sich nicht über jeden Mist aufzuregen, der dann trotzdem noch die Augen des sauberen Deutschen zum Platzen bringt.
Doch dieser Austausch setzt voraus, dass wir über Menschen anderer Länder und Sitten nicht die Vernichtungsweihe verhängen, sondern unsere Wahrnehmung möglichst objektivieren und genauso empfindlich machen, wie wir unsere biodeutschen Nachbarn sehen.
Nach dem Prinzip "Wie man in den Wald ruft ..." könnten dann auch die angeblich so gefährlichen Fremden ihre Ressentiments gegen unsere Kultur aufgeben und sich darauf einlassen. Das ist gewiss ein langer Weg, der viel Vertrauen braucht.
Die Tastatur-Krakeeler helfen dabei nicht, aber sie entlarven sich meiner Meinung nach selbst, was sicher viele unentschlossene Deutsche dazu animieren mag, auf die Seite humanistischer Vernunft zu wechseln. Wichtig ist nur, dass sich immer wieder welche finden, die den Schmutzfinken eine Gegenposition entgegenhalten. Keine Macht den Doofen!